Bitcoins in Mittelamerika
Bitcoins in El Salvador: Ist das einfach nur eine gelungene PR-Aktion der Regierung, oder steckt doch mehr dahinter? © Friedemann Brenneis
El Salvador macht den Anfang
10:41 Minuten
El Salvador hat als erstes Land weltweit die Bitcoins als digitales Zahlungsmittel zusätzlich eingeführt. Jetzt pilgern Bitcoins-Fans in das lateinamerikanische Land, um zu schauen, ob das funktioniert.
„Unser Fahrer – er heißt Nixon.“ / „Nixon? Der hat den Goldstandard abgeschafft, oder?“
Natürlich sind es Anspielungen rund um das Thema Geld, die in einer Reisegruppe bestehend aus Bitcoin-Interessierten für Erheiterung sorgen. In diesem Fall die zufällige Namensgleichheit des Busfahrers, Nixon, mit dem ehemaligen US-Präsidenten, Richard Nixon. 1971, vor genau 50 Jahren, hatte dieser den Goldstandard aufgekündigt, also den direkten Bezug des Werts des US-Dollars zu real existierenden Goldreserven. Seitdem erschaffen die USA und andere Staaten Geld anhand virtueller Größen. Oder ganz einfach gesagt: Per Knopfdruck und quasi aus dem Nichts.
El Salvador, durch dessen Hauptstadt, San Salvador, der Busfahrer Nixon sein Gefährt gerade lenkt, ist von diesem geld-historisch markanten Ereignis besonders betroffen. Seit 20 Jahren ist der kleine, zentralamerikanische Staat an der Pazifikküste „dollarisiert“, hat also selbst gar keine eigene Währung mehr. Bezahlt wurde hier seitdem mit dem offiziellen Geld der USA, von deren währungspolitischen Entscheidungen man dadurch abhängig ist.
Erste Land der Welt mit Bitcoin-Währung
Bis Präsident Nayib Bukele dieses Jahr binnen kürzester Zeit Bitcoin als zusätzliches offizielles Zahlungsmittel in El Salvador einführte. Als erstes Land der Welt. Ein Schritt, der viele überraschte. Auch in der Bitcoin-Community. Denn dass das nicht-staatliche Open-Source-Geld irgendwann auch auf staatlicher Ebene eine Rolle spielen würde, davon waren viele Bitcoiner:innen überzeugt. Dass es so schnell gehen würde, hat die meisten dann aber doch überrascht.
So auch Alex von Frankenberg. Der Geschäftsführer des Hightech Gründerfonds ist Teil einer rund 40-köpfigen Bitcoin-Delegation, die zehn Tage lang El Salvador bereist und sitzt nun mit in Nixons Bus.
„Ich wollte mit der Lupe sehen, welchen Impact hat die Bitcoin-Adoption auf die Leute, auf die Unternehmen. Wird dadurch mehr gespart? Werden bessere Investitionsentscheidungen getroffen? Wird langfristiger gedacht? Und damit: Verbessert sich der Lebensstandard?“
Bitcoin verbindet
Begleitet und organisiert wird diese Reise von der salvadorianischen Botschaft in Berlin zusammen mit der dortigen Bitcoin-Community. Als diese im Sommer dieses Jahres von den salvadorianischen Bitcoin-Plänen erfuhr, haben Freerk Ohling und ein paar andere spontan so etwas wie quasi-diplomatische Beziehungen aufgenommen.
„Da haben wir einen Termin gemacht mit der Botschaft und sind einfach dahingefahren, haben den Blumenstrauß vorbeigebracht und uns eineinhalb Stunden mit der Botschafterin unterhalten. Und dann hat sie relativ spontan gesagt, dass wir auch eine Delegationsreise machen könnten, und dann haben wir gesagt, ja, gerne.“
Nun ist diese höchst bunt zusammengewürfelte Gruppe aus Informatikerinnen, Entwicklern, Ingenieurinnen, Wissenschaftlern, Medienvertreterinnen und Investoren gerade auf dem Weg ins salvadorianische Außenministerium. In den Tagen zuvor hatte die Delegation unter anderem bereits ein Vulkan-nahes Geothermiekraftwerk besucht und sich die dortigen ersten Versuche staatlichen Bitcoin-Minings erklären lassen. Nun steht der protokollarische Teil der Reise auf dem Programm.
Die Reisegruppe wird hier von der salvadorianischen Vize-Außenministerin, vom Staatssekretär für Handel und Investitionen und von der Wirtschaftsministerin empfangen. Ebenfalls eingeladen ist der deutsche Botschafter, der die Gruppe am Abend darauf informell auch noch einmal separat empfängt.
Gerahmt von der blau-weiß-blauen salvadorianischen Fahne auf der einen Seite und der schwarz-rot-goldenen auf der anderen begrüßen die offiziellen Vertreter die deutsche Delegation, die genau genommen aber gar keine deutsche Delegation ist.
Viele der Teilnehmer leben zwar in Deutschland, doch kommen einige auch aus Österreich, der Schweiz, Luxemburg und Belgien. Was sie verbindet, ist keine Nationalität – es ist einzig ihre Begeisterung für Bitcoin. Statt der deutschen müsste neben der salvadorianischen also eigentlich eine orangene Bitcoin-Fahne stehen. Allerdings würde das ja auch nicht passen, merkt Freerk an.
Irritierende Berichterstattung
„Ja, das ist eine interessante Perspektive, dass Bitcoin als dezentrales Netzphänomen auf einmal bei so einer Delegationsreise mitmacht. Wir sind natürlich keine offiziellen Vertreter aus Deutschland, für Deutschland und auch keine offiziellen Vertreter für Bitcoin. Das gibt es halt nicht.“
Doch sind das Details, an denen sich hier letztlich niemand stört. Die regierungsnahen Medien, die die Reisegruppe anfangs überall hinbegleiten und gefühlt jeden noch so kleinen Stopp am Hafen, am Strand oder auf einer Autobahnbrücke mit Fernsehberichten, Zeitungsartikeln und Posts in den sozialen Netzwerken feiern, bezeichnen sie einfach als „europäische Investoren“.
Dass dabei auch Formulierungen wie „glühende Bewunderer des Präsidenten“ auftauchen, irritiert einige in der Gruppe. Nur weil man Fan von Bitcoin sei, bedeute das schließlich nicht, dass man alle Entscheidungen des Präsidenten gutheiße. Auch Freerk sieht das mit gemischten Gefühlen.
„Der überzeugte Bitcoiner in mir findet das natürlich supertoll, dass jetzt in El Salvador Bitcoin akzeptiert wird. Auf der anderen Seite, so der überzeugte Demokrat in mir, ist da ein bisschen skeptisch, wie der Präsident schon allein in den letzten Monaten gewisse Grundrechte eingeschränkt hat.“
Dazu zählen stückweise Einschränkung der Pressefreiheit insbesondere unabhängiger Medien, das Austauschen von Richtern oder das Umgehen der in der Verfassung verankerten Amtszeitbegrenzung. Bedenkliche Entwicklungen für ein Land, dem die auch hier aktive Heinrich-Böll-Stiftung ohnehin nur schwache demokratische Strukturen zuschreibt. Ein Land, das politisch polarisiert ist. Indem der Bürgerkrieg erst 30 Jahre zurückliegt und das lange Jahre die höchste Mordrate der Welt hatte.
Warum unbedingt Bitcoin als Währung?
Eine Frage, die daher viele in der Delegation umtreibt, ist, wie das freie und offene Geldsystem Bitcoin in das Konzept dieses zunehmend autoritär ausgerichteten Staates passt. Warum keine staatliche Digitalwährung geschaffen wurde, die man viel besser kontrollieren und mit der man die Bevölkerung überwachen kann. Eine Art Social Credit System wie in China oder eine digitale Zentralbankwährung.
Stattdessen setzt das zentralamerikanische Land jedoch auf Bitcoin und auf die damit verbundene Idee von freier Software, offenem Wissensaustausch und unzensierter Kollaboration.
So halten später noch zwei der Delegationsmitglieder Gastvorlesungen an einer Universität. Simultan übersetzt und live gestreamt zu sieben weiteren Schulen des Landes. Die spanischsprachige Version des Buchs einer weiteren Bitcoinerin soll künftig sogar Teil des offiziellen Lehrplans werden.
El Salvador bleibt im Fokus der Weltöffentlichkeit
Auch Alex von Frankenberg zieht insgesamt ein positives Fazit. Er habe tatsächlich finanzielle Inklusion gesehen, ganz viel Optimismus erlebt und Hoffnung gespürt. Das zusammen bilde eine gute Grundlage für wirtschaftlichen Aufschwung und könnte einen positiven Effekt haben.
„Und wenn’s das hat und der klar transparent wird, dann werden viele, viele Länder folgen, die eben in einer ähnlichen Situation sind wie El Salvador. Und irgendwann dann auch die Industriestaaten und irgendwann haben wir Hyperbitcoinization.“
Am Ende, so scheint es, haben also beide Seiten von dieser Delegationsseite profitiert. Das kleine El Salvador bleibt im Fokus der Weltöffentlichkeit, ohne dass es dabei um negative Schlagzeilen durch Tod und Gewalt geht. Die Bitcoin-Community hingegen konnte sich ein kritisches Bild von der Umsetzung vor Ort machen und daran mitwirken, dass die eigentlichen Ideale des freien und offenen Geldes nicht korrumpiert werden.