Das "Greenwashing" verhindert echte Innovationen
Von wegen Massenbewegung: Weniger als fünf Prozent der in Deutschland verkauften Lebensmittel sind bio. Die euphorischen Erfolgsmeldungen rund um die Biobranche beruhigen, so Ernährungssoziologe Daniel Kofahl, nur das Gewissen.
Bio, früher war das nur was für Ökos, die in Birkenstocklatschen in einen heimeligen Bio-Laden gingen, um dort ihre Jutebeutel zu füllen. Die Zeiten sind längst vorbei. Inzwischen prangt das Bio-Etikett auch auf Lebensmitteln von Aldi, Lidl und anderen Discountern. Ein Massenbewegung, wie der Bundeslandwirtschaftsminister behauptet, ist Bio aber längst nicht geworden. Auch wenn Wachstumszahlen von jährlich 10 Prozent vielversprechend klingen, der Gesamtanteil der verkauften Bio-Lebensmittel beträgt weniger als fünf Prozent, sagt der Ernährungssoziologe Daniel Kofahl:
"Eine Massenbewegung ist für mich nichts, was – wenn man mal die Bundestagswahl als Referenzpunkt nehmen würde – an der fünf-Prozent-Hürde scheitern würde."
Bio ist immer noch eine Nische
Daniel Kofahl arbeitet als unabhängiger Gutachter für das Bundeministerium für Forschung und Wissenschaft und ist Gründer des "Büros für Agrarpolitik und Ernährungskultur". Die ständigen Erfolgsmeldungen von der Bio-Front bezeichnet er als eine Art von Greenwashing, die einzig dem Zweck diene, das Gewissen zu beruhigen. In Discounter würden gar nicht so viele Bio-Lebensmittel verkauft, wie man auf den ersten Blick vielleicht meine.
"Zum einen ist es so, dass es meist nur ganz spezielle Lebensmittel sind, die dort angeboten werden und andere Produkte werden überhaupt nicht in Bio-Qualität angeboten."
Und nur weil sich Bioprodukte in den Regalen stapelten, hieße das noch lange nicht, dass die Kunden diese auch kauften.
"Oft dienen die zur Beruhigung des guten Gewissens: Ich kaufe in einem Geschäft ein, in dem es auch Bio-Produkte gibt, aber jetzt habe ich halt doch nicht genügend Geld dafür oder vielleicht schmecken mir die anderen Produkte sogar besser. Und deswegen greife ich jetzt vielleicht doch nicht zum Bio-Produkt, sondern zu einem herkömmlichen Produkt."
Status quo statt Innovationen
Die ständigen Erfolgsmeldungen aus der Bio-Branche verhinderten wirkliche Innovationen. So müsste der Öklandbau, Kofahl zufolge, viel mehr Forschungsgelder erhalten, um seine Produktivität zu steigern. Nur dann sei es möglich, dass die in Deutschland lebende Bevölkerung auf Ökolebensmittel umsteigen kann, die auch bezahlbar sind.
"Einfach zu sagen, alle machen das schon so, führt eigentlich nur dazu, dass die bestehenden Verhältnisse sich stabilisieren, aber gleichzeitig viele Menschen ein schlechtes Gewissen haben oder in eine Ecke gedrängt werden, aus der sie so nicht heraus kommen."
(mw)