Bildung

Wissenschaft im Riesenrad

Ansicht des Riesenrads im Freizeitpark Liseberg im schwedischen Göteborg, aufgenommen 15.6.2013
Der Freizeitpark Liseberg im schwedischen Göteborg © picture-alliance / dpa / Rober B. Fishman / ecomedia
Von Christine Westerhaus |
Beim Wissenschaftsfestival im schwedischen Göteborg können sich Bürger und Experten begegnen - und zwar im Riesenrad. In jeder Gondel sitzt ein anderer Forscher und lässt sich von den Besuchern ausfragen.
Der Vergnügungspark Liseberg liegt mitten in der Göteborger Innenstadt. Das Riesenrad steht auf einer Anhöhe, bei klarem Wetter kann man von hier aus über die ganze Stadt schauen. Heute ist der Himmel aber bedeckt, immer wieder gehen kurze Regenschauer über die Besucher in der Warteschlange nieder. Patric Wallin steht in seiner roten Gore-Tex Jacke ein wenig abseits. Der aus Deutschland stammende Physiker ist einer der Forscher, die den Besuchern heute erklären sollen, woran sie arbeiten. Auf wen er in seiner Riesenrad-Gondel treffen wird, weiß er nicht.
Die Wartenden werden nach dem Zufallsprinzip zu den Forschern gesetzt. Auch für eine junge Mutter mit ihrer vierjährigen Tochter bleibt es aufregend.
Besucherin: "Wir hoffen, hier was Neues zu lernen. Das wird sicher total spannend, wir wissen überhaupt nicht, worum es gleich gehen wird."
Patric Wallin wird in einer der insgesamt 42 Riesenrad-Gondeln mit vier Mädchen zusammengesetzt. Sie sind um die 18 Jahre alt. Alle stellen sich kurz vor, dann setzt sich die Gondel in Bewegung. Der Forscher will wissen, wie viel seine Zuhörerinnen schon über Biologie wissen: Ein bisschen kennen sie sich aus, alle vier hatten Bio im Leistungskurs auf dem Gymnasium.
Komplizierte Materie
Mit Bildern vom iPad und einer kleinen Versuchsapparatur mit bunten Pipetten und einer kleinen Spritze erklärt Wallin auf schwedisch, woran er forscht: Stammzellen und wie man sie dazu bringt, in eine bestimmte Richtung zu wachsen. Die Materie ist kompliziert, es fallen Begriffe wie Axon und ADHS.
Immer wieder holt Wallin seine Zuhörer aber mit Beispielen aus dem Alltag ab:
"In meiner Forschung geht es auch ein bisschen um die Frage, warum wir zwei Hände und fünf Finger haben."
Die Gondel ist inzwischen fast ganz oben angekommen. Zwei der Mädchen hören weiterhin interessiert zu, die anderen beiden schauen etwas ängstlich hinunter auf den wolkenverhangenen Vergnügungspark, in dem die Menschen aus dieser Höhe kaum noch erkennbar sind. Mit einem kleinen Ruck setzt die Gondel ihre Fahrt fort. Die Mädchen halten sich erschreckt an der Stange fest.
Wallin erzählt nun, woran er noch forscht: künstliches Fleisch aus Stammzellen und gezüchtete Ersatzorgane. Das interessiert die Mädchen offenbar besonders. Sie wollen wissen, ob es schon richtige Steaks aus künstlichem Fleisch gibt und ob es möglich ist, Organe mit eigenen Blutgefäßen zu züchten.
Dann geht es um die Frage, wer sich vorstellen könnte, gezüchtetes Fleisch zu essen. Zwei von ihnen sofort einig:
"Ja!"
Die anderen beiden sind unsicher:
"Vielleicht", meint eine von ihnen.
Kurzseminar in luftiger Höhe
Nach 20 Minuten und drei Umrundungen mit dem Riesenrad ist das Kurzseminar in luftiger Höhe vorbei. Die Mädchen steigen aus der Gondel und wünschen Patric viel Glück für seine Forschung.
"Das war total interessant aber es war gut, dass wir schon einiges aus der Schule wussten, sonst hätten wir wohl nicht viel verstanden."
"Es war auch toll jemanden zu treffen, der in Echt an so was forscht, also quasi auf richtig."
In der nächsten Gondel sitzt ein Professor für physikalische Chemie und erklärt einem peruanischen IT-Studenten, wie Sterne entstehen. Auf halber Höhe hört eine Gruppe Jugendlicher dicht gedrängt einen Vortrag über Hirnforschung, ganz oben im Riesenrad beantwortet ein Sprachwissenschaftler zwei Besuchern aus Russland Fragen.
Die Veranstalter hoffen, durch die zufälligen Begegnungen Besucher auch für andere Themen zu begeistern, als sie sowieso schon interessieren. Manchmal läuft es aber auch andersherum erzählt Anders Johnson von der Göteborg Universität, der heute seinen Zuhörern erklärt hat, was man über kalte Gebiete in der Arktis über das Leben auf dem Mars lernen kann. Heute hat er einen seiner Besucher ausgequetscht.
"Ich hatte bei der ersten Fahrt Gelegenheit, auf einen Kapitän zu treffen. Wir haben dann fast die ganze Zeit nur über Seefahrt gesprochen, weil ich das so interessant fand."
Mehr zum Thema