Birdland
Von Simon Stephens
Deutschsprachige Erstaufführung
Regie: Burkhard C. Kosminski
Nationaltheater Mannheim
Vorhersehbares vom Vielschreiber
Schon wieder ein Stück des englischen Dramatikers Simon Stephens auf Deutsch: "Birdland" feierte am Nationaltheater Mannheim Premiere. Schauspiel-Intendant Burkhard C. Kosminski hat eine dramaturgische Armseligkeit im Breitwandformat inszeniert, meint unser Rezensent Michael Laages.
Simon Stephens ist so etwas wie der englische Lutz Hübner – beide Dramatiker sind unerhört produktiv mit einer Methode, die derart handfest und wasserdicht ist, dass es kaum noch darum geht, ob stärkere oder schwächere Theatertexte aus ihrer Schreibwerkstatt auf die Bühnen gelangen. "Birdland" von Simon Stephens, das Burkhard C. Kosminski sich jetzt vorgenommen hat, Schauspiel-Intendant am Nationaltheater in Mannheim, ist ein sehr schwaches.
Warum? Weil dies ein Geradeaus-Text ist. Vollkommen vorhersehbar wird er in die dramaturgische Spur gesetzt und weicht nie auch nur für einen Augenblick, eine Szene, eine gedankliche Volte lang vom vorher festgelegten Weg ab. Gleich nach der Exposition, nach wenigen Minuten also, ist völlig klar, wohin die Reise gehen wird.
Ein Psychopath, der über Leichen geht
Paul ist Popstar; und als solcher aus niedrigen Verhältnissen (wir lernen später Pauls armseligen Vater kennen) vermeintlich zu unermesslichem Reichtum aufgestiegen. Er vergöttert sich selber und das Geld, empfindet sich gar als Musterbeispiel der modernen kapitalistischen Weltordnung und schaut darum auf alles andere herab: Ein Drecksack, wie er im Buche steht. Er legt jede flach, auch die Freundin des besten Freundes und Gitarristen in Paule Popstars Band; und weil er sich obendrein für eine ehrliche Haut hält in all der megalomanen Hybris, die ihn zum Psychopathen werden lässt, droht er ihr damit, Freund Johnny davon zu erzählen – da stürzt sich die Partnerin nach dem One-Night-Stand vom Hoteldach. Das geschieht in Moskau.
Und weibliche Leichen pflastern weiter seinen Weg, seelisch zumindest - in Berlin lädt Paul ein schönes Zimmermädchen aus dem Hotel ein, ihn für eine Weile zu begleiten; in Paris verlässt sie ihn wieder. Und er vergewaltigt sie fast. Bei einem späteren Groupie (das eigentlich hinter Gitarrist Johnny her ist) geht Paul ebenfalls zur Sache – aber das Mädchen ist erst 14, und jetzt kommt die Polizei. Paule wird in den Knast gehen, wenn ihn die Plattenfirma nicht rettet – so wird er zum Musik-Sklaven des eigenen Managers, der auch immer verlässlich für die Drogen gesorgt hat.
Kein Pop-Klischee bleibt unzitiert
Ende. Kein Klischee aus der Pop-Historie bleibt unzitiert. Um Paule herum schwirren eineinhalb Dutzend Personen aus unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gefilden; aber keins dieser Echos aus dem wirklichen Leben ist mehr als ein Abziehbild. Nirgends lauert eine Überraschung, nirgends irgendetwas, das nicht wie abgekupfert wirkt aus der Klatsch-Postille. Und da Regisseur Kosminski damit auch noch die große Bühne des Theaters bespielt, kommt die dramaturgische Armseligkeit auch noch im Breitwandformat daher.
Florian Ettis Bühnenbild lässt Rätselbilder und Kinderzeichnungen auf große weiße Wände projizieren, Hans Platzgumers Musik ermöglich nicht einmal ein grobes Antik-Popmarkt-Musical. Und David Müller, der dieses ewig greinende große Kind im Popstar-Wahn spielt, ergeht sich in schlichtesten Haltungen und Positionen, körperlich und geistig. Er ist aber in jeder Hinsicht typisch für das Stück – denn es ist im Inneren vollkommen hohl. Und nichts an ihm rechtfertigt die Werbe-Poesie vom Stephens-Theater als Podium intelligenter zeitgenössischer Gesellschaftsanalyse.
Stephens hat mal wieder ein Thema abgehakt. Und weiter geht's.
"Birdland" war übrigens der Name eines ruhmreichen Jazz-Lokals in New York und erinnerte an Charlie Parker, den die Jazzwelt "Bird" nannte. Die Stars jener Zeit hatten andere Sorgen und haben auch nie viel verdient. Aber ihr Leben hatte trotzdem viel von einem Abenteuer mit Musik. Paule Popstar hat das nicht.