Biografie

Wie Pep Guardiola die Bundesliga aufmischt

Trainer Pep Guardiola vom Fußball-Bundesligisten FC Bayern München spricht am 31.03.2014 auf der Abschlusspressekonferenz im Teamhotel in Manchester.
Trainer Pep Guardiola musste 2014 auch Misserfolge verkraften. © dpa / Andreas Gebert
Von Rainer Moritz |
Infiziert vom Pep-Guardiola-Virus. Für seine Biografie hatte der Journalist Martí Perarnau im ersten Jahr des Katalanen beim FC Bayern freien Zugang zum Team. Teilweise lesen sich seine Aufzeichnungen wie die Essenz eines Philosophieseminars.
Sehr wenige Fußballtrainer genießen das Privileg, bereits während ihrer aktiven Zeit durch Biografien gewürdigt zu werden. Dem "Fußball-Philosophen" (Dietrich Schulze-Marmeling) Pep Guardiola wurde diese Ehre bereits mehrfach zuteil.
Als sich der Katalane nach einem Sabbatjahr entschloss, 2013 zum FC Bayern München zu wechseln, wurde er dort mit nie zuvor gesehener Begeisterung empfangen. Die Genialität, mit der er den FC Barcelona zuvor auf einsame fußballerische Höhen geführt hatte, sollte auf die deutsche Bundesliga ausstrahlen und für den Münchner Topverein, der mit Guardiolas Vorgänger Heynckes gerade das Triple gewonnen hatte, eine Zäsur bedeuten.
Der Journalist und ehemalige Hochsprung-Olympiateilnehmer Martí Perarnau erhielt während Guardiolas erstem Jahr beim FC Bayern freien Zugang zum Team und so einen hautnahen Einblick in die taktischen Überlegungen des Trainers. Obwohl sich Perarnau in seinem umfangreichen, von Wiederholungen nicht freien Buch vom Guardiola-Virus infiziert zeigt und nicht müde wird, die Leidenschaft und Besessenheit des hoch intelligenten Trainers zu betonen, gibt sein Tagebuch einen einmaligen Einblick in die Arbeit eines Proficlubs, dem eine neue "fußballerische Identität" verpasst werden soll.
Sprachprobleme und "falsche Neun"
Wo man sich längst daran gewöhnt hat, dass TV-Fußballkommentatoren (auch wenn sie als "Experten" firmieren) selten über Banalitäten und psychologische Gemeinplätze hinausgelangen, legt Perarnau, der mit vielen Menschen aus Guardiolas Umfeld sprach, offen, mit welchen Mitteln Guardiola den "Kulturschock" überwand und seine Spielauffassung auf den deutschen Konterfußball Schritt für Schritt übertrug.
Er zeigt, wie Guardiola anfangs mit Sprachproblemen zu ringen hatte und wie er neue Spieler wie Thiago in sein Konzept integrierte. "Herr Guardiola" entschlüsselt, was es mit der "falschen Neun", wie sie Lionel Messi oder Mario Götze interpretieren, auf sich hat und warum sich Pep Guardiola so vehement gegen eine verkürzte Deutung des Kurzpassspielsystems Tiki-Taka wehrt.
Sein Erfolg basiert auf ständigem Selbstzweifel und auf permanenten Spielanalysen, die von der Anschauung geleitet wird, dass im Fußball nur der Erfolg hat, der sein System ständig erneuert. So lesen sich Perarnaus Aufzeichnungen manchmal wie die Quintessenz eines philosophischen Seminars:
"Das Konzept der falschen Neun zu dekonstruieren und in Form eines freien Raums zu rekonstruieren, der nur im entscheidenden Moment des Abschlusses eingenommen wird, das ist typisch für Peps Art von Kreativität."
Erhellende Analysen der Guardiola-Denkweise
Dass Perarnau, seinem Herrn und Meister folgend, mitunter zu blumiger Metaphorik neigt ("Eine Mannschaft ist wie ein gläserner Krug"), fällt kaum ins Gewicht – angesichts seiner blitzgescheiten, erhellenden Analysen der Guardiola-Denkweise, die Misserfolge einschließt. Und die gab es 2014 wahrlich, mit der "Katastrophe" des Champions-League-Ausscheidens ausgerechnet gegen Real Madrid.
Pep Guardiola ist kein unfehlbarer Heilsbringer, aber darauf, wie er den deutschen Fußball künftig aufmischen wird, darf man sich freuen. Nach diesem Buch umso mehr.

Martí Perarnau: Herr Guardiola. Das erste Jahr mit Bayern München.
Aus dem Spanischen von Hans-Joachim Hartstein und Lea Rachwitz
Antje Kunstmann Verlag, München 2014.
430 Seiten, 19,95 Euro