Wie umweltfreundlich ist Bioplastik wirklich?
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Im Kampf gegen den Plastikmüll setzt die Verpackungsindustrie auf biologische Kunststoffe. Am Ende landen die Materialien oft im Biomüll. Doch was angeblich verrottet, muss in der Kompostierungsanlage wieder mühsam aussortiert werden.
Friederike Brinker steht in der Halle der Kompostierung Nord in Bremen und deutet auf einen Müllberg. "Hier sehen sie, was bei uns so ankommt", sagt die Geschäftsführerin der Anlage. Mülltüten, Eisbehälter, Waschmittelflaschen und Blumentöpfe sind zu sehen.
Der Berg sieht aus wie der Inhalt eines gelben Sacks, doch der Geruch passt nicht zum Inhalt: In der Halle riecht es so, als stünde man mitten in einer Biotonne – deren Inhalt landet hier im Norden der Hansestadt. Im Schnitt seien acht bis zehn Prozent im Biomüll sogenannte Fehlwürfe, sagt Brinker. Also Müll, der nicht in die Biotonne gehört: Vom Feuerwerkskörper zum Grabgesteck mit Kerzen sei alles dabei.
Grabgestecke im Biomüll
Auf einer der vielen Plastiktüten im Bio-Müllberg sind kleine grüne Keimlinge abgebildet. Eine Tüte aus Bioplastik, der angeblich im Kompost verrottet. Für Brinker ist diese Tüte aber genauso ein Ärgernis, wie alle anderen Plastikabfälle im Biomüll. Man könne die verschiedenen Plastiksorten nicht auseinanderhalten. "Wir stellen aber ein sortenreines Endprodukt her und müssen jegliche Kunststoffe aussortieren."
Zwar gebe es Stoffe, die auf der Basis von nachwachsenden Rohstoffen tatsächlich abbaubar seien. "Aber es ist nirgendwo definiert, über welchen Zeitraum", so die Geschäftsführerin der Anlage. Selbst wenn das biologisch abbaubare Plastik den gesamten Prozess der Kompostieranlage durchlaufen würde – am Ende sei es sehr wahrscheinlich, dass sich Plastik im Kompost befindet. Sechs Monate dauert es, bis es soweit ist. Davor wird in vielen Schritten gesiebt, geschnitten und aussortiert.
Plastik aus Zuckerrohr verrottet nicht
Wenn also jede Sorte Plastik entfernt wird, ist Biokunststoff dann vollkommener Unsinn? Nein, sagt Materialwissenschaftlerin Andrea Siebert-Raths von der Hochschule Hannover. Zuerst müsse man unterscheiden, was mit "Bio" eigentlich gemeint sei. "Die biologische Abbaubarkeit ist nicht gleichzusetzen mit der Basis des Kunststoffs." Es gebe Biokunststoffe aus Mais oder Algen, die ebenso verrotten wie bestimmte Plastiksorten aus Erdöl. Doch es gebe auch Plastik auf der Basis von Zuckerrohr, das als Bio gekennzeichnet wird. Abbaubar ist es trotzdem nicht.
Der Verbraucher kann also kaum erkennen, was "Bio" im Zusammenhang mit Kunststoff bedeutet. Doch für die Materialwissenschaftlerin geht es ohnehin weniger um die Frage, ob ein Produkt biologisch abbaubar ist oder nicht. Entscheidend sei die Kreislaufwirtschaft: "Also, dass wir wirklich Sorge tragen, dass man den Müll einer Wiederverwertung zuführt – unabhängig davon, wo der Kunststoff herkommt." Denn biologisch abbaubares Plastik, das keinem Recycling zugeführt wird, habe nichts mit Nachhaltigkeit zutun.
Auch deshalb, weil selbst Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen nicht in jeder Umgebung verrotten. Wenn eine Bio-Plastiktüte etwa im Meer landet, dann wird sie dort nicht zerfallen und ist genauso problematisch wie jede andere Plastiktüte auch. Dennoch sei es wichtig, die biologischen Kunststoffe zu entwickeln und zu nutzen, erklärt Siebert Raths. "Damit können wir uns unabhängiger machen von der Rohstoffquelle Erdöl, die endlich ist."
EU schreibt höhere Recyclingquoten vor
Für den weiteren Gebrauch von Plastik sei es aber egal aus welcher Basis es besteht, denn einmal in Umlauf sei jeder Kunststoff ein Wertstoff – vergleichbar mit Einweg und Mehrweg. "Es sind beides Kunststoffe, aber wenn sie ein Ding nur einmal benutzen und danach verbrennen, redet man nicht von einem Stoffkreislauf."
Die Frage nach dem Recycling treibe die ganze Branche derzeit um. Schließlich geben Richtlinien der EU vor, die Quote in den kommenden Jahren von 30 auf 100 Prozent zu erhöhen. Dafür hält es die Materialwissenschaftlerin für wichtig, den ganzen Kreislauf von Beginn an im Blick zu haben. Hier heißt das Stichwort: Ecodesign.
Müllverbrennung statt Kompost
Ein Beispiel seien Joghurtbecher. Die Industrie habe eine Kunststoffart für den Inhalt genommen und zur Stabilität eine Banderole darum geklebt. "Das heißt, ich habe Papier und Plastik und nichts weiter", so Siebert-Raths. Für das Recycling sei das optimal, wenn die einzelnen Rohstoffe nicht untrennbar miteinander verbunden seien.
In der Kompostierungsanlage zeigt Friederike Brinker derweil auf zwei meterhohe braun-schwarze Müllberge: "Dieses Material wird bei uns wieder aufgeladen und in die Verbrennung gefahren."
Hätten die Verbraucher richtig getrennt, könnte dieser Müll vielleicht recycelt werden. Selbst wenn die Möglichkeiten zur Wiederverwertung in den nächsten Jahren steigen, in einem sind sich beide Expertinnen einig: Die beste Lösung die Umwelt vor Plastik zu schützen ist es, möglichst wenig zu benutzen. Egal ob Bio auf der Tüte steht oder nicht.
(mma/thg)