Biografien

Pionier der Moderne

Undatierte Aufnahme eines Selbstbildnisses des norwegischen Malers Edvard Munch.
Undatierte Aufnahme eines Selbstbildnisses des norwegischen Malers Edvard Munch. © picture alliance / dpa
Von Edelgard Abenstein |
Zwei neue Biografien zeichnen den Weg des Malers Edvard Munch nach. Während Hans Dieter Huber chronologisch stringent die Lebensstationen dieses Skandalkünstlers abschreitet, stellt Tanja Langer die private Seite in den Mittelpunkt ihrer Romanbiografie.
Er ist einer der teuersten Maler aller Zeiten: Mit 120 Millionen Dollar erzielte im letzten Jahr sein Bild "Der Schrei" den höchsten Preis, der je auf einer Auktion bezahlt wurde. Spektakulär war auch das Leben des Edvard Munch, der am 12. Dezember vor 150 Jahren geboren wurde.
Zwei neue Biografien zeichnen nun Weg und Werk des Pioniers der europäischen Moderne nach. Während der Kunsthistoriker Hans Dieter Huber chronologisch stringent die Lebensstationen dieses Skandalkünstlers abschreitet, erfindet die Schriftstellerin Tanja Langer eine zwischen Fakten und Fiktion, zwischen Eifersucht, Krankheit, Liebes- und Todessehnsucht schillernde Romanfigur.
Munch, der mit fünf Jahren seine Mutter verloren hatte - auch seine Schwester starb früh an Schwindsucht - war manisch-depressiv. Nervenkrisen, rastlose Arbeitswut, Alkoholsucht - das sind die auffallendsten Merkmale einer in sich zerrissenen Persönlichkeit.
Huber zeichnet ein konturenreiches (sprachlich leider allzu sorgloses) Bild davon. Er schildert Munchs Fluchten in die Bohéme, nach Paris oder Berlin, nach Weimar oder Warnemünde, über die Nervenheilanstalten, in die der Maler sich mehrmals einweisen ließ, bis zu seiner Rückkehr nach Norwegen, wo er sich für den Rest seines Lebens nahe Oslo auf dem Lande niederließ, um von nun an ruhige Dorf- und Landschaftsszenen zu malen. Dabei wird der behauptete therapeutische Aspekt der künstlerischen Arbeit gelegentlich überstrapaziert.
Langer beleuchtet auch die Rolle der Frauen
Überzeugender ist Hubers Buch, wenn es der öffentlichen Empörung nachgeht, die Munchs Werk allerorten ausgelöst hat. Er weist nach, dass es nicht nur von Anfang an auch Lob und Bewunderung gab, was Munch ignorierte (und damit auch die gesamte Munch-Literatur), sondern dass Munch gerade die negativen Kritiken nutzte, um sein Image als radikaler, vom Publikum unverstandener Künstler medienwirksam auszubauen. So erkannte er in dem fulminanten Skandal um seine erste Berliner Ausstellung - der Streit mündete schließlich in die Gründung der Berliner Secession - einen willkommenen Werbeeffekt: "die beste Reklame, die ich haben konnte".
Geschäftstüchtig kümmerte er sich weitgehend selbst um den Vertrieb und den Verkauf seiner Kunstwerke, und er setzte die Druckgrafik ein, um breitere Käuferschichten zu gewinnen. Huber zeigt auf, wie virtuos Munch sich dieses Medium autodidaktisch erschloss.
In kantigen Holzschnitten oder feinlinigen Lithografien experimentierte er, um die aus seiner Malerei wohlbekannten Motive, die 'Madonna' als Verführerin, das einsame Paar am Strand, den 'Kuss', Eifersucht und Tod variantenreich unter die Leute zu bringen. Davon zeugt auch der wunderbar opulent gemachte Band des Züricher Kunsthauses.
Was zu kurz kommt in Hubers Lebens- und Werkbeschreibung, die private Seite Edvard Munchs, vor allem die Rolle der Frauen, die seine Malerei inspiriert haben, das stellt Tanja Langer in den Mittelpunkt ihrer Romanbiografie: die obsessiven Liebesbeziehungen des Malers, besonders die zu Tulla Larsson, einer gleichfalls getriebenen jungen Frau, die den Geliebten immer wieder verlässt, um zu ihm zurückzukehren.
Langers Verfahren ist das der assoziierenden Bildbetrachtung. Entlang des künstlerischen Werks erzählt sie poetisch, gelegentlich allzu sehr an der Psychoanalyse orientiert, wie Munch zur Abstraktion fand. Und damit ganz nebenbei, weshalb ein Schrei des Schreckens zur Ikone des Jahrhunderts wurde.

Hans Dieter Huber: Edvard Munch. Tanz des Lebens
Philipp Reclam-Verlag, Stuttgart 2013, 198 Seiten, 19,95 Euro

Tanja Langer: Der Maler Munch
LangenMüller-Verlag, München 2013, 224 Seiten, 18 Euro

Kunsthaus Zürich: Edvard Munch. Die grafischen Meisterwerke
Hatje Cantz-Verlag, Stuttgart 2013, 208 Seiten, 45 Euro

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