Vielen DDR-Aufklärungsprojekten geht das Geld aus
Wegen des aktuellen Zinstiefs haben zahlreiche deutsche Stiftungen Probleme, denn sie finanzieren sich unter anderem von Zinseinnahmen. Dies betrifft auch die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur: Aufgrund der klammen Kassenlage kann sie nun viele Bildungsprojekte nicht mehr fördern.
9. Mai 1989. Im DDR-Fernsehen verkündet Wahlleiter Egon Krenz – grinsend - die gefälschten Ergebnisse der Kommunalwahl.
"Wir haben alle Gelegenheit gehabt, uns anhand der Protokolle davon zu überzeugen, dass die Kommunalwahlen im 40. Jahr der Deutschen Demokratischen Republik entsprechend der Verfassung unseres Landes und dem Wahlgesetz verlaufen ist."
25 Jahre später. Berlin-Mitte, beim Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen. Behörden-Vize Jens Schöne öffnet eine rote Umlaufmappe. Darin: das Konzept für eine Ausstellung über die 40-jährige Geschichte der DDR-Wahlmanipulationen. Die Schau sollte historische Filmsequenzen zeigen - wie von SED-"Bonze" Krenz - sowie Propaganda-Plakate. Eingeplant waren auch Fotos Ostberliner Oppositionsgruppen, die gegen Wahlbetrug protestieren. Gruppen, die lang angestauten Unmut artikulieren.
Jens Schöne: "Daraus ergibt sich dann jene Dynamik, die am Ende 1989 zum Mauerfall und später dann zur Wiedervereinigung führt."
Geschichtsforscher Schöne hatte mehr als ein Dutzend Ausstellungstafeln vorgesehen sowie moderne Touchscreen-Stationen, die Radio- und TV-Berichte abspielen.
"Es sollte eben nicht nur eine rein historische Ausstellung sein, die erzählt, wie war das früher - sondern eben auch die Botschaft transportieren: Schaut mal, die Wahlen sind wichtig, und es wäre auch heute wichtig, dass mehr Leute zur Wahl gehen. Also durchaus eine Ausstellung, die den Anspruch hatte zu zeigen, wie wichtig es ist, dass man sich an einer Demokratie auch beteiligt und nicht nur passiv sich verhält."
Erhebliche Einbußen wegen konservativer Anlageformen
Für Honorare, Gestaltung, Technik und Filmrechte hatte die Berliner Behörde 70.000 Euro veranschlagt – davon sollten 45.000 Euro von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur kommen. Doch die Förderung fiel ins Wasser - trotz fachlicher Zustimmung.
"Haben wir dann letztendlich einen negativen Bescheid bekommen, in dem es hieß, wir können leider das Projekt nicht unterstützen – damit war's gestorben."
Schuld am Projektsterben ist der Niedrigzinssatz. So klagt die Bundesstiftung Aufarbeitung, die in diesem Jahr fast 150 Bildungsprojekte finanziert, über erhebliche Einbußen. Aufsichtsratschef Markus Meckel erklärt, dass das Stiftungskapital konservativ angelegt sei – etwa in Bundesschatzbriefen - und nun nicht mehr genug Zinsen abwerfe.
Markus Meckel: "Während wir sonst Zinseinnahmen hatten in früheren Jahren von ca. zweieinhalb Millionen, so ist das auf 1,5 Millionen zurück gegangen."
Der Hintergrund: Die vom Bundestag gegründete Stiftung war einst mit 75 Millionen Euro ausgestattet worden – Mittel, die aus heimlich versteckten – dann aber wieder aufgestöberten SED-Geldern bestanden.
"Der Grundgedanke war, dass es natürlich auch einen besonderen Reiz hat, wenn man sagt: Okay, die SED zahlt selbst gewissermaßen auch einen Teil der Kosten für die Aufarbeitung – weshalb man diese Mittel dann direkt als Stiftungsmittel genutzt hat."
Bislang wurde der Jahresetat der Stiftung – bis zu fünfeinhalb Millionen Euro – knapp zur Hälfte aus Zinsen und zur anderen Hälfte aus Bundeszuschüssen finanziert. Wegen des Zinslochs in Höhe von einer Million Euro bekam die Bildungseinrichtung in diesem Jahr zusätzliche 500.000 Euro vom Bund. Bleibt ein Kassenminus in gleicher Höhe – eine halbe Million Euro - sodass etliche regionale und überregionale Geschichtsprojekte nicht gefördert werden können. Ob und wie das Minus im nächsten Jahr ausgeglichen wird, ist noch offen.
Der Bund soll einspringen
"In diesem Jahr haben wir eine Ausstellung '100 Jahre Erster Weltkrieg' bis hin zu '25 Jahre Fall der Mauer' und 'Zehn Jahre Mitgliedschaft in der EU', wo gewissermaßen das Jahrhundert vermessen wird. Diese Ausstellung ist inzwischen in mehr als acht Sprachen übersetzt, sie ist mehr als 2000 Mal in Deutschland gezeigt worden. Und es wäre ausgesprochen bedauerlich, wenn so etwas gefährdet wäre."
Die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur wirbt derzeit im Bundestag für eine zweite Finanzspritze. Zudem möchte sie eine Garantie, dass künftig sämtliche Zinseinbußen vom Bund übernommen werden. Stiftungs-Chef Markus Meckel will gar nicht erst anfangen, mit dem Kapitalstock zu spekulieren. Zwar könnte er auf diese Weise höhere Gewinne machen – aber auch noch mehr verlieren.
"Das wäre nicht vernünftig. Und da wir vernünftig handeln, ist das nicht unsere Perspektive."