Zur Absage der Veranstaltung mit der Biologin Marie-Luise Vollbrecht äußerte sich auch die Wissenschaftsjournalistin Christine Westerhaus. Sie halte die Entscheidung der Humboldt-Universität für falsch, sagte Westerhaus in der Sendung „Fazit“ . Der Vortrag sei nicht von Ideologie geprägt – und enthalte auch keine transfeindlichen Aussagen.
Kritik an Humboldt-Universität
Der umstrittene Vortrag der Biologin Marie Vollbrecht über Zweigeschlechtigkeit bei der Langen Nacht der Wissenschaft sorgte für Protest. Die Universitätsleitung sagte ihn vor dem Termin ab. © picture alliance/dpa | Christophe Gateau
Streit über Wissenschaftsfreiheit
06:09 Minuten
Verwundert zeigt sich der "Spiegel"-Journalist Stefan Kuzmany über die Einladungspolitik der Berliner Humboldt-Universität. Dort sorgt die Absage des Vortrags einer Biologin zur Zweigeschlechtigkeit für eine Kontroverse über Wissenschaftsfreiheit.
Die Humboldt-Universität hat ihre Entscheidung verteidigt, eine Veranstaltung mit der Biologin Marie-Luise Vollbrecht bei der Nacht der Wissenschaften am Samstag abzusagen. Sie führte zur Begründung Sicherheitsbedenken an.
Proteste führten zu Absage
Gegen Vollbrechts Vortrag über "Geschlecht ist nicht (Ge)schlecht, Sex, Gender und warum es in der Biologie zwei Geschlechter gibt" hatten zuvor mehrere Studierendengruppen Proteste angemeldet. Die Biologin versucht, darin darzulegen, dass es in der Biologie nur zwei Geschlechter gebe.
Der "Arbeitskreis kritischer Jurist*innen" bezeichnete Vollbrechts Thesen dagegen als unwissenschaftlich, menschenverachtend sowie queer- und transfeindlich, wie es in einer Mitteilung der Gruppierung hieß. Die Proteste gegen den Auftritt der Biologin entzündeten sich auch daran, dass sie zu den Autoren eines umstrittenen Gastbeitrags in der Zeitung „Welt“ zählte, der anhand dokumentierter Beispiele eine angeblich einseitige Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur Trans-Thematik kritisiert hatte. Vollbrechts Vortrag war für interessierte Zuhörer später auf YouTube zu sehen.
Parallelen zu den USA
"Das ist alles eine Kopie dessen, was wir schon länger in den USA erleben", sagt dazu der "Spiegel"-Redakteur Stefan Kuzmany." Auch genau das, was sich da in der Uni abspielt." In den USA gehe das bereits so weit, dass es rechte Aktivisten gebe, die schon mit dem Ziel, solche Proteste hervorzurufen, ihr Erscheinen ankündigten.
"Das möchte ich in dem Fall bei der Humboldt Uni in Berlin und der Biologin nicht unterstellen."
Kritik an der Unileitung
Für ihn sei die große Frage die nach der Einladungspolitik der Humboldt-Universität, sagt Kuzmany. "Wenn ich alle Sinne beisammen habe als Universität, dann kenne ich doch die Debattenlage so gut, dass ich weiß, dass die Frage nach Zweigeschlechtlichkeit oder Mehrgeschlechtlichkeit eine sehr kontrovers geführte, sehr emotional geführte Debatte ist."
Kuzmany verweist darauf, dass der Vortrag ja im Internet zu sehen sei und im Rahmen einer Diskussion auch an der Universität noch einmal gehalten werden solle. "Es ist ja nicht so, dass etwas nicht das Licht der Welt erblicken würde", so der Journalist. Als er sich das Video angesehen habe, sei er bereits bei 50.000 Aufrufen gewesen.
"So viele Leute wären wahrscheinlich nicht gekommen in die Lange Nacht der Wissenschaften in Berlin."
Verengte Sichtweise der Biologin
Für ihn habe sich der Vortrag eher harmlos angehört, so Kuzmany. Vollbrecht habe halt eine sehr verengte Sichtweise auf Anemonen und genetisches Material. Das habe aber wenig damit zu tun, dass es doch Menschen gebe, die sich nicht diesen binären Geschlechtssystemen zuordnen lassen könnten oder wollten.
Mahnung zur Wissenschaftsfreiheit
Bundesbildungs- und Wissenschaftsministerin Bettina Stark-Watzinger kritisierte die Humboldt-Universität nach der Absage des Vortrags. "Es darf nicht in der Hand von Aktivisten liegen, welche Positionen gehört werden dürfen und welche nicht", sagte die FDP-Politikerin der "Bild"-Zeitung. "Wissenschaft lebt von Freiheit und Debatte. Das müssen alle aushalten".
An der Humboldt-Universität gab es bereits mehrere Fälle, in denen sich die Universitätsleitung den Vorwurf gefallen lassen musste, sie verteidige die Wissenschaftsfreiheit nicht ausreichend. Dabei ging es um die prominenten Historiker Herfried Münkler und Jörg Baberowski.
(gem)