"Billige Zertifikate sind ein gutes Zeichen"
Das EU-Parlament stimmt am Dienstag darüber ab, ob ein Teil der CO2-Zertifikate wegen drastisch gesunkener Preise vorübergehend vom Markt genommen wird. Thomas Bareiß, Koordinator für Energiepolitik in der Unionsfraktion, hält das für keine gute Idee.
Marietta Schwarz: Der Emissionshandel beschäftigt in dieser Woche nicht nur die internationale Klimakonferenz in Dublin, sondern auch das EU-Parlament. Dort stimmen die Abgeordneten morgen darüber ab, ob ein Teil der CO2-Zertifikate vorübergehend vom Markt genommen wird, denn die Preise, die sind im Keller, der Nutzen ist fragwürdig geworden. Eigentlich sollte der Handel mit CO2-Zertifikaten Europas Instrument sein, die klimaschädlichen Kohlendioxidemissionen zu senken, doch die steigen inzwischen wieder, während mit billigen Zertifikaten spekuliert wird. Die Bundesregierung findet in der Frage trotzdem keine gemeinsame Haltung.
Informationen von Britta Fecke.
Schwarz: Und am Telefon ist Thomas Bareiß, Koordinator für Energiepolitik der Unionsfraktion. Guten Morgen, Herr Bareiß!
Thomas Bareiß: Guten Morgen, Frau Schwarz!
Schwarz: Wenn ich richtig informiert bin, Herr Bareiß, sind Sie gegen dieses sogenannte Backloading. Also Sie wollen nicht, dass Zertifikate vorübergehend vom Markt genommen werden. Warum?
Bareiß: Ja, das ist richtig. Ich bin dagegen, weil ich glaube, dass das System an sich funktioniert. Und wir sollten eigentlich froh sein, dass die CO2-Preise nach unten gehen, weil es eines zeigt: Es zeigt, dass die CO2-Emissionen in den letzten Jahren massiv zurückgegangen sind. Wir sind schneller als geplant. Beispielsweise hat Deutschland bisher geplant gehabt, 21 Prozent CO2-Emissionen seit 1990 zu reduzieren. Wir haben es geschafft, 25,5 Prozent zurückzufahren. Das heißt, die Nachfrage ist wesentlich weniger als gedacht. Das heißt, die Preise sind im Keller. Das ist ein gutes Zeichen für die Wirtschaft, ein gutes Zeichen dafür, dass wir viel Innovation hatten im Bereich der CO2-Emissionsreduktion.
Schwarz: Aber der Treibhausgasausstoß ist angestiegen. Das ist ein schlechtes Zeichen für den Umweltschutz.
Bareiß: Also, wir kommen schneller voran als gedacht. Es ist richtig, dass wir im Bereich der Energiegewinnung, das heißt, Steinkohle- und Braunkohlekraftwerke, mehr CO2-Emissionen hatten als ursprünglich mal geplant. Das liegt aber aber daran dass wir schneller ausgestiegen sind aus der Kernenergie, das heißt, wir müssen ja irgendwo her den Strom herholen, den wir jetzt verlieren durch die Kernenergie, und der wird jetzt die nächsten Jahre Stück für Stück natürlich auch ein bisschen aus den Steinkohle- und Braunkohlekraftwerken kommen, weil wir einfach nicht so schnell vorankommen in sicherer Kapazität im Bereich der Stromerzeugung von erneuerbaren Energien.
Schwarz: Aber wir haben es doch gerade gehört, Herr Bareiß, die Zertifikate sind nichts mehr wert. Ein Preisverfall von ursprünglich 30 Euro auf fünf Euro pro Stück. Klimaschädlicher Kohlestrom boomt wieder. Da ist doch die Folgerung ganz richtig, Klimaschutz lohnt sich nicht mehr. Das ist nicht im Sinne dessen, wie es sein sollte.
Bareiß: Nein, wie gesagt, wir kommen schneller voran wie gedacht. Wir emittieren weniger CO2-Emissionen als noch vor fünf, sechs Jahren gedacht für 2013, und ich glaube, das muss man einfach honorieren. Wenn wir jetzt in ein bestehendes System, das funktioniert, eingreifen, dann verlieren wir den Glauben an den Markt, den CO2-Markt, dann wird das auch kein Exportschlager mehr, wie einer meiner Vorredner vorhin gesagt hat, sondern dann machen wir das System kaputt.
Insofern sollten wir nicht den CO2-Handel als billige Einnahmequelle sehen, sondern der Handel funktioniert. Es kann genauso sein, wenn die Konjunktur anzieht in Europa die nächsten Monate und die CO2-Emissionen dann wieder steigen, dass wir automatisch wieder auch einen höheren Preis haben. Oder wenn wir dieses Jahr viele kältere Tage haben, was ja derzeit noch der Fall war bis vor Kurzem, werden wir natürlich auch höhere Heizungskosten haben, wir werden mehr heizen, mehr Gas verbrauchen und damit auch wiederum mehr CO2 emittieren. Also ich glaube, wir sollten nicht immer auf kurze Marktimpulse reagieren, sondern …
Schwarz: Aber wir reden von acht Jahren.
Bareiß: Ja, wir sollten das System arbeiten lassen. Ich glaube, es funktioniert. Jeder sagt, das System an sich funktioniert. Die Preise sind im Keller, das kann aber genauso in einem Jahr wieder anders sein.
Schwarz: Aber viele sagen, das System funktioniert an sich nicht. Wem nutzen die Tiefpreis-Zertifikate denn noch außer als jenen CO2-Sündern, die für ihren CO2-Ausstoß kaum noch was zahlen müssen.
Bareiß: Es nützt jedem deutschen Verbraucher, der dadurch vielleicht etwas günstigere Produkte und günstigere Energie dann auch entsprechend für sich einkaufen kann. Es nützt der Wirtschaft, es nützt der Konjunktur in Deutschland, in Europa, in vielen Ländern, in denen wir derzeit eher am Boden liegen und wir eher Impulse bräuchten, dass die Wirtschaft wieder stärker vorangeht.
Schwarz: Die große Frage ist aber, wie der Energiefonds gefüllt werden soll, aus dem ja viele Projekte für den CO2-Schutz in Zukunft gespeist werden sollen. Der ist leer.
Bareiß: Der Energiefonds war eine gute Idee zu Beginn, weil wir gesagt haben, wir wollen aus dem Thema CO2-Handel Gelder sammeln. Wir wollten aber auch aus den Verlängerungen der Kernenergie Gelder in den Fonds stecken. Nun ist nach Fukushima die erste Quelle weggeflogen, nämlich die Kernenergiemehreinnahmen. Nun hängt der komplette Energie- und Klimafonds an den CO2-Zertifikatepreisen. Das ist sicherlich jetzt nicht ideal, wir müssen da überlegen, wie wir die nächsten Jahre eine andere Finanzierungsquelle für die wichtigen Programme, die entsprechend durch den Energie- und Klimafonds finanziert werden.
Für dieses Jahr sind die Programme meines Erachtens gesichert. Ich glaube, wir brauchen keine Sorgen haben, dass dieses Jahr die Programme ins Leere laufen. Die nächsten Jahre haben wir eine Einnahmelücke, wenn es denn so kommen sollte, wie es derzeit scheint mit den niedrigen CO2-Preisen, da haben wir eine Lücke von einer Milliarde Euro. Da brauchen wir neue Finanzierungsquellen, aber ich glaube, für dieses Jahr sind wir noch auf der sicheren Seite.
Schwarz: Thomas Bareiß, Koordinator für Energiepolitik in der Unionsfraktion. Ihnen vielen Dank für das Gespräch!
Bareiß: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Schwarz: Und am Telefon ist Thomas Bareiß, Koordinator für Energiepolitik der Unionsfraktion. Guten Morgen, Herr Bareiß!
Thomas Bareiß: Guten Morgen, Frau Schwarz!
Schwarz: Wenn ich richtig informiert bin, Herr Bareiß, sind Sie gegen dieses sogenannte Backloading. Also Sie wollen nicht, dass Zertifikate vorübergehend vom Markt genommen werden. Warum?
Bareiß: Ja, das ist richtig. Ich bin dagegen, weil ich glaube, dass das System an sich funktioniert. Und wir sollten eigentlich froh sein, dass die CO2-Preise nach unten gehen, weil es eines zeigt: Es zeigt, dass die CO2-Emissionen in den letzten Jahren massiv zurückgegangen sind. Wir sind schneller als geplant. Beispielsweise hat Deutschland bisher geplant gehabt, 21 Prozent CO2-Emissionen seit 1990 zu reduzieren. Wir haben es geschafft, 25,5 Prozent zurückzufahren. Das heißt, die Nachfrage ist wesentlich weniger als gedacht. Das heißt, die Preise sind im Keller. Das ist ein gutes Zeichen für die Wirtschaft, ein gutes Zeichen dafür, dass wir viel Innovation hatten im Bereich der CO2-Emissionsreduktion.
Schwarz: Aber der Treibhausgasausstoß ist angestiegen. Das ist ein schlechtes Zeichen für den Umweltschutz.
Bareiß: Also, wir kommen schneller voran als gedacht. Es ist richtig, dass wir im Bereich der Energiegewinnung, das heißt, Steinkohle- und Braunkohlekraftwerke, mehr CO2-Emissionen hatten als ursprünglich mal geplant. Das liegt aber aber daran dass wir schneller ausgestiegen sind aus der Kernenergie, das heißt, wir müssen ja irgendwo her den Strom herholen, den wir jetzt verlieren durch die Kernenergie, und der wird jetzt die nächsten Jahre Stück für Stück natürlich auch ein bisschen aus den Steinkohle- und Braunkohlekraftwerken kommen, weil wir einfach nicht so schnell vorankommen in sicherer Kapazität im Bereich der Stromerzeugung von erneuerbaren Energien.
Schwarz: Aber wir haben es doch gerade gehört, Herr Bareiß, die Zertifikate sind nichts mehr wert. Ein Preisverfall von ursprünglich 30 Euro auf fünf Euro pro Stück. Klimaschädlicher Kohlestrom boomt wieder. Da ist doch die Folgerung ganz richtig, Klimaschutz lohnt sich nicht mehr. Das ist nicht im Sinne dessen, wie es sein sollte.
Bareiß: Nein, wie gesagt, wir kommen schneller voran wie gedacht. Wir emittieren weniger CO2-Emissionen als noch vor fünf, sechs Jahren gedacht für 2013, und ich glaube, das muss man einfach honorieren. Wenn wir jetzt in ein bestehendes System, das funktioniert, eingreifen, dann verlieren wir den Glauben an den Markt, den CO2-Markt, dann wird das auch kein Exportschlager mehr, wie einer meiner Vorredner vorhin gesagt hat, sondern dann machen wir das System kaputt.
Insofern sollten wir nicht den CO2-Handel als billige Einnahmequelle sehen, sondern der Handel funktioniert. Es kann genauso sein, wenn die Konjunktur anzieht in Europa die nächsten Monate und die CO2-Emissionen dann wieder steigen, dass wir automatisch wieder auch einen höheren Preis haben. Oder wenn wir dieses Jahr viele kältere Tage haben, was ja derzeit noch der Fall war bis vor Kurzem, werden wir natürlich auch höhere Heizungskosten haben, wir werden mehr heizen, mehr Gas verbrauchen und damit auch wiederum mehr CO2 emittieren. Also ich glaube, wir sollten nicht immer auf kurze Marktimpulse reagieren, sondern …
Schwarz: Aber wir reden von acht Jahren.
Bareiß: Ja, wir sollten das System arbeiten lassen. Ich glaube, es funktioniert. Jeder sagt, das System an sich funktioniert. Die Preise sind im Keller, das kann aber genauso in einem Jahr wieder anders sein.
Schwarz: Aber viele sagen, das System funktioniert an sich nicht. Wem nutzen die Tiefpreis-Zertifikate denn noch außer als jenen CO2-Sündern, die für ihren CO2-Ausstoß kaum noch was zahlen müssen.
Bareiß: Es nützt jedem deutschen Verbraucher, der dadurch vielleicht etwas günstigere Produkte und günstigere Energie dann auch entsprechend für sich einkaufen kann. Es nützt der Wirtschaft, es nützt der Konjunktur in Deutschland, in Europa, in vielen Ländern, in denen wir derzeit eher am Boden liegen und wir eher Impulse bräuchten, dass die Wirtschaft wieder stärker vorangeht.
Schwarz: Die große Frage ist aber, wie der Energiefonds gefüllt werden soll, aus dem ja viele Projekte für den CO2-Schutz in Zukunft gespeist werden sollen. Der ist leer.
Bareiß: Der Energiefonds war eine gute Idee zu Beginn, weil wir gesagt haben, wir wollen aus dem Thema CO2-Handel Gelder sammeln. Wir wollten aber auch aus den Verlängerungen der Kernenergie Gelder in den Fonds stecken. Nun ist nach Fukushima die erste Quelle weggeflogen, nämlich die Kernenergiemehreinnahmen. Nun hängt der komplette Energie- und Klimafonds an den CO2-Zertifikatepreisen. Das ist sicherlich jetzt nicht ideal, wir müssen da überlegen, wie wir die nächsten Jahre eine andere Finanzierungsquelle für die wichtigen Programme, die entsprechend durch den Energie- und Klimafonds finanziert werden.
Für dieses Jahr sind die Programme meines Erachtens gesichert. Ich glaube, wir brauchen keine Sorgen haben, dass dieses Jahr die Programme ins Leere laufen. Die nächsten Jahre haben wir eine Einnahmelücke, wenn es denn so kommen sollte, wie es derzeit scheint mit den niedrigen CO2-Preisen, da haben wir eine Lücke von einer Milliarde Euro. Da brauchen wir neue Finanzierungsquellen, aber ich glaube, für dieses Jahr sind wir noch auf der sicheren Seite.
Schwarz: Thomas Bareiß, Koordinator für Energiepolitik in der Unionsfraktion. Ihnen vielen Dank für das Gespräch!
Bareiß: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.