Info: Die Ausstellung "Bill Viola/Michelangelo: Life, Death, Rebirth" ist bis zum 31.3.2019 in der Londoner Royal Academy of Arts zu sehen.
Leben, Sterben und Transzendenz
Mit Bill Viola zeigt die Londoner Royal Academy erstmals einen wichtigen Vertreter der Videokunst. Ihm gegenüber gestellt sind Zeichnungen Michelangelos, denn beide verbinde eine "metaphysische Wahlverwandtschaft", so Viola. Davon bleibt aber nur viel Theatralik.
Videokunst war schon immer das Stiefkind der Royal Academy, ein Ausstellungsschwerpunkt war sie nie. Nun aber lernen auch hier die Bilder laufen: der Kameramagier Bill Viola unter einem Dach mit Michelangelo! Was war der Anlass zum Kurswechsel im Haus in Piccadilly? "Der pure Zufall", sagt Academy-Kurator Andrea Tarsia.
Viola und Michelangelo
"Vor Jahren besuchte Viola die Kunstsammlung der Queen in Windsor Castle. Er interessierte sich für die Zeichnungen Leonardo da Vincis. Martin Clayton von der Royal Collection legte ihm bei der Gelegenheit auch Zeichnungen und Skizzen von Michelangelo vor, die sogenannten 'Presentation Drawings'."
In Windsor, heißt es, fühlte sich Viola, der "Künstler der bewegten Malerei", bestätigt in dem, was er schon lange gespürt hatte: die metaphysische "Wahlverwandtschaft" mit dem Großmeister der Renaissance.
Die conditio humana, die Vergänglichkeit des Lebens, die Suche nach dem Sinn des großen Ganzen: Michelangelos zentrale Themen überschnitten sich mit denen Violas.
Die mystische Kraft von Bildern
"Eines verbindet die beiden auf jeden Fall: der Glaube an die fast mystische Aussagekraft von Bildern. In Bildern steckt ein transformatives Potenzial, das wir aus unserem Inneren schöpfen."
Royal Collection-Kurator Martin Clayton hat die Schau in der Academy mitorganisiert. Er sagt:
"Das Verständnis der menschlichen Seele, ihr Stellenwert im Blick auf alles Physisch-Materielle, ihre Unvergänglichkeit: mit alledem befassten sich viele Renaissancekünstler, für Michelangelo aber waren diese Aspekte von zentralem Interesse. Das belegen seine hier aushängenden 14 fantastischen Zeichnungen."
Leben, Tod, Wiedergeburt
Die Ausstellung entführt den Besucher in ein Areal aus lauter Dunkelkammern. Einziger Lichtspender gleich am Eingang sind drei Leuchtvokabeln auf schwarzem Tapet: LIFE – DEATH - REBIRTH. Leben, Tod, Wiedergeburt.
Angelegt, oder sagen wir besser "inszeniert", ist das Ganze als ein Rundgang durch und Eintauchen in den Zyklus des Lebens.
Eintauchen lässt man uns auch in die Klangwelt Violas. Der Atmo-Sound seiner 12 Installationen durchflutet alle Räume der Schau. Das hilft zwar beim Vorwärtstasten durchs düstere Labyrinth der Korridore, aber bei so viel permanenter "Untermalerei" strebt mancher sicher schnell zum nächsten Ausgang.
Lieblingselement Wasser
A propos Tauchen und Fluten: Wasser ist Violas Lieblingselement. Kein Wunder, dass es hier überall präsent ist, als Medium und Motiv: meist im Großformat und in Zeitlupe, etwa in "The Messenger" und "The Dreamers" oder im "Nantes-Triptychon", einer Arbeit aus dem Jahr 1992.
Das Triptychon ist Violas Pendant zum traditionellen Altarbild. Drei Videos zeigen, nebeneinander und in der Endlosschleife, links eine stöhnende Frau beim Gebären, eine im Halbdunkel schwebende männliche Figur und rechts die alte Mutter des Künstlers auf ihrem Sterbebett.
Michelangelo hat mehr zu bieten
Michelangelo indes kommt auf leiseren Sohlen daher - in seinen Zeichnungen und als Bildhauer - und hat dabei in jeder Hinsicht so viel mehr zu bieten: handwerklich-künstlerisch ohnehin, vor allem aber intellektuell und spirituell.
Vielleicht DER Höhepunkt der Schau ist das "Taddei Tondo", ein kreisrundes, unvollendetes weißes Marmorrelief aus dem Besitz der Royal Academy. Ausgestellt ist es, hell angestrahlt unter Glas, direkt gegenüber Violas Triptychon.
Es zeigt die Gottesmutter mit Jesus und dem späteren Täufer Johannes, beide als kleine Knaben. In Sachen Symbolik hat hier schon der junge Michelangelo zum Thema Leben, Sterben und Transzendenz alles gesagt.
Dialog zwischen den Künstlern
Die Reise gehe hier nicht nur in EINE Richtung, sagt Martin Clayton. Angestrebt sei ein Dialog zwischen den beiden Künstlern. Schon deshalb präsentiere man ihre Arbeiten in der Gegenüberstellung, sozusagen zum Zweck der direkten Kommunikation.
Dem darf man entschieden widersprechen! Kommunikation oder wechselseitige Erhellung: weder das eine noch das andere findet statt. Auch andächtige Reflexion oder Erkenntnis: Fehlanzeige!
Geboten werden vielmehr viel Theatralik und Spektakel und - besonders ägerlich - eine Überdosis schulmeisterlich-pompöser Belehrung in den Erklärtexten auf Wänden und Tafeln.
Viola ist seit Jahren Ehrenmitglied der Academy. Hätte er ohne Michelangelo den Sprung ins Hauptprogramm geschafft? Wohl kaum! Nein, seine Premiere ist ein Reinfall und schon jetzt buchstäblich "dead in the water".