Peter Stephan Jungk: Die Dunkelkammern der Edith Tudor-Hart
S. Fischer, Frankfurt am Main 2015
320 Seiten, 22,99 Euro
"Ich erinnere mich an eine traurige Frau"
Peter Stephan Jungk erkundet in "Die Dunkelkammern der Edith Tudor-Hart" das faszinierende Leben seiner Großtante, die als Spionen für die Sowjets arbeitete. Wir haben mit ihm über seine Recherchen gesprochen.
Über zehn Jahre hat der Autor und Filmemacher Peter Stephan Jungk, Jahrgang 1952, das Leben seiner Großtante Edith Tudor-Hart recherchiert. In seinem neuen Buch, einer Romanbiografie, hat er anhand von Archiv- und Buchmaterial, Geheimdienstakten und Zeitzeugengesprächen das bewegte Leben der berühmten Sozialfotografin recherchiert, die als Spionin für den sowjetischen Geheimdienst tätig war. Peter Stephan Jungk erinnert sich an seine Großtante, die Ende der 60er-Jahre die Familie in Wien besuchte:
"Ich erinnere mich an eine traurige Frau. Eine Frau, die immer in die Ferne schaute. Sie wirkte schwer, heavy. So Jemand war mir vorher noch nie begegnet."
Innerhalb der Familie Peter Stephan Jungks wusste wahrscheinlich keiner etwas von Ediths geheimdienstlichen Aktivitäten. Aufmerksam wurde Jungk selbst aufgrund einiger Zeitungsartikel, in denen der Name der Großtante als KGB-Agentin fiel.
Sie spielte die Schlüsselrolle bei der Rekrutierung der "Cambridge Five"
Geboren und aufgewachsen in Wien, studierte Edith Tudor-Hart während der Weimarer Republik am Bauhaus in Dessau. Später wurde sie wegen kommunistischer Umtriebe verhaftet und emigrierte nach England. Dort wurde sie mit ihren fotografischen Sozialreportagen bekannt. Das Jüdische Museum Wien würdigte Edith Tudor-Hart 2013 in der Ausstellung "Vienna´s Shooting Girls".
Edith Tudor-Hart hatte enge Kontakte unter anderem zu den Psychoanalytikern Anna Freud und Donald Winnicott und zu dem Jahrhundertspion Kim Philby – den sie für den KGB anwarb. Sie spielte auch die Schlüsselrolle bei der Rekrutierung der "Cambridge Five", des berühmtesten Spionagerings, den die Sowjetunion in Großbritannien unterhielt.
Peter Stephan Jungk arbeitet derzeit an einer Kinodokumentation über seine Großtante, neues Material aus den inzwischen geöffneten Archiven der Geheimdienste wird darin einfließen. Im Nachlass der Fotografin befinden sich heute nahezu 5000 Negative.
Peter Stephan Jungk, geboren 1952 in Santa Monica, Kalifornien, studierte am American Film Institute in Los Angeles und ist Autor zahlreicher Romane sowie Drehbuchautor, Dokumentarfilmer und Übersetzer. Zuletzt war er Gastprofessor für Deutsche Literatur in den USA und Österreich. Er lebt in Paris und arbeitet derzeit an einem Dokumentarfilm über Edith Tudor-Hart.