Bilder für die Ewigkeit

Von Ulrike Gondorf · 20.09.2012
Im Düsseldorfer Museum Kunstpalast sind bekannte und neue Arbeiten des von Andreas Gursky zu sehen. Er gehört zu den wichtigsten zeitgenössischen Fotografen.
Wismer: "Eigentlich würd’ ich lieber nicht über den superstar sprechen. Ist er geworden und er wird so wahrgenommen, aber eigentlich geht es uns ganz präzise um die Bilder. Eigentlich wären wir dankbar, wenn man ein bisschen diesen Gursky-Hype vergisst und sich das Bilder-Panorama anschaut."

Das hat der Künstler selbst zusammen gestellt - 60 Bilder aus mehr als 30 Jahren, ein Überblick über das Gesamtwerk also. Aber subjektiv ausgewählt und nicht chronologisch oder in thematischer Gruppierung gehängt. Eine Gursky-Installation sozusagen, auf den ersten Blick überfordernd wie seine überwältigend detailreichen Großfotos.

Wismer: "Ich glaube, es geht ihm darum zu zeigen, was es alles gibt."

Auf den zweiten Blick eröffnet sich die Chance einer Annäherung an Struktur und Prozess dieses Werks. Die einheitliche übergeordnete Perspektive gibt es weder in der Ausstellung noch auf den Bildern. Kleine, farblich noch weitaus weniger brillante Arbeiten aus den Achtzigerjahren hängen neben den aktuellen, grandios tiefenscharfen und leuchtenden Großformaten - der Bonner Bundestag neben dem Madonna-Konzert, das zu einer Gursky-Ikone geworden ist.

Die Ortsangaben der Aufnahmen, die viele Bilder als Titel nennen, ergeben eine schwindelerregende Abfolge: von Bahrain nach Shanghai, vom Engadin nach Chicago, vom Ruhrtal nach Tokio.

Wismer: "Es gibt ein intuitives Fotografenauge, das durch die Welt reist, auch an Orte, wo wir nie hinkommen, und etwas sieht, was ihn anspringt, und daraus entwickelt er seine Bildidee, die er am PC realisiert.
Die Bilder entstehen nicht aus nichts. Er ist eigentlich kein Bild-Erfinder, sondern ein Bilder-Finder. Er findet die Bilder und sagt, damit kann was machen."

Gursky komponiert seine Bilder aus vielen verschiedenen Motiven am Computer. Aus Einzelaufnahmen entsteht etwas, das so, im selben Moment, nie existiert hat. Und selbst wenn - niemand könnte tatsächlich das sehen, was Gurskys Bilder zeigen: Die Dimensionen sind zu groß, die Blickwinkel zu weit, niemals könnte das Auge zugleich die Gesamtansicht des riesigen Wohnblocks im Pariser Stadtteil Montparnasse liefern und die detaillierten Einblicke in die Fenster, auf denen man die Zimmereinrichtung erkennt. Ein Rätselraten mischt sich immer in die Beschäftigung mit diesen Bildern, die sich permanent reiben an unserer Erwartung, dass Fotografie die Realität abbilden würde.

Wismer: "Aber wir wissen ja eigentlich nicht aufgrund der Bilder, ob die Mondlandung stattgefunden hat oder Science-Fiction war. Wir können immer wieder hinters licht geführt werden mit Fotografie."

Die Brüche und Widersprüche, die die Arbeit von Andreas Gursky bestimmen, spiegeln sich im Kunstpalast noch einmal in der Konzeption dieser spannenden Ausstellung. Konsequent verweigert sie einen linearen Blick auf das Werk und schickt die Besucher hin und her zwischen verschiedenen Polen.

Neben den berühmten Massenbildern wie dem Propaganda-Aufmarsch in Pjöngjang mit den bunt kostümierten Turnern in geometrischen Formationen stehen Bilder aus der sehr viel kargeren, fast monochromen Reihe "Ohne Titel", die eine graphische Wirkung erzielen: zarte Spuren auf einem Teppichboden oder die strengen Horizontalen eines hölzernen Rouleaus. Und auch die neueste Entwicklung im Werk Andreas Gurskys wird nicht hervorgehoben, sondern integriert: Im vergangenen Jahr entstand die Serie "Bangkok". Gursky fotografierte eine Wasserfläche, auf der Abfälle treiben, und verfremdete die Aufnahmen am Computer, sodass der Eindruck informeller Malerei entsteht. Monets "Seerosen" winken über ein Jahrhundert hinweg.

Wismer: "Ich glaube schon, dass er am PC eine Art moderner Maler ist."

Sagt Beat Wismer und erklärt, dass es ganz neue computertechnische Möglichkeiten sind, die den Künstler hier inspiriert haben.

"Tatsächlich haben wir es hier mit einer reihe zu tun, die größe Ähnlichkeiten mit informeller Malerei hat. Er ist noch nie so frei damit umgegangen."

Dass Gursky aktuellste mediale Bildwelten perfekt zu zitieren versteht und doch unsere Wahrnehmung subversiv herausfordert – vielleicht ist es das, was das riesige Interesse an seiner Arbeit erklärt. In Düsseldorf merkt man jedenfalls, dass man nicht fertig werden wird mit den Rätseln, die unter diesen Hochglanz-Oberflächen lauern.

Wismer: "Es ist ein Künstler, der mit dem Ausgangsmaterial der Fotografie arbeitet, aber daraus ganz andre Bilder schafft, die so weit getrieben sind, dass sie über die Realität mehr aussagen, als in der bloßen Abbildung passieren könnte."