Birkenstock
Birkenstock sind hip © Getty Images via AFP / GONZALO MARROQUIN
Mit Hippie-Latschen auf das Börsenparkett
Einst wurden sie als spießige Gesundheitslatschen belächelt, die nur Ökos tragen, heute sieht man sie bei Stars auf Laufstegen. Der Imagewandel der Birkenstock-Sandale ist enorm. Nun plant das Unternehmen den Börsengang.
Birkenstock-Sandalen waren im Deutschland der Achtziger und Neunziger ein vertrauter Anblick - an den Füßen von Gesundheitspersonal, Lateinlehrern und bei Demos der Friedensbewegung.
Heute sind die Sandalen des ehemaligen deutschen Familienunternehmens mit dem anatomisch gefertigten Fußbett weltweit zum beliebten Lifestyle-Produkt geworden. Jährlich werden laut der "Neuen Zürcher Zeitung" über 30 Millionen Paar Schuhe produziert und in über 100 Ländern verkauft.
Letzter Beleg für das neue Image: Auch die Figur der Barbie entscheidet sich im gleichnamigen Erfolgsfilm „Barbie“ in einer symbolträchtigen Szene für Birkenstock-Sandalen statt für High Heels.
Nun plant das Unternehmen seinen Börsengang an der New Yorker Wall Street. Experten zufolge könnte die Firma mit einer Summe zwischen acht bis elf Milliarden Dollar bewertet werden.
Warum waren Birkenstock-Sandalen zuerst in den USA beliebt?
1963 kam die erste sogenannte Gymnastiksandale in Deutschland auf den Markt, die zunächst nur im Gesundheitsbereich getragen wurde. 1966 begeisterte sich die Deutschamerikanerin Margot Fraser, eine Schneiderin und Designerin, für „die seltsam aussehenden Sandalen“, die sie während eines Kuraufenthalts in Deutschland kennenlernte, wie es in einem Nachruf auf Fraser auf der Unternehmens-Webseite heißt. Ausgestattet mit einer Lizenz, vertrieb sie die Sandalen von ihrem Standort in Nordkalifornien. Bald wurden die bequemen Sandalen von der Hippie-Bewegung entdeckt.
Nord- und Südamerika sind laut Tagesschau der größte Markt mit einem Anteil von 54 Prozent im vergangenen Geschäftsjahr, gefolgt von Europa mit 36 Prozent. Das mag auch erklären, warum der Börsengang in den USA erfolgt, wo die Schule schon viel früher auch bei Hipstern als cool galten, und nicht in Deutschland, wo die Firma ihren Stammsitz hat.
Welche Rolle spielten Stars beim Imagewandel?
Seit den 90er-Jahren habe es bereits regelmäßige Kooperationen mit Luxushäusern wie Valentino, Dior oder Rick Owens gegeben, sagte die Modeexpertin Vera Klocke. Auch Stars zeigten sich mit Birkenstock-Sandalen und trugen so zum Imagewandel der Marke bei, wie Model Kate Moss in den Neunzigerjahren. Ihre Kollegin Heidi Klum wurde 2003 für ihre Kooperation mit dem Sandalenhersteller allerdings noch zerrissen, so Modeexpertin Klocke.
Die Birkenstock-Sandalen von Apple-Mitgründer Steve Jobs kamen, schon reichlich ausgelatscht, im letzten Jahr unter den Hammer und wurden für knapp 220.000 Dollar versteigert. Die US-amerikanische Schauspielerin Frances McDormand trug Birkenstock-Sandalen bei der Oscarverleihung 2019. Für die Filmkritikerin Katharina Kühn ging es dabei um mehr als nur einen Stilbruch, bei dem „aus etwas Häßlichem etwas Schönes wird“, wie es die Arte-Dokumentation „Birkenstock – Die Freiheit trägt Sandale“ dargestellt habe.
Vielmehr stelle sich die Frage, ob Frauen auf dem Roten Teppich High Heels tragen müssten – und wie es um das Schönheitsideal von Frauen generell stehe, betont Katharina Kühn. Kühn sieht den Erfolg des wenig eleganten Schuhs als Teil eines größeren Phänomens: Auch bei Clogs, Espradillos oder Havaianas gehe es eher um Bequemlichkeit als um Ästhetik - aus Sneakern seien Statussymbole geworden.
Was ist der Markenkern von Birkenstock?
Gesundheit, Bequemlichkeit, Beständigkeit, Echtheit - an diesem Markenkern halte Birkenstock fest, sagte die Modeexpertin Vera Klocke in Deutschlandfunk Kultur. Auch Selbstironie gehöre zum Image, wie bei der Kooperation mit der New York Times: „Ugly for a reason“ – auf Deutsch „Häßlich aus guten Grund“. Dadurch werde einmal mehr unterstrichen, dass es um das Gesunde gehe.
Aus ihrer Sicht sei es ebenfalls clever, die Form nicht zu verändern. Die Modelle Arizona und Boston etwa sehen seit den Siebzigerjahren gleich aus. Der Schuh, umgeben von der Aura der Hippiekultur und dem Fokus auf Gesundheit, gelte außerdem als antikapitalistisch. Der Börsengang zeige aber, dass es bei der Marke auch um Kapital gehe, sagte Klocke.
Nicht zuletzt zahlt „Made in Germany“ – die Tatsache, dass Birkenstock 95 Prozent seiner Produkte in Deutschland produziert, neben Schuhen übrigens auch Matratzen und Lattenroste - auf die Marke ein.
An welchen Standorten produziert Birkenstock?
Sitz des Unternehmens ist Linz am Rhein. Eines der Hauptwerke befindet sich in Görlitz an der polnischen Grenze. Werke befinden sich in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Sachsen. Zuletzt investierte Birkenstock knapp 110 Millionen Euro in Pasewalk in Mecklenburg-Vorpommern. In dem neuen Werk kann das Unternehmen künftig 6,4 Millionen Paar Schuhe pro Jahr herstellen.
An insgesamt 16 Standorten in Deutschland beschäftigt das Unternehmen 3.000 Mitarbeiter und ist damit nach eigenen Angaben der größte Arbeitgeber der deutschen Schuhindustrie. Weltweit sind es rund 6.200 Beschäftigte.
Worum ging es in dem Konflikt mit Amazon?
2017 beendete Birkenstock die Zusammenarbeit mit dem Online-Händler Amazon in Europa. Der Krach hatte schon lange geschwelt – in den USA hatte Birkenstock die Belieferung bereits 2016 eingestellt. Grund waren Fälschungen und Markenlogo-Klau durch Billignachbauten.
Beides ist Originalherstellern ein Gräuel: Es schmälert ihre Verkäufe und beschädigt ihr Markenimage, zum einen durch den niedrigeren Preis, aber auch, weil die Qualität nicht stimmt, was auf den Markenhersteller zurückfällt.
Mischa Ehrhardt, Michael Gessat, Agenturmaterial, tha