Katholiken streiten über Ehe und Familie
Vor der Bischofssynode in Rom zum Thema Ehe und Familie streiten die Oberhirten der katholischen Weltkirche mit harten Bandagen um den rechten Weg. Konservative sehen die katholische Glaubenslehre unter Papst Franziskus in Gefahr.
Die Verteidiger klassischer Geschlechterrollen sind gut organisiert in Italien – und sie können mobilisieren. Zum so genannten Family Day im vergangenen Juni waren 350.000 Menschen gekommen. Repräsentanten rechter Parteien, katholischer Familienvereinigungen und andere Bürger protestierte gegen die geplante Verabschiedung eines Gesetzes für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. Und man sprach sich entschieden gegen die Verwässerung der klassischen Geschlechterrollen aus. Mario Adinolfi, einer der Organisatoren des "Family Day":
"Man kann unseren Kindern in den Schulen doch nicht beibringen, dass die Rolle von Mann und Frau austauschbar sei! Dagegen sprechen nicht nur biologische, sondern auch soziale und kulturelle Faktoren!"
Adinolfi und die meisten der in Rom und auch in anderen italienischen Städten demonstrierenden konservativen Katholiken fühlen sich mit ihren Ansichten nicht nur von den regierenden Linken und deren Gesetzes- und Schulbuchreform bedroht. Meist nur hinter vorgehaltener Hand kritisieren sie auch Papst Franziskus. Der erzkonservative italienische Starjournalist Giuliano Ferrara nimmt hingegen kein Blatt vor den Mund. Für ihn ist mit Papst Franziskus die katholische Glaubenslehre in Gefahr:
"Die Themen, die dieser Papst anpackt, stehen doch in Kontrast mit den Zielen der Kirche. Sicherlich, er will die Welt zum Glauben bekehren, aber dabei verkündet er doch nur genau das, was die meisten Leute gern hören wollen, und das ist sehr gefährlich. Eine Kirche, die so ihre eigentliche Identität verliert wird eine arme Kirche."
"Die Kirchen muss offener werden"
Scharfe Worte. Worte aber, die manchen Kardinälen und Bischöfen, die an der Familiensynode in Rom teilnehmen, aus dem Herzen sprechen dürften. Vor allem jenen Konservativen, die schon während des ersten Synodenteils im vergangenen Herbst bestimmte Punkte des päpstlichen Reformdrangs scharf verurteilten. Es geht vor allem um zwei Themen, die die Gemüter von Klerikalen und Laien aufwühlen: die Wiederzulassung geschiedener Wiederverheirateter zur Kommunion und ein deutliches Zugehen auf homosexuelle Menschen.
Unter den Synodalen stehen sich zwei Denkrichtungen gegenüber: auf deutscher Seite repräsentiert durch den konservativen Wortführer Glaubenspräfekt Gerhard Ludwig Müller und den eher reformorientierten Kardinal Walter Kasper. Innerhalb der Familiensynode gilt er als das Sprachrohr von Papst Franziskus.
Walter Kasper hofft, wie er hier in einem Interview mit dem italienischen Fernsehen erklärt, dass sich bei der Familiensynode letztlich die Idee einer offeneren und barmherzigen Kirche durchsetzen wird:
"Die Kirchen muss offener werden. Sie darf keine Kirche sein, die an ihren Pforten entscheidet, wer hinein darf und wer nicht. Eine Kirche, die alle aufnimmt, egal mit welchen Problemen."
Der US-amerikanische Kardinal Raymond Burke sieht das ganz anders. Burke, der an der Familiensynode nicht teilnehmen wird, steht seinem deutschen Kollegen Gerhard Ludwig Müller sehr nahe. Wie dieser hofft er, dass bei diesem zweiten Teil der Familiensynode endlich Schluss gemacht wird mit dem Diskutieren von Themen, die außerhalb der kirchlichen Doktrin stehen.
Raymund Burke:
Raymund Burke:
"Der Herr sagt es ganz deutlich, im Matthäusevangelium: ein Mann, der sich von seiner Frau trennt und sich mit einer anderen zusammentut, begeht Ehebruch. Und wer so lebt, im Ehebruch, darf die Sakramente nicht erhalten, bis diese Situation geändert wird."
Viele Synodale werden solche Hardliner-Positionen vertreten
Von einer barmherzigen Kirche, die sich geschiedenen Wiederverheirateten wie auch schwulen Menschen und Lebensgemeinschaften gegenüber öffnet, will Burke nichts wissen. Er kann das in dieser Synode nicht mehr vertreten, da der Papst ihn seines Amts als Kardinalspräfekt enthoben und auch nicht persönlich in die Synode berufen hat. Viele Synodale, vor allem aus Afrika und Asien, werden aber solche Hardliner-Positionen vertreten.
Papst Franziskus weiß das. Und deshalb hat er vor Monaten mit einer gezielten Kampagne begonnen, um Druck auf die konservativen Kräfte innerhalb des Klerus auszuüben. Teil dieser Kampagne ist die völlig überraschende Ausrufung eines außerordentlichen Heiligen Jahres, das am 8. Dezember beginnen wird und das im Zeichen einer umfassenden Barmherzigkeit für alle Menschen steht. Barmherzig soll die Kirche, so Franziskus, auch gegenüber jenen Gläubigen sein, die sich an den katholischen Gerichtshof, die Sacra Rota wenden, um eine Ehe annullieren zu lassen.
Mit einem Motu proprio, einem apostolischen Schreiben, beschleunigt der Papst dieses bis jetzt zeitaufwendige Prozedere: Nur einen Monat darf so ein Annullierungsverfahren zukünftig dauern. Auch dies sei ein Zeichen der Barmherzigkeit, meint Pio Vito Pinto, Dekan der Sacra Rota:
"Wenn der Papst erklärt, dass sich die Kirche den Armen gegenüber öffnen muss, meint er damit auch die unzähligen geschiedenen und wiederverheirateten Gläubigen, die für ihn zu den Armen gehören."
Argumentationen wie diese können die Konservativen unter den Synodalen nicht nachvollziehen. Für sie wird auf diese Weise die Doktrin der Kirche, ihr unwandelbares Glaubensfundament, in Frage gestellt.
Ihre Argumente bringen wichtige Vertreter des konservativen Flügels, darunter auch der emeritierte Erzbischof von Köln, Joachim Meisner und Robert Sarah, Präfekt für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, in einem Buch auf den Punkt, das in diesen Tagen erscheint. Unter dem Titel "Matrimonio e famiglia" Ehe und Familie, weisen diese elf Kardinäle Papst Franziskus darauf hin, dass keines der im ersten Synodalteil von den Reformern vorgetragenen Argumente mit der geltenden, unmissverständlichen und vor allem unverrückbaren Doktrin der Kirche übereinstimmt – weder in Sachen Eucharistie für geschiedene Wiederverheiratete noch beim Umgang mit homosexuellen Menschen und gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften
Am Ende der Familiensynode werden Schlussvorlagen stehen, die für den Papst nicht bindend sind. Letztlich wird Franziskus entscheiden, wie sich die Kirche zukünftig in bestimmten Fragen verhält und dies in seinem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben verkünden. Die Beratungen der Synode sind für ihn ein Stimmungsmesser, dem er aufmerksam lauschen wird. Drei Wochen lang wird nun heftig diskutiert und gestritten werden um den richtigen Weg der Kirche.