Biologe: Wirtschaftswachstum ist schädlich
Der Biologe Pierre Ibisch meint, Wirtschaftswachstum schade Umwelt und Gesellschaft. Durch technologischen Fortschritt komme es zum Abbau von Arbeitsplätzen "und gleichzeitig durch die erhöhten Energie- und Stoffflüsse zu Problemen in dem Erdökosystem."
Hanns Ostermann: Welches Wachstum brauchen wir? Die Politik hofft auf ein Wachstum der Wirtschaft, unterstützt wird sie dabei von so manchem Wirtschaftsforschungsinstitut, das für das kommende Jahr von einem Plus in Höhe von 1,5 oder 1,6 Prozent ausgeht. Andere kritisieren die alte Mär vom Mehr. Zufriedenheit oder Wohlstand könnten nicht allein nach Kriterien des Wachstums beurteilt werden. Professor Pierre Ibisch von der Fachhochschule Eberswalde geht noch einen Schritt weiter. Er sagt, das Wachstum müsse sogar bekämpft werden. Er ist jetzt am Telefon von Deutschlandradio Kultur. Guten Morgen, Herr Ibisch!
Pierre Ibisch: Guten Morgen!
Ostermann: Mehr Wachstum, mehr Arbeitsplätze heißt es doch immer wieder. Warum stimmt aus Ihrer Sicht diese Rechnung nicht?
Ibisch: Man muss natürlich erst mal sich fragen, ob tatsächlich diese einfache Gleichung "Wachstum schafft Arbeit" stimmt. Zweitens muss man sich fragen, was ist eigentlich Wachstum? Und im Wesentlichen sind es zwei Faktoren, die zu Wachstum führen bei uns in der Wirtschaft, in der Gesellschaft. Das ist einmal das Bevölkerungswachstum und dann ist das Wachstum da, das pro Kopf stattfindet in Bezug auf den Umsatz von Stoff und Energie. Und ja, in Deutschland ist das natürlich vor allem Letzteres. Wir haben hier kein nennenswertes Bevölkerungswachstum mehr oder sogar ein negatives, und das hat in den letzten Jahren, Jahrzehnten bedeutet, dass eigentlich unter Einsatz von immer mehr Energie weniger Menschen mehr Stoffumsatz leisten.
Ostermann: Dem kann ich folgen. Also der Raubbau an der Natur, das ist gefährlich. Ich frage mich andererseits, wie wollen Sie dann Arbeitsplätze schaffen, wenn die Wirtschaft nicht wächst?
Ibisch: Werden denn Arbeitsplätze geschaffen dadurch? Also durch die Intensivierung und Rationalisierung der Produktion kommen wir natürlich letztendlich zur Verteuerung von Arbeitsplätzen und letztlich damit zum Wegfall von Arbeitsplätzen, weil die woandershin verlagert werden, wo es günstiger ist. Also führt Wachstum durch technologischen Fortschritt irgendwie zum Abschaffen von Arbeitsplätzen und gleichzeitig aber natürlich durch die erhöhten Energie- und Stoffflüsse zu Schäden, zu Problemen in dem Erdökosystem. Und das ist zunächst mal vielleicht eine zentrale Feststellung, das klingt so trivial, wir reden darüber auch seit Jahrzehnten im Grunde. Die Ökologen tun das, nur die Ökonomen glauben eigentlich immer noch oder wollen uns Glauben machen, dass das Ganze entkoppelt sei, dass wir also im Grunde Wirtschaft betreiben können, nur indem wir die Faktoren Arbeit und Kapital betrachten und nicht etwa Land oder Ökosystem.
Ostermann: Herr Ibisch, damit haben Sie mir aber noch nicht erklärt, wie Sie möglicherweise zukünftig Arbeitsplätze schaffen wollen.
Ibisch: Arbeitsplätze, tja, das ist wie gesagt der Punkt, entstehen gegebenenfalls dadurch, dass nicht immerzu beschleunigt die Wirtschaftsleistung, sondern ja, im Grunde gibt es dazu Ansätze von Ökonomen, die der Richtung der ökologischen Ökonomie folgen, und da ist natürlich die Formel: Weniger ist mehr. Das Problem ist vollkommen klar, dass eine Verringerung des Wirtschaftswachstums bedeutet, dass für die Menschen weniger Konsum dabei rauskommt, letztlich Verzicht auf Dinge, die uns lieb werden, Verzicht auf Dinge, an die wir uns auch ganz schnell gewöhnen, die uns einfach der technologische Fortschritt bereitet.
Das ist natürlich das Problem, dass wenn wir wirklich auf die Grenzen des Wachstums achten und uns klar machen, dass wir in einem Ökosystem arbeiten, in dem Stoff- und Energieumsatz nicht beliebig erhöht werden kann, dass wir irgendwann nicht immer mehr Spaß haben können. Und das ist vielleicht auch geradezu ein Problem derzeitig in der Politik. Nehmen wir das Beispiel Klimaschutz, sehr aktuell, dass Politiker uns Glauben machen wollen, dass wir Klimaschutz betreiben können und dabei aber noch viel Spaß haben können. Und das ist sicherlich eine unbequeme Wahrheit, dass das eigentlich nicht geht. Ist natürlich für einen Politiker schwierig dann zu vermitteln.
Ostermann: Sie fordern eine ökologische Radikalität und haben ja durch Kopenhagen auch beobachten können, dass die Staaten zu sehr wenig auf diesem Gebiet bereit sind. Aber das heißt doch im Umkehrschluss auch für jemanden, der uns zuhört und händeringend nach einem Job sucht, dass wir uns möglicherweise auf ich sag jetzt mal rund fünf Millionen Arbeitslose in Deutschland einstellen müssen. Ist das auch eine bittere Wahrheit, an die Sie denken?
Ibisch: Es ist eine Frage, wie sehr der Staat seine Ressourcen nutzt, um zu verteilen und tatsächlich eine soziale Marktwirtschaft zu betreiben. Und sicherlich, es ist gegebenenfalls so, dass wir nicht immerzu mit Steigerung von Einkommen rechnen können, sondern dass es wirklich um eine Umverteilung geht, damit eine große Masse von Menschen in Lohn und Arbeit sein kann, während wir nicht Stoff- und Energieumsatz unseres Systems erhöhen.
Ostermann: Auf Wachstum zu verzichten, heißt das nicht aber auch in letzter Konsequenz, die reichen Länder bleiben reich, die armen arm?
Ibisch: Man ist geneigt zu sagen, ja, das ist so, nur wenn wir – Sie haben Kopenhagen gerade angesprochen, das ist so, so einen Blick hat uns diese Konferenz erlaubt in eine Zeit, die da aufzieht, wo sozusagen Auseinandersetzungen um Ressourcenverbrauch, Verschmutzungsrechte und letztlich auch Wachstumsrechte da zu politischem Stillstand führen, zunächst mal das. Letztlich sehen wir etwas aufziehen, gegebenenfalls eine Zeit, in der Wirtschaftswachstum regelrecht eine neue Waffe ist in einem neuen Rüstungswettlauf sozusagen. Und wir sehen natürlich schon die starken Schwellenländer gegebenenfalls besser gerüstet für kommende Zeiten. Die Arbeitsplätze wandern in diese Schwellenländer, und insofern wird es da zu Verschiebungen kommen, die leider auch es uns nicht erleichtern, global Lösungen zu finden zur Begrenzung des Wachstums. Das ist die Tragik dabei.
Ostermann: Professor Pierre Ibisch von der Fachhochschule Eberswalde. Herr Ibisch, danke Ihnen für das Gespräch!
Ibisch: Danke schön!
Pierre Ibisch: Guten Morgen!
Ostermann: Mehr Wachstum, mehr Arbeitsplätze heißt es doch immer wieder. Warum stimmt aus Ihrer Sicht diese Rechnung nicht?
Ibisch: Man muss natürlich erst mal sich fragen, ob tatsächlich diese einfache Gleichung "Wachstum schafft Arbeit" stimmt. Zweitens muss man sich fragen, was ist eigentlich Wachstum? Und im Wesentlichen sind es zwei Faktoren, die zu Wachstum führen bei uns in der Wirtschaft, in der Gesellschaft. Das ist einmal das Bevölkerungswachstum und dann ist das Wachstum da, das pro Kopf stattfindet in Bezug auf den Umsatz von Stoff und Energie. Und ja, in Deutschland ist das natürlich vor allem Letzteres. Wir haben hier kein nennenswertes Bevölkerungswachstum mehr oder sogar ein negatives, und das hat in den letzten Jahren, Jahrzehnten bedeutet, dass eigentlich unter Einsatz von immer mehr Energie weniger Menschen mehr Stoffumsatz leisten.
Ostermann: Dem kann ich folgen. Also der Raubbau an der Natur, das ist gefährlich. Ich frage mich andererseits, wie wollen Sie dann Arbeitsplätze schaffen, wenn die Wirtschaft nicht wächst?
Ibisch: Werden denn Arbeitsplätze geschaffen dadurch? Also durch die Intensivierung und Rationalisierung der Produktion kommen wir natürlich letztendlich zur Verteuerung von Arbeitsplätzen und letztlich damit zum Wegfall von Arbeitsplätzen, weil die woandershin verlagert werden, wo es günstiger ist. Also führt Wachstum durch technologischen Fortschritt irgendwie zum Abschaffen von Arbeitsplätzen und gleichzeitig aber natürlich durch die erhöhten Energie- und Stoffflüsse zu Schäden, zu Problemen in dem Erdökosystem. Und das ist zunächst mal vielleicht eine zentrale Feststellung, das klingt so trivial, wir reden darüber auch seit Jahrzehnten im Grunde. Die Ökologen tun das, nur die Ökonomen glauben eigentlich immer noch oder wollen uns Glauben machen, dass das Ganze entkoppelt sei, dass wir also im Grunde Wirtschaft betreiben können, nur indem wir die Faktoren Arbeit und Kapital betrachten und nicht etwa Land oder Ökosystem.
Ostermann: Herr Ibisch, damit haben Sie mir aber noch nicht erklärt, wie Sie möglicherweise zukünftig Arbeitsplätze schaffen wollen.
Ibisch: Arbeitsplätze, tja, das ist wie gesagt der Punkt, entstehen gegebenenfalls dadurch, dass nicht immerzu beschleunigt die Wirtschaftsleistung, sondern ja, im Grunde gibt es dazu Ansätze von Ökonomen, die der Richtung der ökologischen Ökonomie folgen, und da ist natürlich die Formel: Weniger ist mehr. Das Problem ist vollkommen klar, dass eine Verringerung des Wirtschaftswachstums bedeutet, dass für die Menschen weniger Konsum dabei rauskommt, letztlich Verzicht auf Dinge, die uns lieb werden, Verzicht auf Dinge, an die wir uns auch ganz schnell gewöhnen, die uns einfach der technologische Fortschritt bereitet.
Das ist natürlich das Problem, dass wenn wir wirklich auf die Grenzen des Wachstums achten und uns klar machen, dass wir in einem Ökosystem arbeiten, in dem Stoff- und Energieumsatz nicht beliebig erhöht werden kann, dass wir irgendwann nicht immer mehr Spaß haben können. Und das ist vielleicht auch geradezu ein Problem derzeitig in der Politik. Nehmen wir das Beispiel Klimaschutz, sehr aktuell, dass Politiker uns Glauben machen wollen, dass wir Klimaschutz betreiben können und dabei aber noch viel Spaß haben können. Und das ist sicherlich eine unbequeme Wahrheit, dass das eigentlich nicht geht. Ist natürlich für einen Politiker schwierig dann zu vermitteln.
Ostermann: Sie fordern eine ökologische Radikalität und haben ja durch Kopenhagen auch beobachten können, dass die Staaten zu sehr wenig auf diesem Gebiet bereit sind. Aber das heißt doch im Umkehrschluss auch für jemanden, der uns zuhört und händeringend nach einem Job sucht, dass wir uns möglicherweise auf ich sag jetzt mal rund fünf Millionen Arbeitslose in Deutschland einstellen müssen. Ist das auch eine bittere Wahrheit, an die Sie denken?
Ibisch: Es ist eine Frage, wie sehr der Staat seine Ressourcen nutzt, um zu verteilen und tatsächlich eine soziale Marktwirtschaft zu betreiben. Und sicherlich, es ist gegebenenfalls so, dass wir nicht immerzu mit Steigerung von Einkommen rechnen können, sondern dass es wirklich um eine Umverteilung geht, damit eine große Masse von Menschen in Lohn und Arbeit sein kann, während wir nicht Stoff- und Energieumsatz unseres Systems erhöhen.
Ostermann: Auf Wachstum zu verzichten, heißt das nicht aber auch in letzter Konsequenz, die reichen Länder bleiben reich, die armen arm?
Ibisch: Man ist geneigt zu sagen, ja, das ist so, nur wenn wir – Sie haben Kopenhagen gerade angesprochen, das ist so, so einen Blick hat uns diese Konferenz erlaubt in eine Zeit, die da aufzieht, wo sozusagen Auseinandersetzungen um Ressourcenverbrauch, Verschmutzungsrechte und letztlich auch Wachstumsrechte da zu politischem Stillstand führen, zunächst mal das. Letztlich sehen wir etwas aufziehen, gegebenenfalls eine Zeit, in der Wirtschaftswachstum regelrecht eine neue Waffe ist in einem neuen Rüstungswettlauf sozusagen. Und wir sehen natürlich schon die starken Schwellenländer gegebenenfalls besser gerüstet für kommende Zeiten. Die Arbeitsplätze wandern in diese Schwellenländer, und insofern wird es da zu Verschiebungen kommen, die leider auch es uns nicht erleichtern, global Lösungen zu finden zur Begrenzung des Wachstums. Das ist die Tragik dabei.
Ostermann: Professor Pierre Ibisch von der Fachhochschule Eberswalde. Herr Ibisch, danke Ihnen für das Gespräch!
Ibisch: Danke schön!