"Ich möchte mich über mein Leben nicht beschweren, auch wenn ich es halt finanziell nicht so weit gebracht habe, ich habe eigentlich das gemacht, was ich wollte, ich habe Musik gemacht. So. Und das mache ich auch heute noch. Meine Träume habe ich mir erfüllt, ich bin eigentlich noch relativ gut in Form: Wenn ich bedenke, dass aus meiner Vier-Mann-WG von drei Mitschülern und einem Lehrer ich der letzte Überlebende bin."
Was ist aus uns geworden?
„Meine Träume habe ich mir erfüllt“
Der Kunstlehrer von damals
"Ich erinnere mich an dieses Projekt sehr, sehr gerne. Es hat nicht lange gehalten: Die Stundentafel ist dann nach und nach doch wieder so verändert worden, dass es dann wieder Hauptfächer und Nebenfächer gab. Was der Projektgedanke natürlich auch beinhaltete, war: Auf jeden Fall nicht nur den Kopf und den Mund und den Stift zu bewegen, sondern unbedingt auch Werkzeug in die Hand zu nehmen. So haben wir 1974 das Bauleitungsbüro unserer Schule bekommen, auf einen Lkw getan und nach Bissendorf-Witze auf ein Grundstück gebracht und wir haben es in völliger Naivität des Baurechts als Schwarzbau errichtet.“
Ohne Familie – aus Überzeugung
"2007, da bin ich nach sieben Jahren Ausland nach Deutschland zurückgekommen und hatte so merkwürdige Erlebnisse: Ich kam in die Post rein und dann wurde mir dort Strom angeboten. Ich habe gesagt: Ich will hier Briefmarken kaufen, warum bieten Sie mir Strom an? Ja, weil wir das jetzt alles haben. Warum sage ich das?
Dieser Ausverkauf des Tafelsilbers der bundeseigenen Unternehmen, die Deutsche Bahn, die Post, das hat uns auch in so eine liberale Wirtschaftspolitik hineingebracht, die unser Land nach wie vor sehr prägt. Das führt dazu, dass gerade die ärmeren Bevölkerungsschichten immer weniger im Fokus stehen, die rutschen immer mehr an den Rand, und das beunruhigt mich sehr."
Ein Weltverbesserer
"Naja, naiverweise dachte ich, es gibt eine Tendenz der Gesellschaft zum Besseren. Wenn bei uns, ich weiß nicht, nach wie vielen Jahrzehnten, die SPD an die Regierung kam, und in Portugal nicht zu vergessen, die Nelkenrevolution, mit Grandola Vila Morena: Das waren ja durchaus romantische Revolutionsvisionen. Ich dachte, dann geht das so weiter. Im Prinzip hatte ich das Gefühl, die Welt verändert sich zum Besseren und dann möchte ich da mitmachen."
In der „seelischen Heimat“ angekommen
"Ja, wir sehen 25 Kilometer bis Innsbruck und dann noch mal 25 Kilometer weiter hinten auf die Stubaier Gletscher. Ich bin hierhergezogen, weil das meine seelische Heimat ist. In einer gewissen Weise kann ich mich hier selbst verwirklichen. Der Begriff ist vielleicht ein bisschen abgedroschen, aber das Problem von Entfremdung und Selbstverwirklichung ist eines, was mich beschäftigt. Ich bin Kunstlehrer geworden, Performance-Künstler geblieben: das Leben als Kunstwerk, immer wieder als Gelegenheit, die Verbindung zu suchen, kreatives, ästhetisches Gestalten des Alltags zu praktizieren."
Ex-Revolutionär ohne Illusionen
"Was bleibt da über? Von dem politischen Anspruch bei mir nicht viel. Also der Glaube, dass es so einfache und klare Lösungen gibt – Sozialismus, juchhei! – der ist bei mir zumindest völlig weg.“
Ton: Hermann Leppich
Regie: Giuseppe Maio
Redaktion: Martin Hartwig