Biografien über Maria Theresia

Die vielen Rollen einer populären Herrscherin

Cover "Maria Theresia" von Barbara Stollberg-Rilinger
Cover "Maria Theresia" von Barbara Stollberg-Rilinger © Verlag C.H.Beck
Von Edelgard Abenstein |
Gleich zwei Biografien zum 300. Geburtstag von Maria Theresia von Österreich: Die Feministin Elisabeth Badinter beschreibt sie als Vorbild für Frauen von heute. Detailliert zeichnet die Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger die vielen Gesichter der Vorzeigemonarchin nach.
Eigentlich weiß man alles über sie: Maria Theresia, die populärste Herrscherin Europas, die 40 Jahre lang erfolgreich ein Riesenreich regierte, 16 Kinder hatte und einen Gatten, den sie liebte. Darin war sie eine Ausnahmeerscheinung in der Geschichte überhaupt: Gegenüber Elisabeth I. von England etwa, die kinder- und ehelos geblieben war, oder Katharina der Großen, deren Nachkommen keine Rolle spielten.

Feministische und historische Analyse

Zu ihrem 300. Geburtstag liegen zwei Biografien vor, die das herkömmliche Bild der Vorzeigemonarchin in je eigener Art verändern. Handlich-schlank erzählt die französische Feministin Elisabeth Badinter dieses Leben konventionell, an der Chronologie entlang, auf eine zentrale Frage hin: Was können Zeitgenossinnen lernen von einer Frau, die gleichzeitig drei Rollen unter einen Hut brachte, als Mutter, Geliebte und Karrierefrau?
Ganz anders die Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger. Ihre für den Sachbuchpreis der Leipziger Buchmesse nominierte Biografie, zeichnet auf mehr als tausend Seiten die vielen Gesichter, die Mythen um Maria Theresia nach, um ihr als Figur auf die Spur zu kommen: Die treu sorgende Landesmutter, die man im Nachhinein zur ersten Bürgerin ihres Landes verklärte.
Stollberg-Rilinger schildert zunächst, wie die noch unbedarfte Fürstin im Eilverfahren zu einer Realpolitikerin wurde, nachdem ihr der mächtige Gegenspieler, der Preußenkönig Friedrich II, ihre reichste Provinz, Schlesien, abgejagt hatte. Und wie es der gnadenlosen Reformerin gelang, die Dynastie der Habsburger aus der drohenden Bedeutungslosigkeit zu führen.
Maria Theresia von Österreich auf einer zeitgenössischen Darstellung.
Maria Theresia von Österreich auf einer zeitgenössischen Darstellung© Imago / Rust

Minutiös und detailliert

Die Historikerin holt die Geschichte aus den Akten der Kameralistik, aus dem gewissenhaft geführten Tagebuch des vertrautesten Höflings der Kaiserin oder den Audienz-Protokollen des Ehepaars Gottsched etwa. Sie reist mit ihren Lesern von Schönbrunn in die Wiener Hofburg, vom Krönungszeremoniell in Pressburg, wo die junge Regentin zum "König von Ungarn" erhoben wurde, ins gemeinsame eheliche Schlafzimmer des kaiserlichen Paares. Klatsch und Anekdoten befragt sie gewissenhaft auf ihren Wahrheitsgehalt und räumt auf mit Legenden um die angebliche Volkstümlichkeit der Habsburgerin oder das vermeintlich bürgerliche Idyll, das die Mutter mit ihren Kindern gepflegt habe.
Minutiös zeichnet sie das Regelsystem bei Hofe nach, wie man dort Karriere machte, und wie das komplizierte Gefüge aus Etikette jede individuelle Regung erstickte. Mit solch breiten, mitunter allzu weitschweifig geratenenen Schilderungen ist das Buch auch ein Beitrag zur Alltags- und Mentalitätsgeschichte jener Zeit. Dabei meidet die Autorin jede Art von Psychologisierung, auch moralische Urteile aus heutiger Sicht versagt sie sich.

Rollenvorbild für Frauen von heute

So materialreich, so detailbesessen die Biografie auch ist, richtig nahe kommt einem die Protagonistin nicht. Das liegt neben dem distanzierend-sachlichem Ton auch an der Erzählhaltung der Historikerin, die jede Aktualisierung als falsch ablehnt. Es muss ja nicht unbedingt eine solch glühende Parteinahme vorherrschen wie bei Elisabeth Badinter, die die österreichische Kaiserin zur früh Emanzipierten erhebt, zum "role model" für die Frauen von heute. Aber irgendwie ist es doch nichts anderes als die Gegenwart, die unseren Blick auf die Geschichte bestimmt und weshalb Vergangenes uns zu fesseln vermag.

Barbara Stollberg-Rilinger: Maria Theresia. Die Kaiserin in ihrer Zeit
C.H.Beck Verlag , München 2017
1083 Seiten, 34 Euro

Elisabeth Badinter: Maria Theresia. Die Macht der Frau
Zsolnay Verlag, Wien 2017
304 Seiten, 24 Euro

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