Die Frau hinter der Kopftuch-Debatte
Durch ihren - letztlich erfolgreichen - juristischen Kampf, ihr Kopftuch als Lehrerin an einer deutschen Schule tragen zu dürfen, ist Fereshta Ludin bekannt geworden. In ihrer selbstbewussten Biografie "Die Enthüllung der Fereshta Ludin" erzählt sie davon.
"Endlich steht das Ding (lacht). Das Schöne war, ich hab das allererste Exemplar bekommen aus dem Karton. Und das war … Ich musste erstmal losschreien aus Freude (lacht)."
Die Frau mit dem apricot-farbenen Kopftuch und weißen Anzug hatte in den letzten Jahren wenig zu lachen: Fereshta Ludin, deren Name eng verbunden ist mit dem Kopftuch und der juristischen Auseinandersetzung damit, hält das Buch in der Hand, das sie geschrieben hat. Titel: "Die Enthüllung der Fereshta Ludin – die mit dem Kopftuch". Ludin, die wegen des Kopftuchverbots ihren Beruf als Lehrerin an staatlichen Schulen nicht ausüben durfte, ist jetzt in doppelter Hinsicht erleichtert. Sie ist glücklich darüber, dass das Bundesverfassungsgericht das generelle Verbot für verfassungswidrig erklärt hat. Und sie hat für sich das Kapitel Kopftuch vorerst mit dem Niederschreiben ihrer Biografie abgeschlossen. Eigentlich möchte sie nichts mehr vom Kopftuch hören, sagt sie lächelnd. Aber…
"Das wird uns einige Jahre sicher noch beschäftigen. Aber was jetzt vom Verfassungsgericht als Urteil kam, ist eine gute gesellschaftliche Basis. Viele Frauen sind dann motivierter, auf andere zuzugehen und sich zu öffnen. Und anders herum genauso."
Die 42-jährige Ludin stammt aus Afghanistan. Sie wuchs aber in Saudi-Arabien und in Baden-Württemberg auf. In ihrem Buch beschreibt sie ihre Mutter als eine selbstbewusste moderne Lehrerin. Ihr Vater war Minister und Diplomat. Auf einigen Familienfotos sieht man die Mutter Ludin neben ihrem Mann; sie trägt kein Kopftuch. Fereshta Ludin hat sich freiwillig für das Kopftuch entschieden.
Sie verließ ihre Heimat Baden-Württemberg, weil sie wegen des Kopftuchs nicht in den Schuldienst übernommen wurde. Seit 15 Jahren unterrichtet sie an einer staatlich anerkannten islamischen Grundschule in Berlin. Seit ihrem Gang vor das Bundesverfassungsgericht fühlt sich Ludin auf das Kopftuch reduziert. Sie will aber nicht als das Stück Stoff wahrgenommen werden, den sie auf dem Kopf trägt, sagt sie.
"Die Frau, die Mutter, die Lehrerin, die Deutsche, die Muslima in mir – diese Menschen versuche ich, dem Leser mit meinem Buch näher zu bringen."
Das Kopftuch als Schmuck
Selbstbewusste Töne von einer Frau, die sich jahrelang von der Politik und Medien benachteiligt, beobachtet, ja fast verfolgt gefühlt hat. Kürzlich musste Ludin auf einem Fachgespräch zum Kopftuchentscheid des Verfassungsgerichts um Fassung ringen. Mit Tränen in den Augen stockte ihr die Stimme.
"Es wurde Jahre lang eine Anti-Kopftuch-Haltung verbreitet durch alle möglichen Bereiche. Das wurde nicht nur von der Politik mehrheitlich unterstützt, sondern auch durch die Medien. Das muss man sich erstmal vor Augen halten, was das für die Betroffenen bedeutet… (stockt)"
In den letzten Jahren trat Ludin nicht mehr öffentlich auf, sprach nicht mit Medien. Auch nach dem aktuellen Beschluss aus Karlsruhe, lehnte sie Interview-Anfragen ab. Nun, da sie ihre persönliche Geschichte aufgeschrieben hat, gibt sie wieder Interviews. Sie beschreibt sogar ihr Kopftuch, das sie als Schmuck trägt, wie sie sagt. Das Tuch bindet sie nicht traditionell unter dem Kinn zusammen, sondern sie wickelt es um den Kopf wie einen Schal bei kaltem Wetter – immer in modischen Farben kombiniert mit dem Untertuch, das das Haar bedeckt.
"Es geht einfach darum, dass die Frau sich damit wohl fühlt, wenn sie davon überzeugt ist. Und ich fühle mich so wohl."
Persönliche Fragen zu ihrer Familie und ihrem Leben will sie nicht beantworten. Auch lässt sie sich in der Schule nicht aufsuchen, wo sie arbeitet. Ihre Familie und die Schule will sie auf der Kopftuchdebatte heraushalten. Die Frage aber, ob sie jetzt nach Baden-Württemberg zurückgehen und dort an einer staatlichen Schule arbeiten würde, wenn sie das Kopftuch tragen dürfte, lässt sie aus anderen Gründen offen: Sie hat sich an Berlin gewöhnt.
"Jetzt ist Berlin meine Heimatstadt geworden. Ich fühle mich hier sehr sehr wohl. Mir tut die Vielfalt hier sehr gut, die Offenheit, Aufgeschlossenheit. Daher ist erstmal nicht daran zu denken. Aber schön ist es zu wissen, es gibt die Möglichkeit, woanders auch fußzufassen und sich frei zu entfalten."