Einmal Ost-West und zurück
06:07 Minuten
Amrei Drechsler hat in den frühen 1990er-Jahren Dresden gen Westen verlassen. Vor ein paar Jahren ist die Ingenieurin zurückgekehrt, auch weil ihr der Dialekt und gemeinsame Erinnerungen fehlten. Die Ost-West-Debatte hat sie aber satt.
"Mein Name ist Amrei Drechsler. Ich komme aus Dresden, habe auch in Dresden studiert und meinen Sohn hier zur Welt gebracht und arbeite heute hier in der Automobilzulieferindustrie."
Drechsler, Pony-Frisur, Brille und ein gewinnendes Lächeln, hat die Kreuzkirche als Treffpunkt für das Interview vorgeschlagen. "Für jeden Dresdner ein besonderes Bauwerk aus vielen verschiedenen Gründen. Meine Gründe liegen eher so in der Zeit 1988, 1989."
Zum Studium war Drechsler aus einer Kleinstadt nach Dresden gezogen, genoss das Großstadtleben. Und begann sich zu engagieren.
"Wir wollten ein gewisses Maß an Freiheit haben. Wir hatten ja gar keine Freiheiten, auch wenn das viele anders sehen im Rückblick. Da ging es darum, die Bücher zu lesen, die man lesen möchte, über die Bücher zu reden, so wie man darüber reden möchte – und dann irgendwann etwas zu erreichen, eine freiere Gesellschaft für die eigenen Kinder dann. Es hat ja niemand wissen können, wie sich das alles entwickelt. Im Rückblick sieht das alles so easy aus, aber das war es ja nicht."
Drechsler, Pony-Frisur, Brille und ein gewinnendes Lächeln, hat die Kreuzkirche als Treffpunkt für das Interview vorgeschlagen. "Für jeden Dresdner ein besonderes Bauwerk aus vielen verschiedenen Gründen. Meine Gründe liegen eher so in der Zeit 1988, 1989."
Zum Studium war Drechsler aus einer Kleinstadt nach Dresden gezogen, genoss das Großstadtleben. Und begann sich zu engagieren.
"Wir wollten ein gewisses Maß an Freiheit haben. Wir hatten ja gar keine Freiheiten, auch wenn das viele anders sehen im Rückblick. Da ging es darum, die Bücher zu lesen, die man lesen möchte, über die Bücher zu reden, so wie man darüber reden möchte – und dann irgendwann etwas zu erreichen, eine freiere Gesellschaft für die eigenen Kinder dann. Es hat ja niemand wissen können, wie sich das alles entwickelt. Im Rückblick sieht das alles so easy aus, aber das war es ja nicht."
Es hat sie nicht mehr viel in Dresden gehalten
Doch Töne, die schon 1989 in Dresden auch auf der Straße zu hören waren, störten Amrei Drechsler. Sie zog sich zurück und entschied, Dresden zu verlassen. Das Studium hatte sie beendet, inzwischen war sie Mutter eines Sohnes. Dresden zu verlassen: eine berufliche Entscheidung, einerseits.
"Mich hat aber dann auch nicht so viel gehalten, gerade wegen der Entwicklungen, dieses Ausrichten auf eben 'Deutschland einig Vaterland' und Geld noch und so weiter. Und auch vorher, wenn man ehrlich zu sich selbst ist, war man ziemlich alleine in der Opposition. Und man entwickelt nicht unbedingt die Liebe zur Bevölkerung und die hatte ich auch nicht mehr dann."
"Mich hat aber dann auch nicht so viel gehalten, gerade wegen der Entwicklungen, dieses Ausrichten auf eben 'Deutschland einig Vaterland' und Geld noch und so weiter. Und auch vorher, wenn man ehrlich zu sich selbst ist, war man ziemlich alleine in der Opposition. Und man entwickelt nicht unbedingt die Liebe zur Bevölkerung und die hatte ich auch nicht mehr dann."
Amrei Drechsler bewarb sich auf eine Stelle im hessischen Offenbach: "Ich hatte ja Maschinenbau studiert und hatte mich da beworben, auf eine Stelle als Hydraulik-Ingenieur. Und die haben mich dann auch genommen, nach einem denkwürdigen Vorstellungsgespräch. Ich hatte ja schon das kleine Kind. Und der Geschäftsführer hat mich dann gefragt, wie ich das machen wollte mit dem zweijährigen Kind oder einjährigem Kind. Und dann habe ich zu dem gesagt: Ich bin jetzt hier, um seine Probleme zu lösen und nicht er meine. Das lassen wir mal jetzt. Und dann hat er mich eingestellt und zwar nicht als Hydraulik-Ingenieur, sondern im Einkauf, das war ganz was Fremdes. Also ich bin da – völlig unbedarft, keine Ahnung von Betriebswirtschaft, gar nichts – dort in solche Abteilung gekommen und habe es dann scheinbar ganz gut gemacht und seitdem eben, wie sagt man so schön, Karriere."
Die Ost-Herkunft war kein Thema
Dazu gehörten auch regelmäßige Umzüge. Nach drei Jahren in Offenbach ging es nach Köln, Ulm, Aschaffenburg, Lindau. Immer wieder neue Städte. Neue Freundschaften, die teilweise bis heute halten. Nie habe es eine Rolle gespielt, wo sie herkomme, sagt Drechsler.
"Das liegt aber sicherlich auch daran: Ich habe das wirklich niemals zum Thema gemacht. Für meinen Sohn war das sowieso keins, weil der ganz klein war, als wir weg waren. Aber für mich auch nicht. Ich habe das nicht zum Thema gemacht. Bis heute bin ich nicht der Meinung, ich hätte irgendeine ostdeutsche Identität oder so etwas, was soll das sein? Ich stehe für mich selber, ich bin eben so wie ich bin und meine Freunde sind auch so wie sie sind. Und die sind ja nicht mit mir befreundet, weil ich aus dem Osten bin, sondern weil ich die Amrei bin."
"Das liegt aber sicherlich auch daran: Ich habe das wirklich niemals zum Thema gemacht. Für meinen Sohn war das sowieso keins, weil der ganz klein war, als wir weg waren. Aber für mich auch nicht. Ich habe das nicht zum Thema gemacht. Bis heute bin ich nicht der Meinung, ich hätte irgendeine ostdeutsche Identität oder so etwas, was soll das sein? Ich stehe für mich selber, ich bin eben so wie ich bin und meine Freunde sind auch so wie sie sind. Und die sind ja nicht mit mir befreundet, weil ich aus dem Osten bin, sondern weil ich die Amrei bin."
Nie sei es ein Thema gewesen – bis Amrei Drechsler 2014 nach Dresden zurückging. Ihr Sohn war ausgezogen, sie hatte mal wieder Lust auf einen Tapetenwechsel.
"Mir hat, ich will nicht sagen, ein Stückchen Heimat gefehlt. Aber wenn man so oft den Ort wechselt, dann sammelt man auch nicht so die gleichen Erinnerungen wie man sie früher hatte in der Kindheit. Und man erreicht auch nicht den gleichen Grad von Geborgenheit. Und natürlich verbinde ich jetzt mit Sachsen das Gefühl, man war geborgen, ich war geborgen in der Familie. Mit den Freunden diese ganzen Erlebnisse hier 1988, 1989, 1990, die prägen mich so sehr immer noch und viele andere Leute hier auch. Und darüber kann man sich hier mit Leuten austauschen und nicht unbedingt in München oder so. Das hat mir gefehlt und mir hat auch der Dialekt gefehlt. Es gibt so schöne Wörter. Wenn ich dann hier war und habe die wieder gehört, bin dann die ganze Zeit grinsend hier rumgelaufen. Das war einfach schön."
"Mir hat, ich will nicht sagen, ein Stückchen Heimat gefehlt. Aber wenn man so oft den Ort wechselt, dann sammelt man auch nicht so die gleichen Erinnerungen wie man sie früher hatte in der Kindheit. Und man erreicht auch nicht den gleichen Grad von Geborgenheit. Und natürlich verbinde ich jetzt mit Sachsen das Gefühl, man war geborgen, ich war geborgen in der Familie. Mit den Freunden diese ganzen Erlebnisse hier 1988, 1989, 1990, die prägen mich so sehr immer noch und viele andere Leute hier auch. Und darüber kann man sich hier mit Leuten austauschen und nicht unbedingt in München oder so. Das hat mir gefehlt und mir hat auch der Dialekt gefehlt. Es gibt so schöne Wörter. Wenn ich dann hier war und habe die wieder gehört, bin dann die ganze Zeit grinsend hier rumgelaufen. Das war einfach schön."
Da war sie wieder in ihrer Heimat – und auf einmal wieder die Ost-West-Diskussion. "In meinem Privatleben spielt das überhaupt keine Rolle. Ich habe diese Debatte auch irgendwie satt, die mir jetzt alle möglichen Eigenschaften zuschreiben will, weil ich aus dem Osten bin. Das halte ich für einen Zufall. Ich halte es für keinen Zufall, wie ich dann geworden bin."
Die Rückkehr und Pegida
Die Zeiten in Dresden hatten sich geändert und doch erinnerte sie vieles daran, was sie schon 1990 störte. Schrille, ausgrenzende Töne waren zu hören. Es war die Zeit, in der die ersten Pegida-Demonstrationen stattfanden. Die Zahl der Demonstrierenden stieg damals Woche für Woche.
"Und dann habe ich mir das erste Mal diesen Zug angeschaut von diesen Leuten und war: Entsetzt ist auch das falsche Wort. Ich konnte es nicht glauben. Es hat mir auch Angst gemacht. Und da ich jetzt nicht so der ganz ängstliche Typ bin, habe ich dann direkt angefangen, und andere Leute auch, sich wiederum Verbündete zu suchen, mit denen man dann kontinuierlich daran arbeitet, dass das aufhört."
Neue Freundschaften sind entstanden. Mit einer Gruppe Frauen stellt sich Drechsler den Islamhassern von Pegida entgegen, auch an diesem Montagabend.
"Auch das ist etwas, was ich jetzt schon sehr, sehr lange mache. Ich habe dort sehr gute Freunde gefunden, tolle Menschen. Übrigens so gut wie alle auch hier aus der Stadt und nicht zugezogen. Das heißt, es gibt hier richtig, richtig klasse Menschen. Und ich freue mich drauf, die gleich wieder zu sehen. Und die anderen werden wir schon ertragen."