Björn Kuhligk, Die Sprache von Gibraltar, Hanser-Verlag Berlin, 2016, 16 Euro.
Wie man Politik in Lyrik übersetzen kann
Derzeit könne man nicht poetisch über Bäume oder Liebe schreiben, ist der Schriftsteller Björn Kuhligk überzeugt. In seinem neuen Buch "Die Sprache von Gibraltar" widmet sich ein Langgedicht den Flüchtlingen in der spanischen Nordafrika-Exklave Melilla.
"Seit ich Gedichte schreibe, thematisiere ich immer wieder soziale Probleme, die allerdings keinen tagesaktuellen Bezug haben", sagt der Schriftsteller Björn Kuhligk im Deutschlandradio Kultur. In seinem neuen Buch "Die Sprache von Gibraltar" ist das erstmals anders. Es zeigt, wie man aktuelle Politik in Lyrik verarbeiten kann. Ein Langgedicht in diesem Buch widmet sich den Flüchtlingen in der spanischen Nordafrika-Exklave Melilla, die Kuhligk bereist hat, um sich vor Ort einen persönlichen Eindruck zu verschaffen.
Überrollt von der Entwicklung
"Ich hatte bei der Arbeit teilweise das Gefühl, das Thema und die Entwicklung überrollt mich, die rollt über dieses Gedicht drüber." Er habe deshalb große Schwierigkeiten gehabt, beim Gedicht zu bleiben und nicht jeden Tag zu schauen, was es Neues gebe und was noch eingebaut werden müsse. "Das wäre komplett ausgeufert." Das Flüchtlingsthema habe ihn schon seit zehn Jahren interessiert, sagte Kuhligk. "Durch einige Zeitungsartikel, die sich mit dieser spanischen Exklave beschäftigen, bin ich darauf aufmerksam geworden und habe gesehen, dass sich dort eigentlich alles auf engstem Raum bündelt, worüber ich schreiben möchte."
30.000 Afrikaner campieren
Dank des Internets habe er schon vor der Reise konkrete Vorstellungen gehabt. "Mir war klar, dass da ein hoher Zaun ist, mir war klar, dass in der Nähe von Melilla 30.000 Afrikaner aus den Subsahara-Regionen campieren und eigentlich auf ihre Chance warten, nach Melilla und damit auch nach Europa zu gelangen, über diesen Zaun zu klettern."
Prosa und Lyrik parallel
Angesichts der starken Eindrücke vor Ort habe er schon dort auf dem Hotelbalkon zu schreiben begonnen. Auf diese Weise ist ein Prosatext erschienen und parallel das Langgedicht. "Ich schreibe hin und wieder literarische Reportagen, das mach ich eh", sagte der Autor. Dort habe er das formulieren können, was nicht in ein Gedicht gehöre. "Ein Gedicht hat ja die Aufgabe, Dinge und auch ein Thema zusammenzuziehen und alles Überflüssige, jede überflüssige Naturbeschreibung zum Beispiel, auszuklammern und zu vermeiden." Das sei dagegen in einer Reportage möglich.