Warum wir Licht brauchen - und welches
Licht kann krank, Licht kann aber auch gesund machen. Es kann die Laune heben oder Depressionen verstärken - nicht umsonst spricht man vom Winterblues. Bis zu 100.000 Lux bekommt der Körper im Sommer bei blauem Himmel an einem Tag - im Winter bei bedecktem Himmel nur einen Bruchteil dessen. Welche Wirkung hat Licht auf die Hormonsteuerung? Welche Bedeutung haben Tageslicht und Kunstlicht? Elmar Krämer beleuchtet Methoden, die die Gesundheit fördern sollen.
"Wo immer sie heute künstliche Beleuchtung haben, nehmen sie Einfluss nicht nur auf das Wohlempfinden, sondern auf das Funktionieren des gesamten Körpers, damit auf seine Leistungsfähigkeit, bis hin zu seiner Gesundheit."
Dr. Dieter Kunz ist Chefarzt an der Klink für Schlaf- und Chronomedizin im St. Hedwig-Krankenhaus in Berlin. Er ist einer der führenden Experten, wenn es um die Frage geht, wie sich Tages- und auch Kunstlicht auf den Körper auswirken.
Besondere Aufmerksamkeit fürs Auge
Die Forschung schenkt derzeit dem Auge besondere Aufmerksamkeit. Dessen Aufbau und Funktion als Sinnesorgan zur Wahrnehmung und Weiterleitung von Lichtreizen und somit visueller Informationen ist lange bekannt. Über seine Stäbchen und Zapfen leitet es jedoch nicht nur, wie lange angenommen, visuelle Informationen über hell und dunkel sowie über Farben weiter. Das einfallende Licht wirkt auch direkt auf die Hormonsteuerung des Körpers.
"Vor zwanzig Jahren hat man festgestellt, dass es da noch ein Fotopigment gibt, dem man dann später den Namen Melanopsin gegeben hat und das reagiert auf Licht auf dem sichtbaren blauen Spektrum. Und dieses Melanopsin projiziert dann erstens zur inneren Uhr und teilt der inneren, der großen Kernuhr mit, ob draußen Tag oder Nacht ist, aber es geht noch ein großes Bündel an dieser inneren Uhr vorbei und dieses Bündel geht dann in die primären Strukturen des Gehirns, so dass jede Zelle ihres Gehirns innerhalb von Sekunden weiß, ob’s draußen hell oder dunkel ist und das führt dazu, dass sie aktiver ist. Das kennt jeder, der morgens um zehn Uhr mal in einem dunklen Vortragsraum gewesen ist und da vor sich hin geschlafen hat, obwohl der Vortrag noch so spannend ist, und wenn er dann in der Pause nach draußen gegangen ist, war er - bums - wieder wach. Licht macht wach, akut wach!"
Licht ist der für das menschliche Auge sichtbare Teil elektromagnetischer Wellen zwischen dem ultravioletten und dem infraroten Bereich – in Wellenlängen ausgedrückt: Zwischen 380 und 780 Nanometer. Die Stärke des Lichts wird in Lux gemessen. Der Name leitet sich von der lateinischen Bezeichnung für Licht ab.
Die Stimmung ist stark abhängig vom Licht
Der Mensch fühlt sich unterschiedlich, wenn er viel bzw. wenig Licht und Licht in verschiedenen Wellenlängen abbekommt. Licht und Dunkelheit können die Stimmung im wahrsten Sinne des Wortes aufhellen oder trüben.
Bis zu 100.000 Lux wirken im Sommer bei blauem Himmel auf den Körper. Im Winter und bei bedecktem Himmel nur um die 3.500 Lux, also ein Bruchteil dessen. Noch kleiner wird die Lichtmenge, wenn man sich in Gebäuden und in künstlichem Licht aufhält.
Der Bedeutung des Lichts wird seit einigen Jahren verstärkt Beachtung geschenkt. In der Medizin und der Industrie wird geforscht und entwickelt. Ständig werden neue Produkte auf den Markt gebracht.
"Wohlbefinden für Körper und Geist – heilsam bei Winterdepression und melancholischen Gefühlszuständen."
"Energie durch Licht – Entdecken Sie Lichtwecker und Tageslichtlampen!"
"Steuern Sie Lichtintensität und Farbtemperatur ganz nach Bedarf auf Knopfdruck."
"Sonne zum Mitnehmen – Die sanften Muntermacher ..."
Seit der Entdeckung der direkten hormonellen Steuerung durch die Einwirkung von Licht ist die Industrie verstärkt daran interessiert, die Spektren ihrer Leuchtmittel genau zu kennen und entsprechend geschulte Mitarbeiter zu haben.
Dem nimmt sich z.B. die DIAL GmbH in Lüdenscheid an. 1989 als Institut der märkischen Fachhochschule gegründet, ist das "Deutsche Institut für angewandte Lichttechnik" heute auch ein Ort, an dem sich Spezialisten aus Industrie und Forschung treffen. Hier finden Seminare statt, in den Labors werden Leuchtmittel getestet und bewertet und es werden auch Beleuchtungskonzepte erstellt und umgesetzt. Vom großen Firmenstandort bis zur Pizzeria.
Jürgen Spitz ist diplomierter Innenarchitekt und mittlerweile spezialisiert auf Beleuchtungskonzepte:
"Das ist ein Bereich, in dem seitdem intensiv geforscht wird. Aus meiner Sicht noch viel zu wenig geforscht wird, aber immerhin. Man hat heute wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse und weiß mehr denn je darüber und ist dementsprechend auch viel sensibler dafür und versucht planerisch damit umzugehen."
Um die Wirkung künstlicher Leuchtmittel auf den Menschen zu steuern, muss man wissen, welche Wellenlängen von der Lichtquelle ausgehen. Aus diesem Grund lassen Hersteller ihre Produkte messtechnisch bewerten und fordern Spektraldaten an. Anhand dieser Daten können auch gesundheitliche Aspekte einer Lichtquelle eingeschätzt werden, also z.B. welche Anteile blauen Lichts vorhanden sind.
"Das blaue Licht spielt eine ganz besondere Rolle, weil diese Zellen, die wir im Auge haben, maßgeblich für blaues Licht empfindlich sind und wir wissen eben, wenn wir viel von diesem blauen Licht dem Auge verabreichen, dann wirkt sich das so aus, dass durch das Schlafhormon Melatonin verursachte Müdigkeit unterdrückt wird und wenn wir wenig blaues Licht verabreichen, wird man müder. Der Lichtplaner hat damit einen Einfluss möglicherweise auf die Chronobiologie der Menschen, die sich unter dem Licht aufhalten."
Heutzutage geht es um "biologische Lichtplanung"
Ging es eine lange Zeit bei der Lichtplanung vor allem um Helligkeit und darum, Gebäude und Gegenstände im einem positiven Licht erscheinen zu lassen, den Blick zu lenken, Stimmungen und Atmosphären zu kreieren, so geht es heute auch um die körperliche Wirkung auf den Menschen. Wer sich heute mit biologischer Lichtplanung beschäftigt, ist in jedem Fall auf dem richtigen Weg, findet der Chronomediziner Dieter Kunz.
"Wir leben in biologischer Dunkelheit. Die Intervention findet heute bereits statt. Sie findet statt in Schulen, sie findet statt in Krankenhäusern: Stellen sie sich Intensivstationen vor, die 24 Stunden mit heller Beleuchtung ausgestattet sind, und sie findet auch am Arbeitsplatzt statt. D.h. die derzeitigen Erkenntnisse, die es hier gibt, da können sie eigentlich nichts falsch machen oder nichts falscher machen, als es heute schon der Fall ist. Aber wir sind sicher weit davon entfernt, sagen zu können, was eine optimale Beleuchtung ist, sowohl morgens, als auch mittags, als auch abends."
Fest steht, dass blaues Licht sich massiv auf die Wach- und Ruhephasen des Körpers und somit auf den circadianen Rhythmus, also die zeitlich festgelegten und immer wiederkehrenden Abläufe im Organismus auswirken kann. Damit beschäftigen sich Chronobiologen und Chronomediziner überall auf der Welt. Als Geburtsstunde dieser Zweige der Wissenschaft werden die 1960er Jahre genannt und in einem Atemzug die sogenannten "Aschoffsen Bunkerversuche".
1963 begann in der oberbayrischen Klostergemeinde Andechs zwischen Ammersee und Starnberger See eine auch heute noch viel zitierte Versuchsreihe zur Erforschung der inneren Uhr des Menschen. Ein Forscherteam um den Verhaltensphysiologen Jürgen Aschoff, untersuchte die Frage, ob im Körper rhythmisch ablaufende Prozesse, wie beispielsweise die Körpertemperatur oder der Schlaf- Wach-Rhythmus, durch eine innere Uhr oder durch äußere Einflüsse gesteuert würden.
Zu diesem Zweck wurden freiwillige Testpersonen in eine Bunkeranlage geschickt. Diese lebten dort teils monatelang abgeschlossen von der Außenwelt. Es gab kein Tageslicht, keine Uhren, kein Radio, kein Fernsehen – also nichts, was einen Rückschluss auf die Tageszeit zugelassen hätte.
Die Forscher untersuchten das Verhalten der Probanden und dokumentierten beispielsweise die Zeiten ihrer Nahrungsaufnahme und die Schlaf- und Wachphasen. Das Ergebnis: Die rhythmischen Prozesse im Körper blieben erhalten, nur die Schlaf und Wachzeiten der Probanden entsprachen nicht der 24 Stunden-Rhythmik der äußeren Welt. Im Bunkerversuch schien die innere Uhr der Probanden eher im 25 Stunden-Takt zu ticken.
"Die Bunkerversuche von damals waren aber auch in Teilen falsch. Damals hat man ja herausgefunden, dass die innere Uhr auf 25 Stunden tickt, das war aber geschuldet, dass man damals davon ausgegangen ist, dass man in diesen Bunkerversuchen gar kein Licht hatte. Das stimmte aber gar nicht. Die Studenten, das waren im wesentlichen Studenten, die für ihre Examina lernten und das ganz angenehm fanden, die hatten immer noch eine Nachttischlampe, mit der sie dann auch lesen konnten. Damals ging man nur davon aus, dass dieses kleine Licht am Abend keinen Einfluss auf die innere Uhr hat, was aber falsch war. Damals wurde eigentlich erstmalig gezeigt, das weiß man nur erst heute, dass diese Abendbeleuchtung, auch kleine Abendbeleuchtung, dass die einen negativen Einfluss auf die innere Uhr hat."
Abläufe im Körper werden von inneren Uhren gesteuert
Die Forschung ist seit den Bunkerversuchen weitergegangen und man weiß heute viel präziser, welche Abläufe im Körper an inneren Uhren hängen. Längst ist bekannt, dass sich die Taktung nicht nur im Schlaf- Wachrhythmus und der Thermoregulation des Körpers spiegelt.
"Das ist so schlimm, dass jede einzelne Zelle des menschlichen Körpers einen eigenen 24 Stundenrhythmus hat. Zehn Prozent aller Gene, die beim Menschen aktiv sind, macht morgens, abends und nachts nicht das gleiche, sondern die sind alle ganz fein abgestimmt, damit jeder zu einem bestimmten Zeitpunkt das macht, was er machen soll."
Die Erkenntnis zum Beispiel, dass sich Zellen zu einem ganz bestimmten und wiederkehrenden Zeitpunkt teilen, kann in der Krebstherapie eine Rolle spielen. Man weiß, dass eine Chemotherapie nur auf sich teilende Zellen wirkt – findet man den Rhythmus dieser Zellen heraus, können Medikamente zielgerichteter und sparsamer eingesetzt und somit auch Nebenwirkungen so minimal wie möglich gehalten werden.
Bei der Therapie verschiedener Krankheiten ist das Wissen um den circadianen Rhythmus von Nutzen und auch der Einfluss des Lichts ist nicht zu unterschätzen. In Alten- und Pflegeeinrichtungen kann beispielsweise, durch entsprechende Beleuchtungskonzepte, ein deutlicher Mehrwert für das Leben der Bewohner erreicht werden.
"75 Prozent aller Menschen in deutschen Pflegeheimen haben Alzheimer und von denen über die Hälfte nächtliche Verwirrtheitszustände. Und von denen hat man vor 20 Jahren schon herausgefunden, dass durch helle Beleuchtung am Tag diese nächtlichen Verwirrtheitszustände weniger werden, d.h. hier wissen wir, es hat einen Einfluss. Allerdings scheint es nicht so einfach zu sein, wie wir uns das vor zwanzig Jahren vorgestellt haben, einfach helles, blaues Licht und das hilft – nein, so einfach ist da nicht. Heute wissen wir, dass es da sogar Überdosierungen gibt, d.h. immer heller, noch mehr blaues Licht – nein, das kann sogar zum Gegenteil führen."
Es ist ein kompliziertes Konstrukt aus verschiedenen inneren Uhren, das in unserem Körper tickt. Anscheinend funktioniert dies eine Zeitlang auch unabhängig von äußeren Einflüssen – irgendwann muss das System aber geeicht werden.
"Der übergeordnete Zeitgeber, der das Ganze synchronisiert mit der Umgebung, das ist Licht und Dunkelheit, d.h. wenn sie nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt morgens Licht und abends Dunkelheit bekommen, dann kommt dieses System aus inneren Uhren durcheinander und das ist, wie wenn sie in ein Schweizer Uhrwerk Sand reinschmeißen, dann knirscht es hier und knirscht es da und irgendwann geht die Sollbruchstelle kaputt, d.h. damit wir gut funktionieren brauchen wir Licht und Dunkelheit in einem klar vorgegebenen Rhythmus."
Das Büro des Chronomediziners ist auffallend hell
Besonders bedeutsam ist in diesem Zusammenhang die Lichtmenge, die in den Morgenstunden, vermutlich in der Zeit bis mittags aufs Auge trifft, sagt der Mediziner. Ist diese Lichtmenge groß genug, kann der Körper auch mit Irritationen direkt vor dem Schlafengehen umgehen, die zum Beispiel durch Kunstlicht aus Handy- oder Tablet-Displays entstehen, die man sich ja in der Regel recht dicht vor die Augen hält.
"Wenn Sie morgens in so einem funzeligen Licht im Büro gewesen sind, wo sie keine helle Beleuchtung haben, dann bringt Sie das helle Licht des Tablets am Abend durcheinander. Wenn Sie morgens ein sehr helles Licht bekommen haben, dann weiß der Körper, dieses Tablet hat wahrscheinlich keine besondere Bedeutung."
Das Büro des Chronomediziners im St. Hedwig-Krankenhaus in Berlin ist auffallend hell. Starke LED-Lampen beleuchten den Raum. Selbst wenn Dr. Kunz sich so oft wie möglich in den Morgenstunden unter freiem Himmel aufhält und natürlich auch mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, verlässt er sich nicht ausschließlich darauf, auf diesem Wege genug Licht abzubekommen. Versuche belegen eindrücklich den Mehrwert durch situationsentsprechendes Licht im Innenraum - auch oder gerade am Arbeitsplatz und in Schulen und Universitäten.
In mehreren Studien wurden Klassenzimmer mit biologisch optimierter Beleuchtung, d.h. stärkerer und spektral angepasster Beleuchtung ausgestattet. In den Vergleichsklassen wurde weiter unter standardisierter Schulbeleuchtung gearbeitet. Untersucht wurden die Schüler in Bezug auf die Konzentrationsfähigkeit und ihre Leistung. Die Ergebnisse waren eindeutig: Die Schüler in den optimiert beleuchteten Klassen waren aufmerksamer und besser konzentriert. Die zu lösenden Aufgaben wurden schneller und mit deutlich niedrigerer Fehlerquote erfüllt.
Mit der entsprechenden künstlichen Beleuchtung ist es möglich, eine Lichtdosis zu verabreichen, die Körper und Geist aktiviert. Das Bewusstsein dafür ist jedoch noch nicht überall vorhanden. In Schulen, Universitäten, Fabriken und Büros gibt es Handlungsbedarf. Doch natürlich stehen dem Nutzen die erheblichen Kosten für entsprechende Beleuchtungseinrichtungen gegenüber.
Was heute in Bezug auf die perfekte Innenraumbeleuchtung möglich ist, wird bei einem Rundgang durch das Deutsche Institut für angewandte Lichttechnik in Lüdenscheid deutlich. Besonders auffällig: Obwohl man sich hier mit Kunstlicht beschäftigt, Leuchtmittel untersucht und Beleuchtungskonzepte erstellt, wird offensichtlich überall wo es möglich ist, Tageslicht in das Bürogebäude gelassen: Alle Büros sind mit raumhohen Fenstern ausgestattet und liegen um einen großen Lichthof – so wirkt das Gebäude offen und freundlich und vor allem lichtdurchflutet.
Kein Zufall, sagt Lichtplaner Jürgen Spitz:
"Am wenigsten falsch kann man machen, wenn man so plant, wie es die Natur vorgesehen hat, d.h. man orientiert sich am Tageslicht. In der Evolution sind wir mit dem Tageslicht groß geworden und wir sagen: Vermutlich ist es richtig, wenn Du so planst, wie sich das Tageslicht verhält. Für uns bedeutet das, dass wir im Innenraum, wenn wir mit künstlichem Licht arbeiten, eben auch in den frühen Morgenstunden ein bläulicheres Licht planen, das eben zur Aktivierung dient, fitter macht und dann im Tagesverlauf werde ich zur Mittagszeit wieder wärmer, möglicherweise zum Nachmittag noch mal ein bisschen kühler, um noch mal einen Impuls zu geben, dass das Mittagstief kompensiert wird und dann gegen Abend, werde ich wieder etwas wärmer, d.h. ich plane eine farbdynamische Beleuchtung."
"Smart-Lighting-Technologie" im Bürogebäude
Das moderne Bürogebäude in Lüdenscheid ist mit sogenannter "Smart-Lighting-Technologie" ausgestattet. Das wird oft missverstanden als Beleuchtung, die über ein Smartphone zu steuern ist. Natürlich ist auch das möglich, aber der Sinn und Zweck ist ein anderer:
"Smart Lighting heißt, das Licht ist so, dass es sich automatisch auf die Nutzerbedürfnisse einstellt, d.h. ich betrete einen Raum, egal ob das ein Wohnraum ist oder eine Arbeitsstätte und das Licht passt sich meinem Lichtbedarf automatisch an. Das ist nämlich das clevere daran. Clever ist daran auch, wenn ich nicht mehr in dem Raum bin, geht es auch automatisch aus. Es passt sich automatisch in der richtigen Helligkeit an, d.h. wenn ich einen hohen Bedarf für Licht habe, dann habe ich viel Licht, wenn ich einen geringen Bedarf habe, geht es runter. Wenn ich am Bildschirm arbeite, erkennt es das Konzept und fährt entsprechend herunter, damit ich keine Störungen habe, d.h. rundum, das Licht stellt sich so ein, dass ich immer mich wohlfühle, perfekte Sehbedingungen habe. Ich muss nichts daran tun, dass es passiert – d.h. es geht von alleine."
Der Lichteinfall von außen kann auch durch die Verwendung von "intelligentem Glas" beeinflusst werden. Elektrochromes Glas, Thermochromes Glas, LC-Glas – auf verschiedenen technischen Wegen wird hierbei die Sicht- oder Strahlungsdurchlässigkeit z.B. von Fenstern situationsbedingt angepasst.
Draußen ist der Himmel bedeckt – ungemütlich. Beim Betreten eines der Büros geht das Licht an. Indirekte Beleuchtung lässt die Decke kalt und bläulich erstrahlen. Klar, blaues Licht soll wachmachen, soll den Körper anregen, aber der erste Eindruck vermittelt nicht das Gefühl, dass man sich in diesem Raum gern länger aufhalten möchte.
"Zurzeit haben wir hier eine einkomponentige Beleuchtung. Das ist nur diffuses Licht. Eine Flächenlichtquelle, nennt sich Himmel. Mehr haben wir nicht. Wenn sie mal rausgucken, dann sehen sie Bäume, da sehen sie diese Stützen, da sehen sie die Brücke, sie sehen keine Schatten, gar keinen - ist komplett schattenfrei. Das ist die langweiligste vorstellbare Beleuchtung. Es ist überhaupt nicht lebendig. Und wenn wir eine indirekte Beleuchtung planen, wie jetzt hier, im Innenraum, das ist das quasi das geplante schlechte Wetter."
Aus diesem Grund schalten sich Spotlights in einem viel wärmeren Spektrum hinzu, beleuchten ein Bild und bestimmte Stellen an den Wänden – wieder eine Simulation des Wetters – nur die eines schönen Tages.
"Das war eben auch spontan die erste Aussage: Was ist denn schönes Wetter? Blauer Himmel, Sonnenschein! D.h. immer der maximal mögliche Kontrast zwischen einer kühlen Farbe, einer bläulich kalten und einer warm anmutenden Sonne, und deshalb müssen wir genau dieses Konzept auch in den Innenraum übersetzen und müssen eine kühl anmutende Indirektbeleuchtung machen und warm akzentuierte Beleuchtung, die praktisch für die Sonne steht. Das sind quasi unsere Sonnenstrahlen, unsere künstlich geplanten Sonnenstrahlen."
Und schon verändert sich der Eindruck des Büros gravierend. War es eben noch kalt und ein Ort, an dem man sich ungern länger aufhalten mochte, wirkt es jetzt hell, freundlich und einladend. So kann durch die Lichtgestaltung eine Arbeitsatmosphäre geschaffen werden, die zum einen direkt auf den Körper wirkt und zum anderen ein wohliges Gefühl macht, weil es dem entspricht, was wir als gutes Wetter bezeichnen würden.
Das Licht verändert sich im Laufe des Tages
Das Licht verändert sich in der Natur im Laufe des Tages und es wirkt auch in Abhängigkeit von der Tageszeit unterschiedlich:
"Zum Beispiel im Badezimmer, da haben wir alle das hellste Licht, warum? Weil die einen ihre Bartstoppeln suchen und die anderen sich schminken wollen. Dafür braucht man sehr helles Licht und niemand hat drei verschiedene Lichtszenarien im Badezimmer, d.h. wenn sie morgens dieses helle Licht haben, haben sie das abends beim Zähneputzen auch. Allerdings ist es schon so, dass jeder von uns doch auch die Erfahrung gemacht hat: Abends kalt-weiße Energiesparlampen – das ist aber ein unangenehmes Licht, und diesem 'unangenehm', dem würde ich unbedingt folgen, weil da steckt immer Biologie hinter. Das heißt, wenn Sie den Eindruck haben, das ist jetzt ein unangenehmes Licht – egal was auf der Verpackung draufsteht - machen sie es aus. Die Beleuchtung, die Sie abends sehr unangenehm finden, machen Sie die gleiche Beleuchtung mal morgens an, Sie werden ganz überrascht sein, das heißt Licht wirkt morgens, mittags, abends und nachts völlig unterschiedlich aufs Auge."
Um der unterschiedlichen Lichtwirkung zu unterschiedlichen Zeiten und der Wirkung auf den Organismus zu begegnen, entwickelten Forscher im Labor des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart den sogenannten "virtual sky" – einen virtuellen Himmel.
Der "virtual sky" ist eine Art riesiges Display, das die komplette Decke eines Raumes füllen kann. Dieses Display simuliert den natürlichen Himmel mit allem, was in Bezug auf die Lichtverhältnisse an einem Tag dazu gehört – Regen simuliert er natürlich nicht, bewölkten Himmel aber sehr wohl.
Von blauem Himmel mit Sonnenschein, bis zu dicken Wolken und eher grauem Himmel, von dem hellblauen Licht des Morgens, bis zur Abenddämmerung, kann so all das nachempfunden werden, was die Natur vormacht. Der Mensch soll sich auf diesem Wege auch in fensterlosen Räumen fühlen können wie unter freiem Himmel und der Organismus soll sich entsprechend anpassen.
Über die Software dieses künstlichen Himmels können ganz gezielt unterschiedliche Farbspektren und Helligkeiten aufgerufen werden, die auch in unterschiedlichen Arbeitssituationen von Vorteil sein sollen. Der Prototyp des "virtual sky" erstreckt sich im Fraunhofer Institut in Stuttgart über eine Fläche von 34 qm und besteht aus insgesamt 34.560 LED mit vier verschiedenen Grundfarben. Dadurch lassen sich über 16 Millionen Farben darstellen.
Das Angebot an Lampen und Leuchten wird unübersichtlich
Das Angebot an Lampen und Leuchten für die verschiedenen Anwendungsbereiche wird derzeit zusehends größer und unübersichtlicher. Leuchtete die gute alte Glühbirne noch in allen Spektralfarmen, allerdings mit hohem Energieverbrauch, wurde das durch die sog. Energiesparlampen reduziert.
Ebenso ist es bei den LEDs sowie den organischen LEDs, an denen gerade geforscht wird. Diese verbrauchen zwar deutlich weniger Energie, liefern aber nicht die volle Bandbreite an Licht, auch wenn es Modelle gibt, bei denen sich die Farbtemperatur und die Beleuchtungsstärke gezielt ansteuern und verändern lassen. Für den Chronomediziner Dieter Kunz ist klar:
"Das wird eine der Aufgaben für die Beleuchtungsindustrie der nächsten Jahre sein, nicht nur Bandenspektren mit zum Beispiel hohem Blauanteil zu liefern, sondern vollspektrales Licht, so wie es uns die Sonne vorgibt."
Die Sonne ist zum einen die "Referenzleuchte", zum anderen wird aber immer wieder vor ihrer Strahlung gewarnt, denn diese wirkt nicht nur über das Auge, sondern natürlich auch über die Haut. Einig sind sich Forschung und Medizin in einem Punkt – wie Professor Jörg Spitz sagt. Der Nuklear- Ernährungs- und Präventionsmediziner aus Wiesbaden gilt als Experte auf dem Gebiet der Gesundheitsprävention.
"Die alte medizinische Aussage stimmt auch hier: Die Dosis macht das Gift, wenn sie sich einen Sonnenbrand holen, ist das nicht gut, das kann Folgen haben."
In diversen Studien wird der Aufenthalt in der Sonne empfohlen, solange es nicht zum Sonnenbrand kommt. Denn die Sonne sorgt auch für die Bildung von Vitamin D im Körper. Dieses wird u.a. zur Steuerung zellulärer Vorgänge und zum Knochenerhalt dringend benötigt. Außerdem soll es eine schützende Wirkung auf das Immunsystem haben. Untersuchungen wie die des Robert-Koch-Instituts ergeben jedoch bei einem Großteil der deutschen Bevölkerung, nicht nur in den Wintermonaten, unzureichende Vitamin D-Werte.
Um die 50 ng/ml Vitamin D im Blut gelten als optimal, auch wenn immer wieder unterschiedliche Werte genannt werden. Viele Deutsche haben einen Wert von unter 30 ng/ml. Dem könnte durch genug Zeit an der frischen Luft bzw. in der Sonne etwas entgegengesetzt werden.
Unterschiedliche Studien gehen davon aus, dass bis zu 90 Prozent der Bevölkerung auf Grund unserer Lebensweise einen Vitamin D Mangel haben. Viele Menschen halten sich fast ausschließlich in Gebäuden oder Fahrzeugen auf und nutzen im Sommer bei jedem Aufenthalt unter freiem Himmel sofort Sonnencreme u.ä. Nur Babys im ersten Lebensjahr zeigen keinen Mangel – ihnen wird zur Rachitis Prophylaxe Vitamin D als Nahrungsergänzung verabreicht. Jörg Spitz:
"Nur die Kleinstkinder die in Wickeln gewindelt überhaupt keine Sonne bekommen, die haben einen normalen Spiegel, weil die seit 50 Jahren, seit dem Zweiten Weltkrieg, mit Vitamin D supplementiert werden. Aber nur die Kleinstkinder. Sobald die laufen können heißt es, ja, nun spielen die draußen, nun brauchen die kein Vitamin D mehr und setzen das ab. Und dann sind die Studien eindeutig, fällt Vitamin D im zweiten Lebensjahr ab und dann ist es erniedrigt, wie bei allen anderen in dieser Republik auch."
Die Bildung von Vitamin D setzt nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen ein und ist abhängig vom Breitengrad, der Tages- und Jahreszeit, dem Wetter und der Fläche an unbedeckter Haut, die die Sonne erreicht. Und natürlich ist sie auch abhängig vom Hauttyp. Entscheidend ist, wie viel UVB-Strahlung auf die Haut trifft.
"Egal zu welcher Jahreszeit: Sobald Ihr Schatten länger ist, als Sie groß sind, physikalisch gesprochen, sobald die Sonne niedriger steht, als 45° am Horizont, dann wird die UVB-Strahlung von der Atmosphäre absorbiert, und das ist im Hochsommer bei uns bis 11 Uhr der Fall und ab zwei, drei Uhr wieder. UVB ist also relativ schwach auf der Brust und wird absorbiert und dann kommt nichts an. Und dann können Sie sich so lange in die Sonne setzten, wie sie wollen, können sich mit UVA, der härteren Strahlung, auch durchaus noch einen Sonnenbrand holen, aber sie machen kein Vitamin D mehr."
Tageslicht immer den Vorzug geben
Vitamin D wird vor allem dann gebildet, wenn die Haut ohne Sonnencreme beschienen wird. Deshalb ist es unabdingbar, sich nicht zu lange der direkten Strahlung auszusetzen, um Sonnenbrand zu vermeiden und nicht das Hautkrebsrisiko zu erhöhen.
"Wenn sie ein typisches bleiches Nordlicht sind, dann reichen bei der kräftigen Sonneneinstrahlung 15 bis 20 Minuten aus, dann haben sie 15-20.000 Einheiten gemacht, in einem Ratsch."
Das entspricht der Menge an Vitamin D, die der Körper am Tag bilden kann. Was aber tun, wenn es Winter wird und die Sonneneinstrahlung nicht mehr zur Vitamin D-Bildung ausreicht?
Es ist möglich, Vitamin D in Tablettenform zu sich zu nehmen. Das empfehlen viele Experten bei einem Mangel, der im Bluttest festgestellt werden kann. Aber ist es auch möglich, mit entsprechender künstlicher Beleuchtung die Vitamin D-Produktion in Gang zu setzen?
"Wenn sie ein Kunstlicht haben und eine Vollspektrumlampe z.B. nehmen, da ist auch UV-B dabei, dann funktioniert das."
Da sind sie wieder, die Fragen nach Lichtstärke und Wellenlängen und das Problem, dass der Mensch durch Lebenswandel und Technik oft seinen evolutionären Grundlagen entgegenwirkt und sich dadurch neue Herausforderungen ergeben.
"Das wird eine der Aufgaben für die Beleuchtungsindustrie der nächsten Jahre sein, vollspektrales Licht zu liefern, so wie es uns die Sonne vorgibt."
Und mindestens bis dahin sind sich Mediziner, Forscher und Lichtplaner einig:
"Ich würde auch jedem empfehlen, wenn es geht, dann sollte er dem Tageslicht immer den Vorzug geben und wenn er die Möglichkeit hat, in der Mittagspause, dann rausgehen – es gibt nichts besseres für die Gesundheit, als Tageslicht mitbekommen."
(Wiederholung vom 27.10.2016)