Bildungsexperte verteidigt duale Berufsausbildung
Nach Ansicht von Reinhold Weiß vom Bundesinstitut für Berufsbildung hat sich das System der dualen Berufsausbildung in Deutschland bewährt. Zugleich widersprach Weiß der Einschätzung, dass es bei immer mehr Jugendlichen an Ausbildungsreife mangele. Hierfür gebe es keine wissenschaftlich fundierten Belege.
Gabi Wuttke: Heute geht es in unserem Themenschwerpunkt Schule um Berufsschulen, um die Qualitäten, aber auch um die Reformbedürftigkeit der beruflichen Schulen im dualen System. Seit fast 40 Jahren gibt es das Bundesinstitut für Berufsbildung. Es untersteht dem Ministerium für Bildung und Forschung. Und sein stellvertretender Präsident ist Professor Reinhold Weiß, der auch die Forschungsabteilung des Instituts leitet. Einen guten Morgen!
Reinhold Weiß: Schönen guten Morgen Frau Wuttke!
Wuttke: Forschen heißt ja immer auch nach vorne schauen. Wo liegen also die Stärken des dualen Systems in der gekoppelten praktischen und theoretischen Ausbildung in Deutschland?
Weiß: Sie haben es mit der gekoppelten Ausbildung ja schon auf den Punkt gebracht. Wichtig ist, dass hier eine sehr praxisbezogene Qualifizierung der jungen Menschen erfolgt und damit sich vor allem gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt eröffnen – im Anschluss an die Ausbildung, aber natürlich auch im weiteren Berufsleben. Viele andere Länder, die eine vollschulische Berufsausbildung haben oder keine ausgeprägte Berufsausbildung, die beneiden uns um dieses System.
Wuttke: Nun wurde in den letzten Jahren aber immer wieder laut darüber geklagt, dass Ausbildungsplätze frei bleiben, weil die Jugendlichen oft weder ordentlich schreiben noch rechnen können. Das heißt, wie steht es um die Ausbildungsreife, um dann an diesem dualen System überhaupt partizipieren zu können? Ist die Ausbildungsreife heute wirklich so viel schlechter als früher?
Weiß: Das ist so eine Frage, wo sich die Geister scheiden. Uns fehlen eigentlich wirklich lange Zeitreihen, um belegen zu können, dass es mit der Ausbildungsreife schlechter geworden ist. Die Meinungen, die wir aus den Betrieben erfahren und die immer wieder auch kolportiert werden, die gehen allerdings dahin, dass die Ausbildungsreife der jungen Leute tendenziell schlechter geworden sei, wenngleich man dort sehr differenzieren muss. Es gibt auch durchaus Qualifikationen, die bei den jungen Leuten besser geworden sind.
Wuttke: Zum Beispiel?
Weiß: Es wird immer wieder auch hervorgehoben, dass junge Menschen heute besser mit dem Computer, mit IT umgehen können, dass sie einfach selbstsicherer sind, dass sie kommunikationsfähiger sind, dass sie auch bessere Fremdsprachenkenntnisse haben. Das muss man durchaus auch dagegensetzen. Es ist aber richtig: Wir haben einen leider Gottes zu großen Teil von Schulabgängern, von Schulabsolventen, die Probleme haben, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, weil sie nicht den Anforderungen genügen, die die Betriebe an eine Ausbildung stellen.
Wuttke: Sie haben gesagt, was aus den Betrieben gemeldet wird. Was sagen denn die Berufsschullehrer, denn sie müssen ja auf etwas aufbauen, was nicht als wirklich ordentliches Fundament bezeichnet werden kann?
Weiß: Die Berufsschulen und Berufsschullehrer klagen eigentlich über ähnliche Phänomene, wobei die Berufsschulen in der Situation sind, dass sie ja die Jugendlichen aufnehmen müssen, die die Betriebe ablehnen, wo die Betriebe sagen, den Jugendlichen können und wollen wir keinen Ausbildungsplatz geben. Die landen dann natürlich in berufsvorbereitenden Maßnahmen der Arbeitsverwaltung, aber auch in entsprechenden schulischen Angeboten. Hier versuchen die Schulen mit sehr viel Aufwand, nicht immer mit ausreichendem Erfolg diese Jugendlichen zur Ausbildungsreife zu führen.
Wuttke: Herr Weiß, sprechen wir doch mal über die Reformbedürftigkeit, die das duale System ja auch hat – zum Beispiel bei der Frage, inwiefern Arbeitgeber die Altbewerber im Regen stehen lassen, die Frage also inwiefern müssen Unternehmen die Zähne zusammenbeißen und eben mit dafür sorgen, dass es hier zu vernünftigen Ausbildungen mit einem ordentlichen Abschluss kommen kann.
Weiß: Ja. Es gibt natürlich einerseits den betrieblichen Bedarf. Betriebe stellen Jugendliche in dem Maße ein, wie sie Fachkräftebedarf haben. Da gibt es einen sehr engen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsmarkt und dem Ausbildungsmarkt. Aber darüber hinaus gibt es eine gesellschaftliche Verantwortung der Arbeitgeber, der Unternehmen schlechthin und viele Unternehmen bilden ja auch über ihren Bedarf hinaus aus. Nur hat das in den letzten Jahren leider Gottes nicht gereicht, so dass sich ein hoher Berg von Altbewerbern angesammelt hat, die in das duale System einmünden wollten, sich beworben haben, aber keinen Ausbildungsplatz bekommen haben und dann notgedrungen im System der beruflichen Schulen gelandet sind. Wir sprechen dann auch von dem sogenannten Übergangssystem, wobei ich denke, das wird den beruflichen Schulen nicht gerecht. Das ist ein eher abwertender Begriff. Die Berufsschulen leisten da viel und müssen hier in die Bresche springen für ein gesellschaftliches Problem.
Wuttke: Das heißt, wofür plädieren Sie?
Weiß: Natürlich dafür, dass mehr Ausbildungsplätze geschaffen werden. Und dazu gibt es ja auch entsprechende Initiativen der Bundesregierung – beispielsweise den Ausbildungsbonus, der eingeführt werden soll. Es gibt Programme des Bildungsministeriums, das Programm "Job Starter", wo regionale Infrastrukturen aufgebaut werden, die es Betrieben erleichtern, Ausbildungsplätze anzubieten. Aber natürlich gehören dazu auch strukturelle Reformen. Also die Entwicklung neuer Ausbildungsberufe gerade im Dienstleistungsbereich muss weitergehen. Und wir müssen auch etwas tun, dass die Leistungen, die die beruflichen Schulen erbringen, besser im Rahmen der beruflichen Ausbildung, der betrieblichen Ausbildung nachher anerkannt und angerechnet werden können.
Wuttke: Die Zahl der Berufsfachschulen ist in den letzten 20 Jahren, habe ich Ihrer Statistik entnommen, um fast das Vierfache gestiegen. Was sagen denn diese Zahlen für Sie aus mit Blick auf das duale System?
Weiß: Man muss sehr genau hingucken: Wie sind die Begründungen, wie ist die Motivation der Jugendlichen, die in diese Schulen einmünden. Der wichtigste Grund ist sicherlich der Mangel an Ausbildungsplätzen, so dass die Eltern, die Lehrer, die Berufsberater den Jugendlichen geraten haben, dann geh lieber noch länger auf eine Schule, eine berufliche Schule. Dort kannst du deine Qualifikation verbessern. Und das ist in vielen Fällen auch durchaus so, wenn man gerade an die Berufsfachschulen denkt, also Handelsschulen beispielsweise, höhere Handelsschulen, wo man ja beispielsweise auch den Zugang zur Fachhochschule miterwerben kann. Hinzu kommt aber auch, dass viele Jugendliche sich in ihren Berufswünschen in dem Alter, in dem sie die Schulen verlassen, noch gar nicht sicher sind. Dann gehen sie zunächst mal zu einer beruflichen Schule, um in einem bestimmten Berufsfeld (zum Beispiel im gewerblich-technischen Bereich, im kaufmännischen Bereich) hineinzuriechen, einen zusätzlichen Abschluss zu erwerben, um dann auf dieser Basis vielleicht auch sicherer den Berufsweg planen zu können.
Wuttke: Vielen Dank! – Professor Reinhold Weiß vom Bundesinstitut für Berufsbildung in Bonn. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag. Vielen Dank für dieses Gespräch!
Weiß: Herzlichen Dank auch.
Reinhold Weiß: Schönen guten Morgen Frau Wuttke!
Wuttke: Forschen heißt ja immer auch nach vorne schauen. Wo liegen also die Stärken des dualen Systems in der gekoppelten praktischen und theoretischen Ausbildung in Deutschland?
Weiß: Sie haben es mit der gekoppelten Ausbildung ja schon auf den Punkt gebracht. Wichtig ist, dass hier eine sehr praxisbezogene Qualifizierung der jungen Menschen erfolgt und damit sich vor allem gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt eröffnen – im Anschluss an die Ausbildung, aber natürlich auch im weiteren Berufsleben. Viele andere Länder, die eine vollschulische Berufsausbildung haben oder keine ausgeprägte Berufsausbildung, die beneiden uns um dieses System.
Wuttke: Nun wurde in den letzten Jahren aber immer wieder laut darüber geklagt, dass Ausbildungsplätze frei bleiben, weil die Jugendlichen oft weder ordentlich schreiben noch rechnen können. Das heißt, wie steht es um die Ausbildungsreife, um dann an diesem dualen System überhaupt partizipieren zu können? Ist die Ausbildungsreife heute wirklich so viel schlechter als früher?
Weiß: Das ist so eine Frage, wo sich die Geister scheiden. Uns fehlen eigentlich wirklich lange Zeitreihen, um belegen zu können, dass es mit der Ausbildungsreife schlechter geworden ist. Die Meinungen, die wir aus den Betrieben erfahren und die immer wieder auch kolportiert werden, die gehen allerdings dahin, dass die Ausbildungsreife der jungen Leute tendenziell schlechter geworden sei, wenngleich man dort sehr differenzieren muss. Es gibt auch durchaus Qualifikationen, die bei den jungen Leuten besser geworden sind.
Wuttke: Zum Beispiel?
Weiß: Es wird immer wieder auch hervorgehoben, dass junge Menschen heute besser mit dem Computer, mit IT umgehen können, dass sie einfach selbstsicherer sind, dass sie kommunikationsfähiger sind, dass sie auch bessere Fremdsprachenkenntnisse haben. Das muss man durchaus auch dagegensetzen. Es ist aber richtig: Wir haben einen leider Gottes zu großen Teil von Schulabgängern, von Schulabsolventen, die Probleme haben, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, weil sie nicht den Anforderungen genügen, die die Betriebe an eine Ausbildung stellen.
Wuttke: Sie haben gesagt, was aus den Betrieben gemeldet wird. Was sagen denn die Berufsschullehrer, denn sie müssen ja auf etwas aufbauen, was nicht als wirklich ordentliches Fundament bezeichnet werden kann?
Weiß: Die Berufsschulen und Berufsschullehrer klagen eigentlich über ähnliche Phänomene, wobei die Berufsschulen in der Situation sind, dass sie ja die Jugendlichen aufnehmen müssen, die die Betriebe ablehnen, wo die Betriebe sagen, den Jugendlichen können und wollen wir keinen Ausbildungsplatz geben. Die landen dann natürlich in berufsvorbereitenden Maßnahmen der Arbeitsverwaltung, aber auch in entsprechenden schulischen Angeboten. Hier versuchen die Schulen mit sehr viel Aufwand, nicht immer mit ausreichendem Erfolg diese Jugendlichen zur Ausbildungsreife zu führen.
Wuttke: Herr Weiß, sprechen wir doch mal über die Reformbedürftigkeit, die das duale System ja auch hat – zum Beispiel bei der Frage, inwiefern Arbeitgeber die Altbewerber im Regen stehen lassen, die Frage also inwiefern müssen Unternehmen die Zähne zusammenbeißen und eben mit dafür sorgen, dass es hier zu vernünftigen Ausbildungen mit einem ordentlichen Abschluss kommen kann.
Weiß: Ja. Es gibt natürlich einerseits den betrieblichen Bedarf. Betriebe stellen Jugendliche in dem Maße ein, wie sie Fachkräftebedarf haben. Da gibt es einen sehr engen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsmarkt und dem Ausbildungsmarkt. Aber darüber hinaus gibt es eine gesellschaftliche Verantwortung der Arbeitgeber, der Unternehmen schlechthin und viele Unternehmen bilden ja auch über ihren Bedarf hinaus aus. Nur hat das in den letzten Jahren leider Gottes nicht gereicht, so dass sich ein hoher Berg von Altbewerbern angesammelt hat, die in das duale System einmünden wollten, sich beworben haben, aber keinen Ausbildungsplatz bekommen haben und dann notgedrungen im System der beruflichen Schulen gelandet sind. Wir sprechen dann auch von dem sogenannten Übergangssystem, wobei ich denke, das wird den beruflichen Schulen nicht gerecht. Das ist ein eher abwertender Begriff. Die Berufsschulen leisten da viel und müssen hier in die Bresche springen für ein gesellschaftliches Problem.
Wuttke: Das heißt, wofür plädieren Sie?
Weiß: Natürlich dafür, dass mehr Ausbildungsplätze geschaffen werden. Und dazu gibt es ja auch entsprechende Initiativen der Bundesregierung – beispielsweise den Ausbildungsbonus, der eingeführt werden soll. Es gibt Programme des Bildungsministeriums, das Programm "Job Starter", wo regionale Infrastrukturen aufgebaut werden, die es Betrieben erleichtern, Ausbildungsplätze anzubieten. Aber natürlich gehören dazu auch strukturelle Reformen. Also die Entwicklung neuer Ausbildungsberufe gerade im Dienstleistungsbereich muss weitergehen. Und wir müssen auch etwas tun, dass die Leistungen, die die beruflichen Schulen erbringen, besser im Rahmen der beruflichen Ausbildung, der betrieblichen Ausbildung nachher anerkannt und angerechnet werden können.
Wuttke: Die Zahl der Berufsfachschulen ist in den letzten 20 Jahren, habe ich Ihrer Statistik entnommen, um fast das Vierfache gestiegen. Was sagen denn diese Zahlen für Sie aus mit Blick auf das duale System?
Weiß: Man muss sehr genau hingucken: Wie sind die Begründungen, wie ist die Motivation der Jugendlichen, die in diese Schulen einmünden. Der wichtigste Grund ist sicherlich der Mangel an Ausbildungsplätzen, so dass die Eltern, die Lehrer, die Berufsberater den Jugendlichen geraten haben, dann geh lieber noch länger auf eine Schule, eine berufliche Schule. Dort kannst du deine Qualifikation verbessern. Und das ist in vielen Fällen auch durchaus so, wenn man gerade an die Berufsfachschulen denkt, also Handelsschulen beispielsweise, höhere Handelsschulen, wo man ja beispielsweise auch den Zugang zur Fachhochschule miterwerben kann. Hinzu kommt aber auch, dass viele Jugendliche sich in ihren Berufswünschen in dem Alter, in dem sie die Schulen verlassen, noch gar nicht sicher sind. Dann gehen sie zunächst mal zu einer beruflichen Schule, um in einem bestimmten Berufsfeld (zum Beispiel im gewerblich-technischen Bereich, im kaufmännischen Bereich) hineinzuriechen, einen zusätzlichen Abschluss zu erwerben, um dann auf dieser Basis vielleicht auch sicherer den Berufsweg planen zu können.
Wuttke: Vielen Dank! – Professor Reinhold Weiß vom Bundesinstitut für Berufsbildung in Bonn. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag. Vielen Dank für dieses Gespräch!
Weiß: Herzlichen Dank auch.