"Bis zum Horizont, dann links"

Von Hannelore Heider |
Zwei rüstige Senioren, dargestellt von Otto Sander und Angelika Domröse, sollen ihren Lebensabend in einem Altenheim verbringen - womit sie sich aber nicht abfinden wollen. Eine prominent besetzte, wenn auch etwas beschauliche Komödie zu einem ernsten Thema.
Als Seniorenkomödie geht Bernd Böhlichs Film an den Start - und so viel Schauspielprominenz war selten! Es scheint, dass alle, die in den letzten 50 Jahren im Osten wie Westen Deutschlands dem Kinozuschauer Freude gemacht haben, sich hier vor der Kamera versammelten, dazu Charakterdarsteller aus Andreas Dresens Filmen und Jungstars, die sich in mancher Besetzungsliste heute vor einen Otto Sander setzten. Sie alle zusammen in kurzen 92 Minuten spielen zu sehen, ist so erfreulich und vergnüglich, dass die Kritik, die der Film nun auch noch erheischt, letztlich niemandem den Kinobesuch verleiden sollte.

Alles beginnt im Seniorenheim "Abendstern", eher besser als der Durchschnitt, sauber und ordentlich geführt, aber es bleibt dabei: Es ist eine Verwahranstalt mit strengen Regeln, die den Menschen am Ende ihres Lebensweges in aller Höflichkeit die Mündigkeit abspricht. Schwester Amélie (Anna Maria Mühe) ist ein properes Weibsstück, dass die Alten fröhlich wie eine Kindertante führt. Das ficht besonders den rüstigen Eckehardt Tietgen an, der sich anders als die deutlich tuttligeren Heimbewohner nicht in sein Schicksal als abgeschobener Alter fügen will und auch schon daran denkt, sich durch Selbsttötung aus der unwürdigen Situation zu befreien. Oder die elegante Margarete Simon (Angelika Domröse), die, mitten aus dem Familienleben rausgerissen und ins Heim einweisen, zu verkümmern droht.

Der Ernst dieser Lebenslage und Stimmung ist in den ersten ruhig und realistisch inszenierten Szenen schon zu spüren, aber schließlich hatte Autor und Regisseur Bernd Böhlich doch eine Komödie im Sinn, die nicht nur die alten Filmfans durch blanke Nostalgie, sondern sicher auch junge Leute ins Kino locken will. So setzt er im Rest des Figurenensembles lieber auf komische Alte wie die Schauspielerin Fanny Dè Artong, schön gegeben von Marion van de Kamp, oder Herbert Feuersteins Ehekrüppel. Das ist vergnüglich an zu sehen, aber der rechte Pfiff fehlt doch, was besonders deutlich wird, als Herr Tietgen per Zufall eine Pistole in die Hand bekommt und beschließt, einen beschaulichen Rundflug trotz klappriger Maschine zu einer Flugzeugentführung in die Freiheit zu machen.

Die Kurzschlusshandlung hätte den Film jetzt ordentlich befeuern müssen, schließlich gibt es weder einen Plan noch irgendeine Absicherung und viele ängstliche Gemüter. Aber die ruhige Gangart wird beibehalten, die realistische Inszenierung produziert leider nur unlogische, kaum absurde Entwicklungen und das sentimental versöhnliche Ende ist einfach nur bebildert, nicht dramatisch heraus gespielt. Ein Film, der eigentlich zu viele Probleme anreißt um auch nur eines wirklich bewegend zu vertiefen, der zu viele großartige Mimen hat, um sie wirklich gewinnbringend einzusetzen, und von dem man trotzdem sagen kann: Schön, dass es ihn gibt. So jung kommen sie alle sicher nie mehr zusammen!

Deutschland 2011; Regie: Bernd Böhlich; Darsteller: Otto Sander, Angelica Domröse, Ralf Wolter, Herbert Köfer, Anna Maria Mühe, Herbert Feuerstein; Länge: 92 Minuten

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