Andreas Schumann: Die Familie de Maizière
Eine deutsche Geschichte
Orell-Füssli-Verlag Zürich, Oktober 2014
384 Seiten, 24,95 Euro
Eine Ode an die de Maizières
In seiner Biografie huldigt Andreas Schumann der Geschichte der de Maizières. Kein Wunder, ist der Autor doch Mitarbeiter der CDU. Dem Buch fehlt die Distanz gegenüber den Unionspolitikern Lothar und Thomas de Maizière und ihrer Familie.
In seinem "Idiotenführer durch die deutsche Gesellschaft" sagt der österreichische Schriftsteller Gregor von Rezzori, der intellektuell-politische Betrieb der Bundesrepublik präsentiere sich gerne über Dynastien. Als Beispiel dienen ihm die Weizsäckers. Sein Buch entstand vor mehr als 50 Jahren, und inzwischen gibt es eine Dynastie mehr: die de Maizières. Über sie erschien jetzt eine Monografie, Autor ist Andreas Schumann, Mitarbeiter in der CDU-geführten sächsischen Landesregierung.
Die Familie de Maizière, der Name macht es kenntlich, ist französischen Ursprungs.
"3. Oktober 1569: Eine Lanze durchfährt die linke Hand von Philippe de Maizire in der Schlacht von Moncontour zwischen den katholischen Truppen des französischen Königs Karl IX. und den protestantischen Hugenotten unter ihrem politischen und militärischen Führer Gaspard de Coligny."
So der Rückblick. Die Familie bleibt in Frankreich bis zur Aufhebung des Edikts von Nantes durch Sonnenkönig Ludwig XIV., mitsamt vielen anderen Glaubensangehörigen flieht sie dann nach Preußen. Das Adelsprädikat legt sie ab und holt es erst Ende des 19. Jahrhunderts wieder hervor.
Mehrere NSDAP-Mitglieder
Das Buch erwähnt mehr als ein Dutzend Familienmitglieder, ausführlich geht es lediglich um vier: die Brüder Clemens und Ulrich sowie, in der Folgegeneration, um die Vettern Lothar und Thomas.
Prominentester ist über lange Jahre Ulrich. Unmittelbar nach dem Abitur entschließt er sich für den Soldatenberuf, den er, unterbrochen durch zwei Jahre Kriegsgefangenschaft und drei Jahre Tätigkeit als Buch- und Musikalienhändler, bis zu seiner Pensionierung ausübt.
In der Reichswehr, in Hitlers Wehrmacht und in der Bundeswehr erklimmt er einen Offiziersrang nach dem anderen, zuletzt wird er Generalinspekteur der westdeutschen Streitkräfte. Zuvor war er Mitglied der Nazi-Partei und diente dem Hitler-Nachfolger Dönitz noch zwei Wochen nach der offiziellen Kapitulation.
Sein Bruder Clemens wurde Jurist. Auch er war Mitglied der Nazi-Partei, nach 1945 blieb er in Ostdeutschland und arbeitete als Rechtsanwalt. Er war Zuträger des Ministeriums für Staatssicherheit, dem er sowohl über seinen Bruder als auch über DDR-Kirchenobere Mitteilung machte. In der DDR-Kampagne gegen den belasteten westdeutschen Generalbundesanwalt Fränkel stand er in vorderster Reihe.
Den beiden Brüdern, wie der Mehrzahl ihrer Anverwandten, ist außer dem Namen dies gemeinsam: die religiöse Bindung, die konservative Gesinnung und die unbedingte Loyalität gegenüber staatlichen Autoritäten. Schumann nennt es lieber ...
"... den über Jahrhunderte tradierten Wertekodex, die tiefe christliche Bindung (...), die Liebe zur Musik und nicht zuletzt die juristische Tradition (...)".
Widerständisches verbietet sich. Ulrichs Tochter Cornelia, eine Alt-Achtundsechzigerin, und der DDR-Oppositionelle Michael, Sohn von Clemens, stellen die Ausnahmen.
Loyal gegenüber dem Altkanzler
Loyalität übt auch Lothar, der andere Sohn von Clemens. Zunächst Orchestermusiker, muss er einer Erkrankung wegen den Beruf wechseln, studiert in der DDR Rechtswissenschaften und arbeitet wie der Vater als Anwalt. Er ist Mitglied der Ost-CDU und Vize-Präses der Evangelischen Kirche in der DDR.
Nach dem Herbst 1989 wird der tüchtige Mann zunächst Mitglied im Kabinett von SED-Ministerpräsident Modrow, dann gewinnt er die letzte Volkskammerwahl, ist letzter DDR-Regierungschef und managt die staatliche Wiedervereinigung.
Loyalität bleibt weiterhin gefragt: gegenüber dem mächtigen Bundeskanzler Helmut Kohl. Lother de Maizière übte sie zähneknirschend. Zum Dank wird durchgestochen, er habe, unter dem Decknamen Czerni, der Stasi gedient.
Dass die Denunziation vermutlich aus dem Kanzleramt kam, erwähnt Monograf Schumann nicht. Es ist nicht sein einziges Manko. Ihm fehlen Abstand und kritischer Blick. Er trägt eine Menge Material zusammen, auch viel Nebensächliches, die angeheirateten Familien werden mehr als ausführlich vorgestellt. Das alles bläht den Text und macht die Lektüre mühselig.
Die Monografie schließt mit dem Wiedervereinigungsherbst 1990. CDU-Mitglied Thomas de Maizière hat sich da eben erst in ein paar Landesregierungen vorgearbeitet. Seine Ämter im Bundeskabinett, nämlich Kanzleramtschef, Innenminister, gescheiterter Verteidigungsminister und jetzt wieder Innenminister, kommen nicht vor.
"Dieses Buch (...) richtet den Blick auf eine Familie, die häufig auf Begriffe wie Militär, Politik, Ehre oder Pflichterfüllung reduziert wird. Das Buch will versuchen, auch andere Seiten (...) zu zeigen (...)".
Es kommt eine weitschweifige Hagiografie heraus, mehr nicht.