Bitcoin-Handel in Coronazeiten

Steigt der Phoenix doch noch aus der Asche?

04:31 Minuten
Ein Radfahrer mit Mundschutz fährt an einem Bitcoin-Wechsel-Laden in Krakau vorbei.
Der Mundschutz bietet Sicherheit in der Coronakrise - die Kryptowährung Bitcoin möglicherweise auch. © picture alliance / NurPhoto / Artur Widak
Ein Kommentar von Milosz Matuschek |
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In der aktuellen Corona-Krise ist auch der Bitcoin abgestürzt. Ist die virtuelle Währung also doch kein sicherer Hafen? Im Gegenteil: Es lohnt sich gerade jetzt, die Kryptowährung näher anzusehen, meint der Journalist Milosz Matuschek.
Wir erleben wegen Corona gerade einen der größten Finanzcrashs der Geschichte – und auch Bitcoin ist von knapp 10.000 Euro im Februar auf kurzzeitig fast 4000 Euro gefallen. Derzeit sind es wieder etwas mehr als 6000 Euro. Ist Bitcoin also womöglich gar kein sicherer Hafen, wie viele Kryptofans immer glauben wollten? Gegenfrage: Was ist gerade eine sichere Anlage, abgesehen von Dosenravioli oder Toilettenpapier?
Doch ernsthaft: In akuten Krisenzeiten gibt es schlicht keine sichere Geldanlage. Jeder Vermögenswert, der auf einem Markt gehandelt wird, fällt im Wert, wenn es mehr Verkäufer als Käufer gibt. Egal ob Öl, Aktienindizes, viele Devisen: Fast alles fiel soeben, und das in historischen Dimensionen. Der Deutsche Aktienindex DAX brach in weniger als einem Monat um fast 40 Prozent ein. Das gab es noch nie. Die Gewinne der letzten sieben Jahre wurden pulverisiert.

Der Bitcoin – ein Krisengewächs

Der Bitcoin hingegen notiert – relativ entspannt – auf dem Stand von Mai 2019. Für eine immer noch relativ junge Vermögensklasse ist das mehr als respektabel, zumal Bitcoin kein Rettungsprogramm, keinen Bail-out, keine Staatshilfe in Milliardenhöhe zu erwarten hat.
Bitcoin ist ein Krisengewächs. Die dezentrale, virtuelle und stark volatile Vermögensklasse wurde im Hoch der letzten Finanzkrise 2009 geboren und war die erfolgreichste Geldanlage der letzten elf Jahre – trotz zwischenzeitlicher Crashs. Der Bitcoin sollte aber nicht als Versicherung gegen Crashs wie den aktuellen gesehen werden, sondern gegen das, was nun auf Seiten der Geldpolitik dem Crash gefolgt ist: ein weiteres Öffnen der Geldschleusen durch Zentralbanken, Anleihenankaufprogramme ungeahnten Ausmaßes und Geldgeschenken des Staates an die Bürger.
Allen sollte dabei klar sein: Der Staat kann erarbeitete Werte nur umverteilen, aber selbst keine neuen schaffen. Am Ende bezahlt der Bürger diese Krise selbst, sei es durch Steuern oder eine spürbare Geldentwertung.

Bitcoins sind sicher vor staatlichem Zugriff

Bitcoin wird oft als "digitales Gold" bezeichnet. Der Schweizer Marc Bernegger, ein früher Bitcoin-Pionier, sieht noch weitere Vorteile: Man kann Bitcoin leicht teilen, leicht transportieren, extrem leicht um die Welt schicken und – dank Payment-Karten oder Apps – auch leichter damit bezahlen als mit Gold.
Der größte Vorteil von Bitcoin ist jedoch, dass dieser durch jedermann selbst sicher verwahrt werden kann und damit stets volle Kontrolle über das eigene Vermögen erlaubt. Zum Vergleich: Das auf dem Giro- oder Sparkonto liegende Geld stellt nur einen Auszahlungsanspruch gegen die Bank dar – der jederzeit eingeschränkt werden könnte. Bitcoin hingegen kann man in einem virtuellen oder physischen Schließfach verwahren und nur man selbst hat den Schlüssel dazu. Kein staatlicher Akteur kann den Zugang vereiteln oder das Bezahlen damit verhindern.

Bitcoin – die potenziell "härteste" Währung

Am Ende kann man Bitcoin nur ansatzweise verstehen, wenn man sich fragt, worin der Unterschied zu staatlichem Geld besteht. Im Grunde kann ja jeder Gegenstand, auch ein virtueller, Geld sein, denn Geld ist immer eine soziale Vereinbarung, ein gedankliches Konstrukt. Der große Unterschied zwischen staatlichem Geld und Bitcoin liegt darin, dass Geld von Geschäfts- und Zentralbanken unendlich geschöpft, also vermehrt werden – und damit abgewertet werden kann. Kein Papiergeldsystem der Geschichte hat auf die Dauer je überlebt. Währungsreformen oder Resets sind Teil des Spiels. Bitcoin hingegen wird dezentral durch den Vorgang des "Schürfens" erzeugt. Die Anzahl der Bitcoins ist durch seinen mathematischen Bauplan auf etwa 21 Millionen Stück begrenzt. Bitcoin ist damit die potenziell "härteste" Form von Geld, da es deflationärer als Gold angelegt ist. Darin liegt ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber allen staatlichen Währungen.
Bitcoin ist eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Es ist ein Angriff auf die Monopolstellung des staatlichen Geldes und damit auch eine Art persönliche Unabhängigkeitserklärung des Bürgers. Diese Unabhängigkeit hat gleichwohl ihren Preis, nämlich den der Volatilität, also der Wertschwankungen. Niemand sollte deshalb Haus und Hof in Bitcoin stecken. Aber für risikobewusste Sparer lohnt sich der Blick auf Bitcoin gerade jetzt als Beimischung im Depot, einfach schon aus Gründen der Diversifizierung der Geldanlage in unsicheren Zeiten.
Krisen sind nicht das Ende der Welt. Sie waren immer auch Katalysatoren des Neuen. Bitcoin steht für Vertrauen in Technologie, Kryptografie und Mathematik – statt in Versprechen von Politikern. Wäre das allein nicht ein Versuch wert?

Milosz Matuschek ist stellvertretender Chefredakteur des liberalen Magazins "Schweizer Monat" und NZZ-Kolumnist. Der promovierte Jurist hat mehr als fünf Jahre unter anderem Strafrecht und Menschenrechte an der Pariser Sorbonne unterrichtet und mehrere Bücher veröffentlicht. Zuletzt veröffentlichte er "Kryptopia" und "Generation Chillstand".

© Bild: Enno Kapitza
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