Bilder von Liebe, Verlust und Einsamkeit
In seinem Gedichtband "Versuch über das Licht" wirft der Lyriker John Burnside einen Blick auf das Leben der einfachen Menschen. Die Lektüre gleicht einer langsamen Fahrt durch eine wüste, wunderschöne Landschaft mit Meerblick.
John Burnsides Gedichte: Das sind melancholische Meditationen, karge Landschaftsbeschreibungen oder stille Momentaufnahmen. Da sitzen beispielsweise einige Kerle am Hafen. Stumm verrichten sie ihre freiwillige Arbeit an ihren Booten mit ölverschmierten Händen, während die Möwen neben ihnen die Abfalltüten aufreißen und sich gierig an Essensresten laben: "Das ist das Leben, das sie wollen, ihr gewähltes Handwerk", heißt es in "Der Hafen der Männer", einem der schönsten Gedichte in dem Band "Versuch über das Licht". Und genau darum geht es John Burnside: Die einfachen Menschen zu beobachten und von ihnen zu erzählen. Bilder zu finden für ihre Lieben, ihre Verluste, ihre Einsamkeit. Mal beschreibt er eine Straße, die wie beiläufig zum Haus der verstorbenen Großmutter führt, mal widmet er dem vertrauten, fremden Nachbarn ein Gedicht, einem Nachbarn, den man schon so lange kennt – oder eben gar nicht kennt.
Der 1955 geborene Autor ist im deutschsprachigen Raum in den letzten Jahren vor allem durch seine Romane bekannt geworden, zuletzt "Lügen über meinen Vater". In diesem Sommer jedoch hat John Burnside für sein dichterisches Werk den renommierten und hoch dotierten Petrarca-Preis zugesprochen bekommen. "Versuch über das Licht" versammelt jetzt eine übersetzte Auswahl seiner Gedichte aus fast zwei Jahrzehnten. Der Band gibt einen umfassenden Einblick in das lyrische Werk des schottischen Schriftstellers: Gedichte von zeitloser Schönheit und messerscharfer Präzision, kein Wort ist hier zu viel – genau wie in Burnsides Romanen, die sich auch durch ungeheure Sprachgewalt auszeichnen. So leichtfüßig, so uneitel, so ehrlich sind diese Texte, dass man sich an große, europäische Lyriker wie den Tschechen Petr Borkovec erinnert fühlt, dessen anrührende Lyrik ebenfalls ganz wenig braucht, um viel zu schaffen.
Man muss allerdings kein Freund von zeitgenössischer Dichtung sein, um Burnsides Gedichte zu lieben, im Gegenteil: Gerade, wenn man mit Lyrik normalerweise nichts anfangen kann, sollte man "Versuch über das Licht" lesen. Denn was John Burnside beschreibt, das kommt mitten aus dem Leben. Lyrikübliche Ermüdungserscheinungen stellen sich gar nicht erst ein: Man kann dieses Buch tatsächlich in einem Tag mit Genuss lesen; die Lektüre gleicht einer langsamen Fahrt durch eine wüste, wunderschöne Landschaft mit Meerblick, vorbei an den Häusern, an den Höfen, an den Bewohnern der Dörfer mit all ihren Ecken und Kanten. Auch die äußere Optik des Bands kommt dem entgegen: Man hat ein kleines, fest gebundenes, dabei bewusst schlicht aufgemachtes Buch in den Händen, eine Kostbarkeit, die man erst dann wieder weglegen will, wenn man beim letzten Gedicht angekommen ist.
Besprochen von Martin Becker
John Burnside: Versuch über das Licht. Gedichte.
Aus dem Englischen von Iain Galbraith.
Edition Lyrik Kabinett, Hanser Verlag, München 2011
144 Seiten, 14,90 Euro
Der 1955 geborene Autor ist im deutschsprachigen Raum in den letzten Jahren vor allem durch seine Romane bekannt geworden, zuletzt "Lügen über meinen Vater". In diesem Sommer jedoch hat John Burnside für sein dichterisches Werk den renommierten und hoch dotierten Petrarca-Preis zugesprochen bekommen. "Versuch über das Licht" versammelt jetzt eine übersetzte Auswahl seiner Gedichte aus fast zwei Jahrzehnten. Der Band gibt einen umfassenden Einblick in das lyrische Werk des schottischen Schriftstellers: Gedichte von zeitloser Schönheit und messerscharfer Präzision, kein Wort ist hier zu viel – genau wie in Burnsides Romanen, die sich auch durch ungeheure Sprachgewalt auszeichnen. So leichtfüßig, so uneitel, so ehrlich sind diese Texte, dass man sich an große, europäische Lyriker wie den Tschechen Petr Borkovec erinnert fühlt, dessen anrührende Lyrik ebenfalls ganz wenig braucht, um viel zu schaffen.
Man muss allerdings kein Freund von zeitgenössischer Dichtung sein, um Burnsides Gedichte zu lieben, im Gegenteil: Gerade, wenn man mit Lyrik normalerweise nichts anfangen kann, sollte man "Versuch über das Licht" lesen. Denn was John Burnside beschreibt, das kommt mitten aus dem Leben. Lyrikübliche Ermüdungserscheinungen stellen sich gar nicht erst ein: Man kann dieses Buch tatsächlich in einem Tag mit Genuss lesen; die Lektüre gleicht einer langsamen Fahrt durch eine wüste, wunderschöne Landschaft mit Meerblick, vorbei an den Häusern, an den Höfen, an den Bewohnern der Dörfer mit all ihren Ecken und Kanten. Auch die äußere Optik des Bands kommt dem entgegen: Man hat ein kleines, fest gebundenes, dabei bewusst schlicht aufgemachtes Buch in den Händen, eine Kostbarkeit, die man erst dann wieder weglegen will, wenn man beim letzten Gedicht angekommen ist.
Besprochen von Martin Becker
John Burnside: Versuch über das Licht. Gedichte.
Aus dem Englischen von Iain Galbraith.
Edition Lyrik Kabinett, Hanser Verlag, München 2011
144 Seiten, 14,90 Euro