Bilderbuch "Der Nachtgärtner" von Terry und Eric Fan

Ein Märchen in bunten Farben

Bild aus „Der Nachtgärtner“ von Terry und Eric Fan.
Bild aus „Der Nachtgärtner“ von Terry und Eric Fan. © Verlagshaus Jacoby & Stuart
Von Kim Kindermann |
Der Grimlochweg ist ein düsterer Ort. Bis ein wundersamer "Nachtgärtner" Bäume trimmt: zu Eulen-, Katzen- oder Hasenskulpturen. Die Bewohner freuen sich – und beginnen auch, ihre Straße zu verschönern. Ein märchenhaftes Bilderbuch ohne viele Worte. Magisch!
Der Grimlochweg ist ein dunkler, trauriger Ort: Kaputte Bürgersteige säumen eine heruntergekommene Straße, düstere Häuser stehen hinter windschiefen Gartenzäunen. Und mittendrin findet sich dann noch Grimlochs Waisenhaus. Kein Wunder, dass die Menschen hier genauso grimmig wirken wie ihre Straße. Mit gesenktem Kopf und hochgezogenen Schultern hasten sie grußlos aneinander vorbei, oder schauen traurig aus Fenstern auf die unfreundliche Straße. Das - so scheint es - ist die Endstation des Lebens! Ausweglos, egal, ob man alt ist oder jung.

Ein Gärtner bringt das Glück zurück

Doch dann entdeckt das Waisenkind William eines Morgens einen wundersamen Baum. Über Nacht hat er sich in die Skulptur einer Eule verwandelt. "Von Zauberhand", wie es in diesem hinreißenden Bilderbuch heißt. Und jede Nacht kommen fortan neue Tier dazu, eine Katze, ein Hase, ein Papagei und ein Drache. Und mit diesen kunstvollen Baumschnitten, die ein mysteriöser Gärtner anfertigt, ändert sich etwas im Grimlochweg: Die Menschen wachen auf aus ihrer Lethargie, sie heben die Köpfe, schauen sich wieder an, lachen, reparieren ihre Häuser, ihre Zäune, ihre Straße und hängen Lampen auf. Kurz: Sie entdecken das Glück! Und sie lernen, dass es oft nur einen ganz kleinen Anlass braucht, um etwas zum Besseren zu wenden.

Das gilt auch für William. Nachdem er eines Abends auf den geheimnisvollen Nachtgärtner trifft, bekommt er die Aufgabe, dessen Werk fortzusetzen. Und so trägt nun das Waisenkind - nachdem die Bäume im Herbst ihre Blätter verloren haben – im neuen Jahr weiter das Glück in den Grimlochweg.
Bild aus „Der Nachtgärtner“ von Terry und Eric Fan.
"Die ganze Stadt war gekommen, um die Arbeit des Nachtgärtners - und Williams Arbeit - zu bewundern."© Jacoby & Stuart

Einfühlsam und ohne große Worte

Die Brüder Terry und Erin Fan haben ein tiefsinniges Kinderbuch geschaffen - mit knappem Text, keiner ist länger als zwei Zeilen pro Seite, und magischen Bildern. Sie sind mit Tusch und Bleistift gezeichnet, jedes Bild lebt vom feinen, detailgetreuen Strich – jedes Baumblatt, jeder Straßenriss, jede Gesichtsfalte ist deutlich zu erkennen.
Bild aus „Der Nachtgärtner“ von Terry und Eric Fan.
"Mit der Zeit veränderten sich die Blätter der Bäume..."© Jacoby & Stuart
Sind die Bilder anfangs noch streng in Schwarz-Weiß gemalt, kommt von Seite zu Seite mehr Farbe dazu. Anfangs erstrahlen nur die Baumschnitte in sattem Grün, später die Menschen und Dinge in Gelb, Rot, Braun, Lila und Rosa. Am schönsten aber sind die Nachtbilder: Eingetaucht in ein zartes Blau, schaut man dem Nachtgärtner unter einem funkelnden Sternenhimmel bei seiner Arbeit zu. Magisch!
Und so ist dieses Bilderbuch ein weiterer Beweis dafür, dass Märchen immer noch der beste Weg sind, Kindern die Welt näher zu bringen. Einfühlsam und ohne große Worte. Einfach perfekt!

Terry und Eric Fan: "Der Nachtgärtner"
Übersetzt von Edmund Jacoby, Jacoby & Stuart, Berlin 2016, 48 Seiten, 14,95 Euro

Mehr zum Thema