Bitterböse Abrechnung mit der amerikanischen Gesellschaft

Budd Schulberg ist eine lebende Hollywood-Legende und erfolgreicher Drehbuchautor. Sein Roman "Was treibt Sammy an?" spaltete 1941 die Leser und wurde ein Bestseller. Schulberg hielt hier der Gesellschaft den Spiegel vor, die er als bösartig, korrupt, betrügerisch, kriminell und krankhaft narzisstisch beschreibt. Romanheld Sammy ist ein skrupelloser Aufsteiger, der es vom Laufburschen zum Filmboss bringt.
Er ist eine lebende Legende, der amerikanische Schriftsteller Budd Schulberg, 1914 in New York geboren, besuchte er noch 2008 die Berlinale. Schulberg blickt auf ein illustres Leben zurück, ein Leben rund um den Film: 1934 war er Mitbegründer jener Autoren-Gewerkschaft, die dieses Jahr mit ihrem Streik fast die Oscar-Verleihung verhindert hätte. 1945 verhaftete er Hitlers Star-Regisseurin Leni Riefenstahl, und 1954 erhielt er den Drehbuch-Oscar für den Film "Die Faust im Nacken" mit Marlon Brando.

1941 wurde Schulberg schlagartig in den USA berühmt; sein Roman "Was treibt Sammy an?" spaltete die Nation, wurde zum Besteller und gilt heute als einer der Klassiker der amerikanischen Literatur. In Deutschland erschien das Buch erst 1993, wurde aber nicht wahrgenommen. Dank der kongenialen Neu-Übersetzung von Harry Rowohlt wird es dieser Ausgabe allerdings mit Sicherheit anders ergehen.

Ein Kritiker schrieb 1941, das sei der erbärmlichste, vulgärste, und unausgegorenste Roman, den er je gelesen habe. Der Roman polarisierte. "Was treibt Sammy an?" ist eine bitterböse Abrechnung mit der amerikanischen Gesellschaft, die Schulberg als bösartig, korrupt, betrügerisch, kriminell und krankhaft narzisstisch beschreibt, - eine Vivisektion der USA an Hand der heiligen Kuh Hollywood.

Der Leser lernt Sammy kennen, als er 17 Jahre alt und Laufbursche in einer Zeitungsredaktion ist. Sammy steigt auf, macht Karriere und wird Direktor eines großen Filmstudios in Hollywood. Das gelingt ihm, weil er ein Mensch ohne jegliche Moral ist, der grundsätzlich seine Kollegen und sein Umfeld betrügt und ausnutzt. Schulberg nennt ihn "einen kleinen Hitler". Sammy ist ein Kind der New Yorker Slums, aufgewachsen in einem Ghetto, das Resultat einer amoralischen Gesellschaft.

Was nach einem düsteren Roman klingt, entpuppt sich als unglaublich amüsanter, handwerklich meisterhafter, rasanter und komischer bzw. tragikomischer Lesespaß; schließlich hat es ein Oscar prämierter Drehbuchautor geschrieben, der weiß, wie er perfekt Pointen setzen und mit schnellen und intelligenten Dialogen und filmartigen Szenen die Handlung beschleunigen kann.

Und dann gibt es da ja auch noch den sympathischen Ich-Erzähler Al Manheim, mit dem Intelligenz, Charme, literarische Qualität und sogar auch -schließlich sind wir in Hollywood- Romantik und Liebe ins Spiel kommen:

"Wie lang wir uns der Nähe unserer Hände bewusst waren, bevor sie sich wirklich trafen, -und wie viel schwerer es dann war zu sprechen."

Den Leser erwartet "großes Kino", allerbeste Unterhaltung, ein "page-turner", ein Buch, das man verschlingt, ein Klassiker der amerikanischen Literatur. Und gleichzeitig ist "Was treibt Sammy an?" ein rabenschwarzes Portrait der Politik der USA.

Das Nachwort des Romans aus dem Jahr 1989 wirkt gespenstisch, Schulbergs Prophezeiungen apokalyptisch: amerikanische Präsidenten, die "das Loblied der amerikanischen Ratte singen". "Was treibt Sammy an?" erinnert an eine griechische Tragödie, inszeniert als Hollywood-Tragikomödie, eben eine amerikanische Tragödie.

Rezensiert von Lutz Bunk

Budd Schulberg: Was treibt Sammy an?
Übersetzt von Harry Rowohlt
Kein & Aber Verlag 2008
416 Seiten, 19.90 Euro
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