Bitcoins

Utopische Hoffnung auf virtuelles Geld

Bitcoin-Aufkleber auf einer Glasscheibe
In diesem Laden wird die virtuelle Währung Bitcoin akzeptiert. © Po Keung Cheung
Rezensiert von Volker Finthammer |
Die Anhänger der "Cryptocurrency" wollen eine unkorrumpierbare Währung schaffen, die nicht mehr an zentraler Stelle gehortet und von Banken verwaltet wird. Welche Konflikte und Debatten sich um Bitcoins und Co. ranken, analysieren Michael Casey und Paul Vigna.
Es wäre ungewöhnlich, wenn mit einer neuen Technologie nicht sogleich eine alte utopische Hoffnung einherginge. Auch die Diskussion um das virtuelle Geld kann sich dem nicht entziehen.
"Im Grund ermöglicht diese Technologie eine Form der sozialen Organisation, die das Potential hat, den Machteliten die Kontrolle über das Geld und die Information zu entziehen, um sie in die Hände der Menschen zu legen, in die sie gehört" (S.9)
... schreiben die Journalisten Michael Casey und Paul Vigna gleich zu Beginn des Buches.
Der Optimismus gründet sich auf die dezentrale Organisation und Verteilung der Grundbücher, also der Schuldscheine, die für jeden gleichermaßen einsehbar und immer auf dem neuesten Stand sind und nicht mehr an zentraler Stelle gehortet und im eigenen Nutzen – etwa einer Bank – verwaltet werden. Diese netzwerkbedingte Gleichheit aller Teilnehmer, lässt die Bitcoins als Chance für eine universelle Währung erscheinen.
Die beiden Autoren haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Konflikte und Debatten zu beschreiben, die sich um Bitcoins und Co. ranken. Auf den 400 Seiten wird die bislang kurze und doch schon recht wechselvolle Geschichte umfassend dargestellt.
Technisches Wettrüsten
Der interessierte Leser bekommt einen sehr guten Einblick, wie engagiert die Kryptogemeinde, also die Verschlüsselungsexperten im World Wide Web dabei ist, eine unkorrumpierbare Währung zu schaffen, die nicht mehr nur allein auf das Vertrauen in Institutionen, etwa den Banken, sondern durch ihren Algorithmus und das allgegenwärtige öffentliche Grundbuch gar nicht korrumpiert werden kann, weil die monetären Schuldverhältnisse jederzeit für alle einsehbar sind.
Doch trotz dieser überzeugenden Idee haben auch die virtuellen Münzen einen Haken, der sich für unbescholtene Nutzer schnell als Nachteil erweisen kann: Die beschränkte Rechenleistung. Dem technischen "Wettrüsten" widmen die Autoren ein eigenes Kapitel, in dem die steigende Rechenleistung und Cloud-Strategien als Erfolgsgaranten für die Schöpfung des elektronischen Geldes beschrieben werden.
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Cover Michael Casey, Paul Vigna: "Cryptocurrency"© Econ Verlag
Ende August 2014 waren beispielsweise 44 Prozent aller im Umlauf befindlichen Bitcoins nur 1528 Adressen zugeordnet mit einem umgerechneten Guthaben von jeweils über 500.000 Dollar.
"Diese Elite hat einen verhältnismäßig großen Einfluss auf die Bitcoin-Wirtschaft. Sie ist sehr daran interessiert, dass sich die Währung allgemein durchsetzt, und um die Akzeptanz von Bitcoin zu fördern, ist sie gewillt und in der Lage, Ausgaben zu machen, vor denen andere zurückschrecken würden." (S.187-188)
Eine ziemlich ernüchternde Bilanz nach nur sechs Jahren. Hatten die Autoren in den ersten Kapiteln beim Ausflug in die Währungsgeschichte immer wieder auf die doch so verwerfliche Vermachtung der Geldverhältnisse durch Banken und Institutionen hingewiesen und die Bitcoins als potentiellen Gegenentwurf gepriesen, der die Gleichheit aller Teilnehmer garantiere. Von diesem Gedanken sollte sich tunlichst verabschieden, wer von einem herrschaftsfreien Geldverkehr träumt.
Ruf nach verbindlicher Regulierung
Das Anarchisch-Unregulierte der neuen Währung, das haben findige Geschäftsleute schnell entdeckt. Drogen- und Pornohandel waren die ersten großen Dealer, die den unkonventionellen neuen Weg für sich erkannt hatten und für eine ganze Weile unentdeckt ihren Geschäften nachgehen konnten. Kein Wunder, dass die Kryptogemeinde notgedrungen nach verbindlicher – vielleicht sogar staatlicher – Regulierung ruft, um die Geldalternative nicht im anarchischen Wildwuchs untergehen zu lassen:
"Die Entscheidung kann die Bit-Community nicht alleine fällen. Die gesamte Gesellschaft ist von diesen Fragen betroffen und muss sie beantworten. (...) Wir, die Bürger, Wähler und wirtschaftlichen Akteure in der entstehenden Gesellschaft müssen entscheiden, welche Rolle diese Technologie spielen (...) soll." (S.306)
Keine Frage, die Autoren gehören trotz aller Kritik zur Bitcoin-Gemeinde und sie halten trotz aller Negativschlagzeilen, die es in den vergangenen Jahren gab, an der technologischen Währungsalternative fest. Da hilft es auch wenig, dass das bisherige Zahlungsverfahren recht beschränkt ist und beispielsweise nur sieben Transaktionen pro Sekunde zulässt, so dass man letztlich nur von einem Nischenprodukt sprechen kann.
Selbst bei optimistischer Betrachtung sind derzeit nicht mehr als zwölf Millionen mit Bitcoins gefüllte elektronische Geldbörsen unterwegs, die von 100.000 Händlern weltweit akzeptiert werden. Bei sieben Milliarden Menschen und allein 23 Millionen Unternehmen in den USA nicht mehr als eine Randerscheinung.
"Dennoch befindet sich Bitcoin eindeutig in der besten Ausgangslage, um sich in die Kryptowährungsplattform für das globale Transaktionssystem zu verwandeln." (S.348)
Herrschaftsfreie Währung? Das bleibt Utopie
Eine utopische Hoffnung, unzweifelhaft. Längst sind auch andere marktmächtige Unternehmen wie Google oder Apple mit ihren eigenen elektronischen Bezahlsystemen auf dem Weg und deren Größe wird in den kommenden Jahren einen erheblichen Einfluss auf die weitere Entwicklung haben.
Unzweifelhaft hat die Bitcoin-Initiative wichtige Grundlagen für die elektronischen Währungen gelegt, an denen künftige Modelle sich orientieren werden. Aber schon die Kinderschuhe zeigen, dass die macht- und herrschaftsfreie Währung auch im elektronischen Zeitalter eine Utopie bleiben wird. Maschinen mögen unkorrumpierbar sein. Nicht aber die Menschen, die sie bedienen und programmieren.

Michael Casey, Paul Vigna: Cryptocurrency
Wie virtuelles Geld unsere Gesellschaft verändert
Aus dem Amerikanischen von Stephan Gebauer
Econ Verlag Berlin, Februar 2015
400 Seiten, 19,99 Euro, auch als ebook

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