Von Künstlern und Gaunern
In seiner Biografie des bedeutenden britischen Malers Lucian Freud beschreibt Geordie Greig unterhaltsam seinen ausschweifenden Lebensstil. Das liest sich vergnüglich, doch das Wesentliche fehlt in diesem Buch: der Zugang zu Freuds Kunst.
Was er wirklich hasste, waren Interviews. Lucian Freud sprach jahrzehntelang nur wenig über sich und seine Arbeit. Der neben Francis Bacon wahrscheinlich größte britische Maler des 20. Jahrhunderts mied die Medien, Privatheit ging ihm über alles. An seinem Klingelschild stand nur "Oberste Etage". Selbst im Melderegister tauchte Freud nicht auf.
Einigen wenigen Vertrauten jedoch gewährte der Künstler Einblick in sein Leben; etwa beim gemeinsamen Frühstück im Clarke's, einem kleinen Restaurant im Londoner Stadtteil Kensington. Einer, der ihm dort bei Rosinenbrötchen und Earl Grey immer wieder Gesellschaft leisten durfte, war der Journalist Geordie Greig. In "Frühstück mit Lucian Freud" komponiert er diese Gespräche zur Biografie.
Freuds wichtigste Lebensdaten strukturieren Greigs mit Schwung geschriebenes Buch. Zunächst beschreibt er die Kindheit des 1922 in Berlin geborenen Malers und Enkels von Sigmund Freud und anschließend die Flucht mit den Eltern und Brüdern 1933 aus dem nationalsozialistischen Deutschland nach England.
Enges Verhältnis zum berühmten Großvater
Spannend und bisher unbekannt sind kleine Details, die auf ein enges Verhältnis des jungen Kunststudenten zu seinem berühmten Großvater hinweisen. Verbunden habe die beiden ihre Leidenschaft zur Zoologie – Lucian malte später immer wieder Tiere –, und selbstverständlich habe der Psychoanalytiker Bilder seines Enkels besessen. Diese jedoch seien von Anna Freud, Sigmunds Tochter und Lucians Tante, vernichtet worden. Leider lässt Greig diese Episode in der Luft hängen, er verfolgt die interessante Spur nicht.
Um so mehr werden Freuds eigenwillige Persönlichkeit und dessen rasant wechselnde Beziehungen zu Greigs Lieblingsthemen. Über viele Seiten hinweg beschreibt der Biograf des Malers Lust an Widerspruch und Provokation, seine Unwilligkeit, sich einzuordnen oder gesellschaftlichen Konventionen zu beugen, seine Hemmungslosigkeit im Ausleben von Wünschen, seine Streitsucht und seinen unbändigen Sexualtrieb.
Kontakte ins Gauner- und Kriminellenmilieu
Anfangs liest sich das sehr unterhaltsam, zumal mit Freuds Geliebten und Bekannten illustre Persönlichkeiten aus den unterschiedlichsten Gesellschaftskreisen die Bühne betreten. Freud besaß Kontakte sowohl ins Gauner- und Kriminellenmilieu wie in die High Society. Doch bald ermattet der Leser ob der vielen Brüste, die gedrückt, der vielen Damen, die erobert und bald wieder verstoßen sowie der vielen Kinder (offiziell 14), die gezeugt werden.
Wie gern hätte man noch etwas über den Künstler Freud erfahren. Doch der Meister des Porträts und der figürlichen Malerei, der Maler der Nackten und Dicken, der seine Modelle schonungslos bis in die kleinste Pore hinein erfasste, kommt nur am Rande vor. Seine künstlerische Radikalität gar vermag Greig an keiner Stelle zu fassen. So liest sich diese Biografie streckenweise sehr vergnüglich, doch fehlt ihr das Wesentliche – ein Zugang zur Kunst Lucian Freuds.
Geordie Greig: Frühstück mit Lucian Freud
Aus dem Englischen von Matthias Fienbork
Nagel und Kimche, München 2014
272 Seiten, 21,90 Euro
Aus dem Englischen von Matthias Fienbork
Nagel und Kimche, München 2014
272 Seiten, 21,90 Euro