Bill Hansson: „Die Nase vorn"

Düfte bleiben in Erinnerung

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Das Buchcover von Bill Hanssons "Die Nase vorn" zeigt vier Tiere.
Bill Hanssons "Die Nase vorn" ist dank seiner lebendigen Sprache auch für wissenschaftliche Laien gut lesbar. © Deutschlandradio/ S. Fischer Verlag
Von Michael Lange |
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Der oft unterschätzte Geruchssinn prägt unser Leben stärker, als die meisten Menschen vermuten. Gerüche wirken meist unbewusst und bleiben lange in unserem Gedächtnis, auch wenn optische oder akustische Erinnerungen längst verblasst sind.
Der Max-Planck-Wissenschaftler Bill Hansson hat sein ganzes Forscherleben dem Geruchssinn gewidmet. Anschaulich und mit vielen Beispielen erklärt er, wie das Riechen funktioniert, und wie Gerüche unser Verhalten prägen. Seine Begeisterung für alles Riechbare ist ansteckend und öffnet die Augen und Nase für vieles, was im Alltag verborgen bleibt.
Wir tarnen sogar unser eigenes Geruchsprofil, und überdecken es mit Parfüms und Geruchsstoffen aller Art.

Düfte wirken direkt auf uns

Dabei wirken sich viele natürliche Gerüche direkt auf unser Verhalten aus. So wirkt der Geruch von Babys nachweislich beruhigend, besonders auf Männer.
Die Wirkung von Sexuallockstoffen auf Menschen haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vielfach untersucht, mit unterschiedlichen, teils widersprüchlichen Ergebnissen. Immer wieder beschreibt Hansson, was Forschende alles nicht wissen.

Ozon oder Stickoxide verändern die Welt

Unsere Umwelt hat sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch verändert. Bestimmte Gase wie Ozon oder Stickoxide verändern die Welt der Gerüche.
Steigende Temperaturen und CO2-Konzentrationen stören außerdem den Geruchssinn von Mensch und Tier. Viele Insekten nehmen feinste Gerüche nur innerhalb eines bestimmten Temperaturspektrums wahr. Wird es wärmer, so finden Weibchen und Männchen nicht mehr so zu zueinander. Und auch das Aufspüren von Futterpflanzen fällt schwer, wenn sich die Umwelt ändert. Die Bedeutung des Geruchssinns für das weltweite Artensterben wurde bislang kaum untersucht.
Auch der Duft des Ozeans hat sich in besorgniserregender Weise gewandelt. So orientieren sich viele Seevögel und Meeressäuger an einem flüchtigen Stoff namens DMS (Dimethylsulfid). Sie nehmen ihn in geringsten Konzentrationen wahr und erkennen daran, wo sich besonders viel Plankton befindet.

Warum Tiere Kunststoffe essen

Heute jedoch wird diese Substanz nicht nur von Meeresplankton abgegeben, sondern auch von Kunststoffen, die in immer größeren Mengen über die Meere treiben. Statt nahrhaftem Plankton gelangt so immer mehr Plastik in den Magen der angelockten Tiere.
Bill Hansson beklagt, dass zunehmend ein "chemisches Grundrauschen" die Welt der Gerüche zerstört. Synthetische Duftstoffe ersetzen natürliche Gerüche. Viele Produkte von der Pizza über den Ketchup bis zum Auto werden heute mit künstlichen Gerüchen versetzt. So wird ein Gebrauchtwagen durch Duftstoffe zum Neuwagen, weil er den typischen Neuwagengeruch verströmt.
Das Buch von Bill Hansson kommt mit wenigen Fachbegriffen aus. Der Wissenschaftler taucht nicht tiefer ein in die Welt der Moleküle und Neuronen als notwendig. Durch seine lebendige Sprache ist ihm ein gut lesbares Buch gelungen, das eine Welt erklärt, die wir meist nicht bewusst wahrnehmen, obwohl sie uns so nah ist.

Bill Hansson: "Die Nase vorn. Eine Reise in die Welt des Geruchsinns"
S. Fischer Verlag, Frankfurt/ Main 2021
400 Seiten, 24 Euro

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