Eine IT-Schule im Nirgendwo
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In der Halbwüste am Turkana-See in Kenia entsteht eine IT-Schule, die jungen Menschen Hoffnung gibt auf eine bessere Zukunft. Viele von ihnen saßen noch nie zuvor an einer Tastatur. Hinter dem Projekt steckt Prinz Ludwig von Bayern.
"Wir stehen hier am Lake Turkana. Das ist der weltgrößte Wüstensee. Touristisch fast gar nicht erschlossen. Und er ist so groß, dass man von vielen Stellen das andere Seeufer gar nicht sehen kann. Es hat eigentlich mehr ein Gefühl, wie wenn man am Meer steht."
Prinz Ludwig von Bayern genießt diesen Ausblick oft. Der Ururenkel des letzten bayerischen Königs hat sich die einsame Gegend im Norden Kenias ausgesucht, um ein ungewöhnliches Projekt zu starten. Er baut eine IT-Schule. Eine Einrichtung, in der junge Kenianer zu Webdesignern und Grafikererinnen ausgebildet werden sollen. Die ersten Gebäude stehen schon. An den weiteren wird fleißig gearbeitet.
"Wir probieren, afrikanisch zu bauen. Nicht im Sinne, dass wir sagen: Wir bauen so, wie hier die Regierung baut oder wie die Kirche ihre Schulen baut. Sondern wir probieren, in afrikanischen Formensprachen zu bauen."
Der Prototyp für die künftigen Wohnhäuser ist den Hütten der Halbnomaden am Turkana-See nachempfunden. Mit einem runden Dach und ockerfarbenen Außenwänden. Das Hauptgebäude wurde von einem renommierten Architekten entworfen: Francis Keré, der in Burkina Faso geboren wurde, jetzt an der Technischen Universität München lehrt und ein Architekturbüro in Berlin betreibt. "Einer der ganz großen Namen im afrikanischen Futurismus", sagt Prinz Ludwig von Bayern, "entsprechend beeindruckend ist auch der Entwurf, den er für uns gezeichnet hat und der hier in den nächsten Monaten immer mehr an Substanz gewinnen wird."
Der Stellenwert des Mobilfunknetzes
Zurzeit braucht es noch Fantasie, um sich vorzustellen, wie der Bau sich an einen Hügel quasi anschmiegen soll. Die Dächer auf verschiedenen Ebenen werden bepflanzt. Schon bald sollen sich hier und auf dem übrigen Campus ein paar hundert Studierende tummeln. Ein Silicon Valley mitten im Nirgendwo. Die Karriere startet mit einem Intensivkurs.
"Dort lernt man alles: Vom Internetseite-Machen bis zu einem Foto-Shoot, einem kleinen Film, ein 3-D-Objekt bauen, ein Computerspiel programmieren."
Das kann auch hier funktionieren. Denn obwohl es in der Turkana-Region außer dem See, ein paar Sträuchern und Ziegen sonst wenig gibt, klappt der Anschluss ans weltweite Netz.
"Das Internet in Afrika ist eine interessante Entwicklung. Da es hier vieles, was wir in Europa für selbstverständlich halten, zum Beispiel Kreditkarten und Telefonleitungen, nicht gab, hat das Mobilfunknetz eine ganz andere Bedeutung."
Chancengleichheit auch für Kenia
Am Turkana-See zeigt das Handy 4G-Empfang, anders als in abgelegenen Gegenden in Deutschland. Die Voraussetzungen, um von hier aus an Internetprojekten zu arbeiten, stimmen. Prinz Ludwig von Bayern will jungen Leuten eine Perspektive geben, denen sonst nach der Schule oft kaum eine Wahl bleibt. Die Jungen werden Viehhirte oder Fischer, die Mädchen bekommen viele Kinder und flechten nebenbei Körbe.
"Deswegen ist das Allerwichtigste, dass man für die Zeit nach der Schule realistische Chancen schafft. Und das muss halt mehr sein als Körbe flechten. Es muss die Karriere-Optionen geben, die es für die Menschen in der entwickelten Welt auch gibt."
Dass dieses Modell funktioniert, hat Ludwig von Bayern schon bewiesen. Seine IT-Schule gibt es im Kleinen in Lodwar, dem größten Ort in der Turkana-Region. Hier werden seit ein paar Jahren künftige Webdesignerinnen, Grafiker und Animateure ausgebildet. "Learning Lions" – lernende Löwen – heißt das Projekt.
Learning Lions – eine Erfolgsgeschichte
Das größte Gebäude hat in bunten Buchstaben "Google@House" über dem Eingang stehen. Eine graue Metalltür führt in einen einfachen Raum mit vielen Holztischen. Junge Frauen und Männer sitzen vor ihren Laptops. Sie haben die Grundausbildung bei "Learning Lions" hinter sich und sind jetzt angehende Grafikdesigner. Kevin Waimani entwirft gerade einen Flyer für ein Restaurant in der Nähe. Umgerechnet etwa fünf Euro soll er dafür bezahlt bekommen – für ihn völlig okay: "Dafür brauche ich nicht länger als 30 Minuten. Das ist also nicht so viel Zeit."
Das gehört zum Konzept der Schule. Die Studierenden sollen möglichst schnell selbst Geld verdienen können. Kevin, 26 Jahre alt, hat schon einige Verpflichtungen: "Es gibt zuhause viele Leute, die meinen Weg verfolgen. Außerdem habe ich ein Kind. Von Computern hatte ich kaum eine Ahnung. Dann hörte ich von dem Programm und wie man sich dafür bewerben kann. So bin ich hier gelandet."
Der Traum von der eigenen Existenz
Im Grundkurs entdeckte er, dass ihm vor allem Grafikdesign liegt. Seitdem hat er sich darin spezialisiert und träumt von einem eigenen Büro. Wenn es nicht doch noch mit der Karriere als Sänger klappt. Nebenbei ist Kevin nämlich Gospelsinger: "Ich fange als Künstler gerade erst an. Ich bin mir sicher, wenn ich meine Projekte auf YouTube stelle, wird Gott mir eines Tages neue Wege eröffnen."
Über das "Licht der Hoffnung" singt er, das auch ihm leuchten soll. Bei den Youtube-Videos haben ihm andere "Learning Lions" geholfen.
Die Kreativität auf dem Campus ist groß. Und die Motivation bei den Studierenden. Sie sehen, dass sich viele aus den ersten Kursen schon eine erfolgreiche Karriere aufgebaut haben. Einige haben ein Stipendium einer australischen Universität bekommen. Andere sind direkt in den Beruf eingestiegen und haben Kunden nicht nur in Kenia, sondern auch im Ausland, für die sie Internetseiten bauen oder Animationsfilme erstellen.
Manche haben noch nicht mal an einer Tastatur gesessen, wenn sie mit der Grundausbildung anfangen. Aber so wie Paul machen sie dann oft schnell Fortschritte: "Das ist mein drittes Jahr, in dem ich Animation studiere. Erst habe ich mich auf Grafikerdesign konzentriert, aber inzwischen liegt mir Animation mehr."
Der 23-Jährige träumt davon, irgendwann für eins der großen Filmstudios arbeiten zu können. Nach der Ausbildung traut er sich viel zu: "Learning Lions, dieses Programm, hat mir so viel ermöglicht. Ich hatte tolle Ausbilder. Ich kann in diesem Bereich genau das Gleiche lernen wie jeder andere auf der Welt."
Die zweite IT-Schule ist noch im Rohbau
Prinz Ludwig von Bayern hat eine Klettertour hinter sich. Er ist auf das Dach eines der künftigen Wohnhäuser am Turkanasee gestiegen. Alles ist noch im Rohbau. Die Arbeiter verputzen Wände und ziehen Böden glatt. Ludwig von Bayern lässt seinen Blick über das Gelände schweifen. Ihm ist klar: Bis die IT-Schule steht und der Unterricht hier läuft, ist noch viel Einsatz von ihm gefragt.
"Wenn man Projekte wie dieses hier anfängt, muss man auch bereit sein, sie über einen langen Zeitraum, vielleicht sogar das ganze Leben lang, ein bisschen weiter zu begleiten. Das heißt aber nicht notwendigerweise, dass man sein ganzes Leben hier verbringen muss, sondern nur, dass man – wenn alles mal einigermaßen gut aufgestellt ist – noch regelmäßig draufschaut, dass es gut weitergeht. Die große Kunst im Leben ist, sich ersetzbar zu machen. Und das sollte eigentlich das Ziel aller Entwicklungshilfe sein."
Täglich neue Herausforderungen
Wenn Ludwig von Bayern über das Gelände streift, trägt er einen bayerischen Trachtenhut aus Filz. Der schützt vor der Sonne, die hier oft unbarmherzig vom Himmel knallt. Und bringt ein bisschen Heimatgefühl nach Kenia. Der Prinz verbringt den Großteil des Jahres hier. Die Tage sind voll mit Arbeit. Entspannen kann er eher bei Besuchen in München: "Für mich ist Bayern eine Heimat. Und hier bin ich, um mit den Menschen zu arbeiten. Hier ist es für mich ein Einsatz."
... der jeden Tag neue Herausforderungen bringt. Heute ist eine ganze LKW-Fuhre mit Baumaterialien an der falschen Stelle auf dem großen Gelände abgeladen worden. Alles muss wieder zurück auf einen Laster und ein Stück weiter transportiert werden. So ein großes Projekt hier umzusetzen bedeutet, alles im Blick zu haben. Ludwig von Bayern hat die Vision, wie die Schule einmal aussehen und funktionieren soll.
Eine IT-Welt mit Urlaubsfeeling
Doch bis es soweit ist, sind viele kleine Hürden zu überwinden: Wo kommt der Strom her? Wie wird die Wasserversorgung gesichert? Was geschieht mit dem Müll?
"Die Infrastruktur zu schaffen, ist eine der großen Herausforderungen. Vor allem, wenn man nicht nur ein einzelnes Gebäude baut, auf dessen Dach man lediglich ein paar Solarzellen baut, sondern wo wir wirklich einen Platz bauen, an dem 500 Menschen mit ihren Familien leben und arbeiten sollen."
Zu einem funktionierenden Campus soll mehr gehören als Unterrichtsräume und Wohnhäuser. Nach der Arbeit am Computer muss Abwechslung geboten werden.
"Wir werden hier auch Freizeitmöglichkeiten anbieten. Alles von Basketball bis zu Tischtennis, Fitnesscenter. Natürlich schauen wir hier auf den wunderschönen Turkanasee und wir haben hier einen 60 Kilometer langen, Palmen besetzten Sandstrand. Ich bin ziemlich sicher, dass der auch gut genutzt werden wird."
Eine IT-Welt mit Urlaubsfeeling, in der Karrieren beginnen sollen. Steve Jobs und seine Freunde gründeten die Firma Apple in einer Garage. Wenn es nach Ludwig von Bayern geht, werden ähnliche Erfolgsgeschichten bald in der Halbwüste am Turkanasee geschrieben. Und möglichst auch von jungen Frauen. Für sie gibt es im Norden Kenias bisher kaum Chancen. Aber bei den Learning Lions in Lodwar, dem Vorläufer des Projekts am See, sind viele dabei, die in kurzer Zeit einiges erreicht haben.
Junge Frauen vernetzen sich
Um einen Tisch vor dem Hauptgebäude sitzen etwa ein Dutzend Studentinnen. Sie planen, eine Schulklasse zu besuchen. Um den Mädchen dort zu zeigen, dass es viele Möglichkeiten im Leben gibt, erzählt eine der jungen Frauen, Grace Anyango. Alle könnten ihre Träume verfolgen. Selbst wenn sie davon träumen, einen technischen Beruf zu ergreifen.
Die Learning Lions haben den jungen Frauen dieses Selbstbewusstsein gegeben. Die Studentinnen haben eine eigene Gruppe gegründet. Die "Tech Dadas", frei übersetzt: die Schwestern, die Ahnung von Technik haben.
"Bei Tech Dada unterstützen und ermutigen wir uns gegenseitig, dass wir im technischen Bereich etwas lernen können. Genauso ermutigen wir andere Frauen in der Turkana-Region. Viele glauben ja, dass nur Männer solche Berufe ergreifen sollten. Wir zeigen den Frauen, dass wir es geschafft haben und dass sie das genauso können."
Grace Anyango hat sich auf Grafikdesign spezialisiert. Irgendwann will sie sich selbständig machen. Das Logo für ihre eigene kleine Firma hat sie schon entworfen. Die Karriere steht vorläufig im Mittelpunkt ihres Lebens. Heiraten und Kinder bekommen will sie erst später. Ganz anders als viele andere junge Frauen und Mädchen in Kenia.
"Hier in Turkana kommt es oft vor, dass junge Mädchen gezwungen werden zu heiraten. Sie werden dann auch früh schwanger. Wir sagen ihnen: Du musst nicht heiraten und Kinder bekommen, bevor du dir selbst etwas im Leben aufgebaut hast."
3D-Animationen statt Körbeflechten
Die Tech Dadas unterstützen sich auch finanziell. Bei den Treffen zahlt jede von ihnen umgerechnet etwa 50 Cent in eine Kasse. Das Geld ist für besondere Situationen gedacht, erzählt Grace' Freundin Mercy Wamboi: "Wenn eine von uns ein Problem hat oder Unterstützung braucht, um ihre Geschäftsidee voranzubringen, helfen die anderen bei der Finanzierung. Das ist wie ein Darlehen. Später kann man das Geld dann mit ein paar Zinsen zurückzahlen."
Ans Körbeflechten – wie ihre Mütter – denkt von den Tech Dadas keine mehr. Mercy hofft auf ein Stipendium der australischen Universität, mit der die Learning Lions zusammenarbeiten. Aber das ist längst nicht alles: "Ich möchte einen Abschluss in 3D-Animationen machen. Außerdem möchte ich Freelancerin sein und mit meinem Laptop von Zuhause aus meine Geschäfte machen."
Chancen auch für Flüchtlinge
Diese Chancen bekommen im jüngsten Projekt auch junge Frauen und Männer aus einem Flüchtlingslager. Die Turkana-Region liegt nah an der Grenze zum Südsudan, der von einem langen Bürgerkrieg gebeutelt ist. Millionen von Menschen sind auf der Flucht und ein Teil von ihnen ist in einem Lager im Norden Kenias angekommen. Auch Menschen aus Uganda und Somalia leben hier. Jetzt gibt es an der IT-Schule eine Klasse, die fast ausschließlich aus Flüchtlingen besteht, erzählt Prinz Ludwig von Bayern.
"Das hat für uns eine gewisse Chance, wenn wir daran denken, dass wir in ein paar Jahren mal ähnliche Projekte in anderen Ländern verwirklichen wollen, dass wir dann schon Menschen aus diesen schwierigen Ländern haben, die dann eines Tages vielleicht mit dem Wissen, das sie hier in Kenia erworben haben, wieder in den Südsudan oder nach Uganda oder nach Somalia zurückkehren können, wo wir dann ganz ähnliche Gemeinschaften schaffen können wie hier in Kenia."
Vom Flüchtlingslager zur IT-Expertin
Gut 20 der neuen Schülerinnen und Schüler sitzen in einem großen Unterrichtsraum mit traditioneller Tafel an der Wand. Die Tische und Stühle aus Holz haben schon einige Kerben abbekommen. Aber die übrige Ausstattung ist hochmodern. Alle haben einen Laptop vor sich. Die Ausbildung läuft seit ein paar Wochen und seitdem haben sie viel gelernt, erzählt eine junge Frau mit Kopftuch, Hafsa Bashir.
"Ich hatte vorher keine Ahnung davon, wie man am Computer schreibt und wie man damit umgeht. Wenn ich manchmal Seiten im Internet gesehen habe, habe ich mich gefragt: Wie macht man nur sowas und bekommt die Bilder da rein? Aber seit ich hierher gekommen bin, habe ich schon gelernt, selbst eine Webseite und ein Logo zu kreieren."
Gerade verschiebt sie auf dem Bildschirm ein paar Fotos, die sie im Flüchtlingslager zeigen. Einen Text, mit dem sie sich selbst vorstellt, hat sie schon geschrieben.
"Mein Name ist Hafsa Bashir, ich bin Sudanesin und 20 Jahre alt. Ich lebe im Flüchtlingslager. Im Sudan herrscht Krieg und es gibt kaum Zugang zu Bildung. Auch darum bin ich hier – um mir mehr Wissen und Fähigkeiten anzueignen."
Das Konzept der Learning Lions ist, dass alle Studierenden möglichst schnell Internetseiten über sich, ihre Kenntnisse und bisherige Arbeitserfahrung erstellen sollen. Eine Werbung in eigener Sache, damit sie kleine Jobs ergattern. Es gibt aber auch eine schuleigene Arbeitsagentur, erzählt Derrick Nginya, der den Grundkurs leitet:
"Diese Agentur hält nach Jobs für unsere Studierenden Ausschau. Aber wir ermutigen auch, sich selbst auf dem Markt zu präsentieren. Wir haben Kurse, in denen die Studierenden lernen, aktiv auf mögliche Auftraggeber zuzugehen, statt einfach nur rumzusitzen und darauf zu warten, dass von allein Aufträge reinkommen."
Für Hafsa Bashir steht fest: Ihre Karriere will sie sich letztendlich nicht in Kenia, sondern im Heimatland Sudan aufbauen. Dort wartet noch Familie. "Wenn ich mit den Projekten, an denen ich arbeite, fertig bin und genug gelernt habe, gehe ich zurück. Meine Mutter lebt da jetzt ganz alleine und niemand kann sich um sie kümmern. Und außerdem will ich mein Wissen im IT-Bereich dann dort an andere weitergeben."
Modellprojekt für Afrika und digitale Nomaden
Damit würde der Plan von Prinz Ludwig von Bayern aufgehen: Das Wissen wird aus der Turkana-Region auch in andere Gebiete Ostafrikas getragen. Vielleicht sind die in Lodwar ausgebildeten Leute die Keimzelle für viele neue Projekte. Erst mal geht es aber darum, die Schule am Lake Turkana fertigzustellen.
Das Projekt mitten in der Halbwüste soll insgesamt etwa drei bis vier Millionen Euro kosten, mitfinanziert unter anderem von der Bayerischen Staatskanzlei, aber vor allem mit Geld aus einer Familienstiftung: "Wir sind eine private gemeinnützige Gesellschaft, die das Ganze hier aufgezogen hat und Spenden in Deutschland sammelt. Sehr viel kommt aus Privatspenden. Manchmal kriegen wir allerdings auch die großzügige Unterstützung von Unternehmen."
Ludwig von Bayern ist sicher, dass durch die Investitionen in der Region etwas verändert werden kann, "dass einfach ein kreatives Zentrum hier am Turkana-See entsteht, dass die Jugendlichen, die hier zur Schule gehen, eine echte Karriereperspektive haben. Und zwar eine selbst gemachte Karriere, nicht über Anstellung, sondern über den Weg in die Selbständigkeit. Gleichzeitig soll es auch ein Anlaufpunkt sein für digitale Nomaden, also Menschen auf der ganzen Welt, die um die Welt ziehen, von überall aus arbeiten können und denen wir hier Wohnungen, Zimmer und Schreibtische vermieten würden, so dass sie auch die Welt hierherbringen."
Vom Fischer zum Programmierer
Bisher ist das Leben am See sehr einfach. Die Menschen müssen mit dem zurechtkommen, was die karge Natur ihnen zugesteht. So wie der Fischer Henry Lokorio. Er fährt fast jeden Tag mit seinem Boot raus und hofft auf einen guten Fang: "Fischen ist wie das Melken einer Ziege. An einem Tag gibt sie einen Liter Milch, am nächsten vielleicht zwei. Genauso ist es auf dem See. Manchmal gehen wenig Fische ins Netz, manchmal ein paar mehr."
Wie viele Ältere in der Region kann Henry Lokorio kaum Lesen und Schreiben. Seine sechs Kinder hat er aber alle zur Schule geschickt. Auf den Neubau am See schaut er jetzt mit großem Interesse. Vielleicht können auch seine Söhne und Töchter hier etwas lernen: "Kinder sollten mit Computern umgehen können. Dann können sie es zu etwas bringen."
Auf solche Erfolge setzt Ludwig von Bayern. In ein paar Jahren sollen die Learning Lions vom Turkana-See in der IT-Branche ein Begriff sein. Und wenn es hier klappt, in einer Generation den Sprung vom Fischer zum Programmierer zu schaffen, steht Projekten in anderen Regionen nichts mehr im Weg:
"Sollte das Ganze als Modell gut funktionieren, als Modell, wer weiß: Vielleicht können wir es auch noch an anderen Stellen in Afrika verwirklichen, wo es genauso schwierig ist wie hier in Turkana."