Von Sonneborn düpiert
Großes Polizeiaufgebot, Behinderungen für Messebesucher, eingeschränkte Arbeitsmöglichkeiten für Kameraleute: Der Auftritt von Björn Höcke auf der Frankfurter Buchmesse sorgte für Aufsehen. Doch letztlich konnte die Satire die öffentliche Bühne besetzen.
Mein Versuch, Björn Höcke zu sehen, scheitert an einer stillgelegten Rolltreppe. Ein kantiger Sicherheitsmann stoppt mich, beteuert aber gleichzeitig, dass einige Presseleute durchaus in den Saal dürfen, nur ich eben jetzt nicht – aus Platzgründen: "Nein, nein. Die Presse ist überhaupt nicht generell ausgeschlossen."
Später erfahre ich, dass es tatsächlich einige Kolleginnen und Kollegen in den Saal geschafft haben, in dem Björn Höcke sein neues Buch vorstellen soll. Die Arbeitsbedingungen dort sollen für Journalisten jedoch schwierig gewesen sein – so sei keine Kamera erlaubt gewesen, höre ich nach Ende der einstündigen Veranstaltung.
Sonneborn in Wehrmachtsuniform
Mein Herumstehen an der Rolltreppe hat in der Zwischenzeit schnell ein Ende. Denn in der Menschengruppe, die hier an den Absperrungen nicht weiter kommt, taucht ein großer, schlanker Mann in einer Wehrmachtsuniform auf. Die Handys werden gezückt. Es geht das Gerücht, es sei ein Stauffenberg-Darsteller, der Höcke symbolisch eine Aktentasche in den abgeriegelten Raum bringen will. Doch der Mann in der Uniform streitet ab, Stauffenberg spielen zu wollen:
"Nein, das stimmt nicht. Ich bin Martin Sonneborn. Und ich wollte Bernd Höcke treffen. Ich habe sein Buch kurz quer lesen lassen und festgestellt: Er fordert, dass die Elite Deutschlands das Volk mit harter Faust an langer Leine führen soll. Ich bin hier, um Höcke zu erklären, dass er leider nicht zur Elite des Landes gehört."
Satirischer Europawahlkampf
Doch auch Sonneborn in Uniform und mit Augenklappe kommt nicht näher an Höcke heran als ich. Deshalb beginnt er einfach schon mal, ein wenig Wahlkampf für die im kommenden Jahr anstehende Europawahl zu machen. Höcke hatte durchaus Einfluss auf die Kandidatenauswahl seiner Partei, erklärt Martin Sonneborn:
"Wir haben extra unsere EU-Liste entsprechend aufgestellt. Es gibt einen Rechtsruck in Deutschland. Wir haben AfD-Wahlergebnisse, die wir nicht mögen. Wir haben eine EU-Liste mit den Namen Sonneborn, Semsrott, Bombe, Krieg, Eichmann, Göbbels, Hess, Bormann, Keitel und – wer ist der zehnte – ach so: Stauffenberg hat nicht mitgemacht. Das sind alles echte Parteimitglieder. Leute, die für uns für die Europawahl kandidieren. Leute, deren Namen keinen guten, aber immerhin einen Klang haben in Europa."
Stimmen der Messebesucher
Die umstehenden Buchmessebesucher freuen sich sichtlich über die Theateraktion. Doch gleichzeitig finden viele, man solle Leuten wie Höcke nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken:
- "Als Messeveranstalter ist es schwierig, damit umzugehen. Man muss damit umgehen. Meiner Meinung nach ist es natürlich kein Zufall, dass er jetzt sein Buch präsentiert - pünktlich zur Buchmesse, nachdem letztes Jahr hier die Turbulenzen verursacht wurden. Jede PR ist für ihn gut."
- "Ich würde gelassen reagieren. Jeder kleine Pups von denen kommt ja in die Presse."
- "Man soll den Leuten nicht auch noch die Plattform auf dieser Messe bieten."
- "Ignorieren wäre vielleicht auch nicht das Schlechteste, aber Herr Höcke hat sich einen Namen gemacht, von daher muss man reagieren. Ich hätte ihm hier keine Plattform geboten. Hier bei der Buchmesse hat ein Björn Höcke nichts verloren."
- "Man soll den Leuten nicht auch noch die Plattform auf dieser Messe bieten."
- "Ignorieren wäre vielleicht auch nicht das Schlechteste, aber Herr Höcke hat sich einen Namen gemacht, von daher muss man reagieren. Ich hätte ihm hier keine Plattform geboten. Hier bei der Buchmesse hat ein Björn Höcke nichts verloren."
Demonstrationen vor dem Messegelände
Während in der Messehalle 4 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank Faltblätter verteilen, in denen sie über Höckes Geschichtsbild informieren, in dem der Nationalsozialismus relativiert werde, demonstrieren draußen vor dem Buchmessegelände etwa 50 Menschen friedlich mit Transparenten und Megafon:
"Wir protestieren hier gegen den Auftritt von Björn Höcke, den Vertreter des faschistischen Flügels in der AfD. Wir protestieren dagegen, dass die Buchmesse diesen Menschen, diesen Verlagen eine Möglichkeit bietet, ihre Publikationen und ihre Thesen zu vertreten. Wir finden, dass solche Publikationen und Thesen eigentlich auf einer Buchmesse nichts zu suchen haben."
Drinnen in Halle 4 ist unterdessen auch Martin Sonneborn mit seinen Satirekollegen in den Tiefen der Halle 4.1 verschwunden. Er will wohl noch die Saalecke besuchen, in der die rechten Verlage in diesem Jahr versammelt sind. Die neue Buchmessestrategie scheint aufzugehen. Höcke jedenfalls schafft es heute nicht, handfeste Konflikte auszulösen. Und Sonneborn hat ihm mit seinem Auftritt ohnehin die Schau gestohlen, finde ich, während ich mein Mikro einpacke.