Die Kuhflüsterin aus Brandenburg
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Auf du und du mit einer Kuh? Kein Problem für Anja Hradetzky. Die Bio-Bäuerin aus Brandenburg gilt als "Kuhflüsterin". Ihr Wissen stammt aus ihrer Zeit als Cowgirl in Kanada. Ihren Hof haben sie und ihr Mann mit einer ungewöhnlichen Idee finanziert.
Pferdeflüsterer, die kennt man, spätestens seit Robert Redford im Film einer war. Aber mit Kühen sprechen? Anja Hradetzky nennt man eine "Kuhflüsterin". Für die Biobäuerin ist die Kommunikation mit Kühen keine große Sache.
"Ich bewege mich impulsartig. Ich gehe auf die Kuh zu. Wenn die Kuh sich bewegt, gehe ich wieder zurück. So bekomme ich sie schön sensibel, dadurch hören sie auf mich. Das ist wie ein Tanz auf der Weide. Ich achte tatsächlich auf alle Zeichen, die mir die Tiere geben."
Bei minus 50 Grad auf der Weide
Das Handwerk dafür hat die gebürtige Sächsin auf einem Hof in Kanada gelernt. Nach einem Studium für Ökolandbau und Vermarktung ist sie nach Nordamerika gegangen, hat dort als Cowgirl gearbeitet. Den ganzen Tag war sie mit den Rindern zusammen, die bei jedem Wetter ausschließlich auf der Weide standen. "Auch bei minus 50 Grad. Da habe ich gesehen, was Rinder aushalten, wofür sie gemacht sind."
Zurück in Deutschland, kamen erst Kinder, dann ein Bauernhof hinzu. Mit ihrem Freund Janusz, heute ihr Mann, hatte sie die Idee dazu. Was aber fehlte, war Geld. "Wir haben wirklich aus Hartz IV gegründet. Und mein Mann sagt immer: `Lieber hundert Leute im Rücken, als eine Bank im Nacken.`"
"50 Kühe im Briefkasten"
Wie aber gründet man einen Bauernhof, ohne Bankkredit? Anja Hradetzky und ihr Mann Janusz, ebenfalls gelernter Ökolandbauer, verkauften Anteilsscheine.
Im Prinzip funktionierte die Sache wie ein Privatdarlehen. Von ihrer Idee erzählten sie möglichst vielen Leuten. "Und dann sagt man, ihr könnt Anteile zeichnen. Da sind innerhalb von sechs Wochen 50 Kühe im Briefkasten gewesen. Die Leute können in uns investieren, in unsere Idee."
Ihre Käserei finanzierte das Paar auf ähnliche Weise, über Crowdfunding.
"Stolze Kuh" heißt der Hof, den das Ehepaar seit sechs Jahren im brandenburgischen Stolzenhagen, nahe der polnischen Grenze, betreibt. Was das Paar vor allem anders macht? Die Kühe tragen ihre Hörner. Sie werden ihnen nicht, wie sonst üblich, entfernt. Auch dürfen die Kälber bei den Kühen bleiben.
"Die Kühe und Rinder sind Säugetiere. Und ich denke, wir sollten denen dieses Grundbedürfnis nicht wegnehmen. Wenn wir das machen, kommt es nämlich zu Krankheiten, zu Verhaltensstörungen. Und ja, mich erfüllt es richtig, den Kühen das zu ermöglichen."
Das hat jedoch zur Folge, dass die Kühe von Anja und Janusz Hradetzky "ein Drittel bis die Hälfte weniger" Milch geben.
2,80 Euro für den Liter Milch
"Ich denke, die Kuh ist ein Halt für die Kälber, dann erst für uns. Deswegen ist es für mich in Ordnung. Und unsere Strategie ist es, uns unabhängig zu machen von der Milchindustrie. Und dadurch auch einen eigenen Milchpreis bestimmen zu können."
Was wäre denn eigentlich ein angemessener Preis für die Bio-Bäuerin, wo liegt der? Bei "zwei Euro 80" pro Liter, so Anja Hradetzky. Verkauft sie das Fleisch von ihren Rindern, dann für 18 Euro das Kilo. Wer aber kann sich das auf Dauer leisten? Für die 31-Jährige ist das keine Frage des Einkommens:
"Wir haben selber Hartz IV bezogen, und wir haben uns immer hundert Prozent Bio ernährt. Das ist möglich. Es ist halt eine Frage, ob man das will."
(ful)