"Mein Vater war bitterenttäuscht"
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Der Bildhauer Tony Cragg ist einer der wichtigsten Meister der "New British Sculpture": Als Ingenieurssohn hatte er zunächst im Labor gearbeitet, merkte bald, dass ihm Kunst näher liegt. Sein Vater habe den Wechsel nie akzeptieren können, so Cragg.
Gegenwartskunst mitten im Wald? Tony Craggs Skulpturenpark Waldfrieden in Wuppertal beweist, wie wunderbar Kunst und Natur harmonieren können. Uralte Buchen, Lärchen, Magnolien – und mittendrin seine Skulpturen aus Bronze, Stein, Plastik; aber auch Werke anderer Bildhauerinnen und Bildhauer der Moderne und Gegenwart. Je nach Jahreszeit sei dies immer wieder ein neues, inspirierendes Zusammenspiel, so der britische Künstler. "Wenn man im Winter die Skulptur mit Schnee bedeckt sieht, zum Beispiel. Das ist sehr verführerisch, wie die Natur mitspielt."
Alles ist Material
Letztlich, so Tony Cragg, sei alles, was uns umgibt, Material, auch für seine Kunst:
"Alles, was wir im Kopf haben, alle Gedanken, Wissenschaft, unsere Emotionen, sind alle gesteuert durch unsere Erlebnisse mit Materialien. Von Anfang an kriegen wir die Wärme und die Farben und den Geschmack der Welt mit. Die speichern wir, und irgendwann haben wir das schön im Gehirn geordnet, und wir können dann mit dem, was wir gelernt haben, wirklich denken. Und so funktioniert unser Leben. Und Bildhauerei ist nur ein bisschen mehr, ein bisschen weitergedacht." Er setze all diese Inspirationen in Formen um.
Das Elternhaus erinnert Tony Cragg wenig künstlerisch orientiert. Er wird im April 1949 in Liverpool geboren; sein Vater ist Luftfahrtingenieur, die Familie zieht oft um.
"Ich bin in sieben Schulen gewesen. Wie oft wir umgezogen sind, habe ich wirklich vergessen. Und die Zeit in den 50er-Jahren, der Kindheit? Ich habe eine wunderschöne Kindheit gehabt. Wir haben immer meinen Großvater auf dem Bauernhof besucht, ich habe die Natur lieben gelernt, spielerisch. Aber es war auch eine etwas graue Zeit." England habe unter dem Verlust der Kolonien gelitten, ein bankrottes Land. Anders die 60er, 70er-Jahre: "Dann kam die aufregende Popmusik, die Beatles, die ganze Generation von Leuten, die antiautoritär waren."
Vom Chemielabor an die Kunstakademie
Zunächst macht Tony Cragg eine Ausbildung als Labortechniker, doch die Arbeit wird ihm schnell zu fad. Er beginnt zu zeichnen. "Und irgendwann sind die Zeichnungen für mich interessanter, wichtiger geworden als die Experimente, die zu einigen schrägen Ergebnissen geführt haben." Jemand schlägt ihm vor: Bewirb` dich an einer Kunstakademie. "Ich dachte: Wow, Künstlerakademie! Und dann habe ich das tatsächlich gemacht – und bin angenommen worden. Das war eine ganz neue Welt für mich."
Sein Vater habe den Berufswechsel nie akzeptieren können, erinnert er sich. "Da war mein Vater bitterenttäuscht. Er hat es noch erlebt, dass ich am Royal College angenommen worden bin, was damals eine große Ehre und Leistung war. Aber leider hat er es nie eingesehen."
Heute werden Craggs Arbeiten auf international renommierten Ausstellungen präsentiert, darunter auf der documenta, auf Biennalen weltweit. Seine Skulpturen finden sich in renommierten Sammlungen, im öffentlichen Raum. Im Jahr 2002 wurde er in den Stand eines "Commander of the British Empire" erhoben.
Und auch mit 70 Jahren ist Tony Cragg aktiv; er arbeitet derzeit an 30 Skulpturen. Inspiration könne dabei alles sein: "Es kann eine Figur sein, eine Landschaft. Es kann eine Blume sein, ein Stillleben – erst mal Informationen. Bevor man einen Output hat, muss man einen Input haben. Das hält mich nachts wach."
(sus)