Bischöfin Kirsten Fehrs
Bischöfin Kirsten Fehrs © imago / epd / Stephan Wallocha
Kirche muss sich einmischen
33:44 Minuten
Seit 2011 ist sie Bischöfin, nun auch stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende. Kirsten Fehrs hat schon als Jugendliche Gottesdienste gestaltet, Theologiestudium und Pfarramt waren Herzenswünsche. Dafür hat sie auch auf eine Gesangsausbildung verzichtet.
Die familiäre Diskussionskultur präge sie bis heute, sagt Kirsten Fehrs, besonders die Formel des Vaters: „Keiner soll im Zorn aufstehen“. Für die Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck „ist das eine sehr christliche Idee“.
Doch aus einem tief religiösem Hause komme sie nicht. Sechs Kinder waren sie. „Meine Geschwister haben da deutlich ihre Anfragen gehabt“, erzählt Fehrs fast diplomatisch auf die Frage, welche Rolle der Glaube in ihrer Familie gespielt habe.
Eine ihrer Schwestern ist Sabine Kunst, bis Ende 2021 die Präsidentin der Humboldt Universität, eine Naturwissenschaftlerin. „Dann Theologie zu studieren, das war schon ein sehr interessanter Diskurs.“
„Jesus Christ Superstar“ - Highlight der Jugend
Als Jugendliche habe sie sich auch mal eine Gesangsausbildung vorstellen können. In der Kirche das Musical „Jesus Christ Superstar“ von Andrew Lloyd Webber zu singen, sei bis heute „ein wirkliches Highlight in meiner Jugendzeit“, erzählt die Bischöfin. Aber sie widmete sich später doch ganz der Kirche und der Arbeit in der Seelsorge.
Aus dem einen Semester Theologie, das der Vater prognostiziert habe, wurde ein ganzes Studium. Kirsten Fehrs war danach Pastorin, seit 2011 ist sie Bischöfin, nun ist sie auch stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
In dieser Funktion und angesichts „der gesellschaftlichen Polarisierung“ sei ihr ein Ziel ganz besonders wichtig, sagt Fehrs. Der interreligiöse Dialog. Dieser solle nicht nur auf Christen, Juden und Muslime beschränkt sein, sagt sie. Religion, so die Theologin, „hat eine enorme Bindungs- und Verständigungskraft“, das müsse man nutzen.
Aber wie kann das gelingen? Konkret denke Fehrs hier an ein Beispiel aus dem Mai 2021, als der Nahostkonflikt einmal mehr eskalierte. In kürzester Zeit habe man ein Friedensgebet in Hamburg organisiert. „Das ist der Gewinn von Dialog. Der bleibt kontinuierlich“, sagt die Bischöfin und stellvertretende Ratsvorsitzende.
"Wir sind nicht die bessere Partei"
Doch wo endet die Arbeit der Kirche, wo beginnt Politik? Im November 2021 setzte sich der inzwischen verabschiedete EKD-Vorsitzende Heinrich Bedford-Strohm für die Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer ein.
Kirsten Fehrs muss an dieser Stelle nicht lange überlegen: „Kirche ist da politisch, wo die Würde von Menschen angegriffen wird." Man sei keine bessere Partei, nicht mal eine Partei und mache auch keine Parteipolitik, sagt sie. "Auf den Grundlagen unseres Glaubens machen wir deutlich: Wenn die Würde des Menschen verletzt wird, wo in einem Land oder in meiner Umgebung etwas nicht stimmt, muss man das auch ansprechen.“
Aufarbeitung des Missbrauchsskandals
Mit dem Eintritt in das Bischofsamt war die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in Ahrensburg für Fehrs eine der vorrangigen Aufgaben. Dieser Fall gilt als bisher größter Skandal dieser Art der evangelischen Kirche. Im Prozess des Aufarbeitens wurden sehr viel mehr Fälle bekannt, jahrelang hatte man sie vertuscht.
Allgemein wird die Rolle von Fehrs in diesem Prozess als positiv und lösungsorientiert bewertet. So sei es ihr zunächst darum gegangen, Kontakt zu den Opfern aufzunehmen, „um zu verstehen, was damals eigentlich passiert ist,“ erklärt die Theologin.
Zunächst habe sie darauf nur wenig Resonanz erhalten. „Dann habe ich einfach immer wieder nachgefragt und gesagt: `Wir können ohne sie nicht verstehen, was wirklich passiert ist`.“
Dabei sei es ihr nicht nur um die Frage nach dem Täter gegangen, sondern auch darum, wo der Schutz in der Kirchengemeinde nicht mehr funktioniert habe. „Zu verstehen, wie das nicht gelungen ist, ist elementar, um heute gut Prävention zu leisten", sagt Fehrs. "Das ist jetzt auch gemündet in einem Präventionsgesetz, in dem verbindlich geregelt ist, in jeder Einrichtung unserer Kirche, wie Schutzkonzepte durchgeführt werden und wie präventiv gehandelt wird.“
Kritik von den Opfern
An Kirsten Fehrs gab es aber auch Kritik. So seien die Opfer mit ihrer Form der Aufarbeitung nicht immer einverstanden gewesen.
Damit umzugehen, das sei auch eine Herausforderung, erklärt die Bischöfin nun: „Wenn sie für eine Institution stehen, die auch als Institution so viel Schuld auf sich geladen hat, ist klar, dass sie auch zu einer Projektionsfigur werden. Was mich schon trifft, ist die Unterstellung, ich hätte mich nicht ernsthaft mit den betroffenen Menschen auseinandergesetzt. Das finde ich, ist ein ungerechtfertigter Vorwurf.“
(ful)