Wo Klima- und Artenschutz zusammengehen
06:23 Minuten
Bienen und anderen Insekten einen Lebensraum bieten und gleichzeitig Solarstrom gewinnen: Der Biotop-Solarpark in Frauendorf praktiziert die Koexistenz von Tier und Technologie - und erzeugt so elf Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr.
Jörg Schulze steht auf dem Aussichtshügel neben dem Solarpark Frauendorf und erklärt die Besonderheiten des Projekts, als zwischen den langen Reihen von Solarmodulen ein Hase hervorhoppelt: "In den letzten zwei Jahren, wo das so trocken war, wenn man sich den Park anschaut – da ist ein Reh. Nee, ein Hase, ein Hase. Ein Wildhase, lange Löffel."
Fünfzehn, zwanzig Meter läuft er auf dem zentralen Schotterweg Richtung Eingangstor, schaut sich ein bisschen um und macht wieder kehrt. Ein schöner Beweis dafür, dass hier die Koexistenz von Tieren und Technologie funktioniert.
"Ich habe auch im Park schon Rehe gesehen", sagt Schulze. "Wie die dann allerdings rein- und rauskommen, ist mir vollkommen schleierhaft, weil, die Parks sind alle umzäunt."
Um große Tiere geht es hier eigentlich nicht, sondern vielmehr um Käfer, Schmetterlinge und andere Insekten – und um deren Nahrungsgrundlage. Der 2017 errichtete Solarpark wurde von vornherein als Biotop angelegt und war damit laut der Firma Bejulo, die ihn gebaut hat, der erste seiner Art in Deutschland.
Insektensummen als stetiges Grundrauschen
In Sichtweite einer Landstraße zwischen Wald und Acker gelegen, soll die 20-Hektar-Fläche nicht nur Strom liefern, sondern auch Pflanzen und Tieren einen Lebensraum bieten, die unter der industriellen Landwirtschaft leiden. Neben dem Eingang hat die Betreiberfirma Spreegas extra einen Aussichtshügel aufschütten lassen, auf dem ein paar Schautafeln das Konzept Biotop-Solarpark erklären. Hier schon ist das Insektensummen ein stetiges Grundrauschen.
Jörg Schulze ist studierter Kraftwerksingenieur, widmet sich bei Spreegas aber seit vier Jahren der Photovoltaik. Die Firma ist eigentlich die Gas-Grundversorgerin im südlichen Brandenburg und produziert laut Schulze außer in den Biotop-Solarparks gar keinen Strom. Fünf dieser besonderen Projekte hat sie nun schon in der Gemeinde Neuhausen errichtet, zu der auch Frauendorf gehört.
"Und da freuen sich eigentlich alle Biologen und Umweltleute mittlerweile ganz, ganz tierisch darüber, weil sich da Habitate bilden, die man sonst in der freien Natur nicht hinkriegt."
Von Beginn an gab es eine auch amtlich verlangte Fachbegleitung durch eine Biologin.
"Die hat uns hier die Pflanzenwelt beigebracht. Es ist eine Freude, ihr zuzuhören. Die schärft natürlich den Blick, dass man sagt: Ein Ackerunkraut heißt ja nur Unkraut. Das ist vielleicht für die Landwirtschaft Unkraut, aber für die Tierwelt ist das extrem wichtig. Und wenn das hier ungestört wächst – und hier wachsen nur Pflanzen, die in Brandenburg gezüchtet wurden und die aus Brandenburg sind."
Früher sah es hier ganz anders aus. Vor allem Mais für Biogasanlagen sei auf der Solarparkfläche angebaut worden, pestizidintensiv, erzählt Schulze. Nun listet eine der Schautafeln auf dem Hügel Dutzende Pflanzen auf, die hier angesiedelt wurden. Demzufolge stehen zwei Handvoll von ihnen auf der Roten Liste Brandenburg, drei sind sogar von der Bundesartenschutzverordnung geschützt.
Ökologische Rücksicht statt Maximalausbeute der Fläche
Schulze schließt das Tor auf. Wir betreten den Solarpark. Gleich zu Beginn kommen wir an Bienenstöcken vorbei, die von örtlichen Imkern aufgestellt wurden. Die letzte Honigernte soll trotz der Trockenheit sehr gut gewesen sein. Für das Biotop sind zwischen den Solarmodulen und dem umgrenzenden Zaun vierzig, fünfzig Meter freigelassen worden. Zwischen den Reihen sind sechs Meter Freiraum, zum Teil gefüllt mit einer bunten Blumenmischung.
"Also der Kaufmann würde sagen: Seid ihr bescheuert? So viel Platz dazwischen, da passt ja noch eine Reihe hin."
Die Solarpaneele sind schräg montiert und beginnen in achtzig Zentimeter Höhe. Auch das ist mehr als normal. Unter den Anlagen soll nämlich gemäht werden können. Das Mähen ist nötig, damit nicht Gräser die für die Vielfalt nötigen Kräuter überwachsen. Bis in rund drei Meter Höhe erstrecken sich die Solarmodule. Laut Schulze hat der Park zuletzt elf Millionen Kilowattstunden im Jahr erzeugt, das reicht für über 3000 Durchschnittshaushalte.
Dank gesunkener Materialkosten könnte dieser Solarpark, wenn er heute gebaut würde, mit Kosten von um die 5 Cent pro erzeugter Kilowattstunde kalkuliert werden, sagt der Ingenieur. In wirtschaftlicher wie in ökologischer Hinsicht sei der Park ein Erfolg. Schulze erzählt von einem Besuch von Biologie-Professorinnen und -Professoren:
"Dann gehen die hier so einen Meter ins Grüne – und dann sind die abgetaucht. Also im doppelten Sinne des Wortes. Die sind dann im Knien, und dann muss man die nach einer Stunde wecken aus ihrer Diskussion, weil die haben sich hier so festgebissen und sind so fasziniert von der ganzen Geschichte: Die Pflanze und die Pflanze, und das ist ja ganz toll, und dass die hier so wächst, und in der Verbreitung – also es ist eigentlich unglaublich und klingt manchmal zu schön um wahr zu sein."
Verbund von Biotop-Solarparks steigert den ökologischen Effekt
Deshalb sieht der Spreegas-Experte viel Potenzial für Biotop-Solarparks. Er plane schon weitere solcher Projekte. Eine im Dezember 2019 veröffentlichte Studie des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft erbrachte nach Analyse von 75 Solarparks, dass vor allem Vögel, Heuschrecken und Tagfalter sich verstärkt dort ansiedeln – und zwar gerade Arten, die eine vielfältige Agrarlandschaft benötigen.
Auch der Naturschutzbund sieht ein großes Potenzial: Sebastian Scholz, stellvertretender Fachbereichsleiter Naturschutz und Umweltpolitik, sagt, bei sorgfältiger Standortwahl und Ausgestaltung sei das, "eine interessante Variante, der Klima- und Artenkrise zu begegnen".
Wichtig sei dabei aber, dass in den Biotop-Solarparks tatsächlich eine Aufwertung der Flächen erfolgt. Bei vorher intensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen sei das der Fall, bei Brachflächen nicht unbedingt, denn die seien eventuell schon Lebensräume bedrohter Arten. Scholz weist darauf hin, dass eine größere Zahl solcher Projekte einen "Biotopflächenverbund" ergeben könnte, der einen besonders guten Effekt hätte.