Black Sabbath auf Abschiedstour

Das Kreuz mit dem Altern

Black Sabbath-Sänger Ozzy Osbourne bei einem Konzert der Band in Budapest.
Black Sabbath-Sänger Ozzy Osbourne: Immer irrer und lustiger © picture alliance / dpa / EPA / Balazs Mohai
Jens Balzer im Gespräch mit Carsten Rochow |
Seit fast 50 Jahren stehen sie gemeinsam auf der Bühne: Ozzy Osbourne, Tommy Iommi und Geezer Butler, bekannt als Black Sabbath. Ihre Tour durch Deutschland heißt "The End" - wahrscheinlich die letzte Chance, die Rocker live zu erleben. Jens Balzer empfiehlt: unbedingt hingehen.
Carsten Rochow: Black Sabbath sind gerade auf Deutschlandtour. Bei Rock im Park haben sie am Freitag gespielt, ihr Auftritt bei Rock am Ring musste wegen der Wetterverhältnisse abgesagt werden. Am Mittwoch Abend tritt die Band in der Waldbühne in Berlin auf und es könnte tatsächlich die letzte Chance sein, Black Sabbath in Deutschland live zu erleben. Seit 1968 gibt es die Gruppe um Ozzy Osbourne, Tommy Iommi und Geezer Butler nämlich schon. Seit unglaublichen 48 Jahren stehen sie also gemeinsam auf der Bühne, wenn auch mit langen Unterbrechungen, in denen die Männer zu verfeindet waren, um zusammen zu spielen. Jetzt ist Black Sabbath noch einmal in fast vollständiger Originalbesetzung auf Tour.
Bei mir im Studio ist der Musikjournalist Jens Balzer. Hallo. Hr. Balzer, sollte man sich das morgen in der Waldbühne ansehen? Oder ist das nicht eher traurig, wenn alte Männer den Sound ihrer Jugend wiederbeleben?

Osbourne wird immer irrer und lustiger

Jens Balzer: Nein, das sollte man sich unbedingt ansehen. Wenn ich mal aus den Erfahrungen des letzten Berliner Konzerts vor genau zwei Jahren schließen darf. Das war eine wirklich großartige Show. Ozzy Osbourne scheint im Alter immer noch irrer und lustiger zu werden, und er war wenigstens damals total agil. Hüpfte in einem langen Mantel über die Bühne wie eine flatternde Fledermaus, begrüßte sein Publikum immer abwechselnd mit "God Bless You"und "Kuckuck Kuckuck"und kippte sich alle paar Minuten - das ist inzwischen so etwas wie sein Markenzeichen - literweise Wasser aus großen Blecheimern über den Kopf. Und Tommy Iommi, der Gitarrist, spielte seine Gitarre so schön, schwer, schlammig und langsam wie in den besten Tagen. Gut, viel bewegt hat er sich nicht, er leidet ja seit ein paar Jahren an Lymphdrüsenkrebs, und es war damals schon ein Wunder, dass er nochmal auf der Bühne stand. Er hat sich aber andererseits beim Gitarrespielen noch viel bewegt, insofern machte es eigentlich keinen Unterschied.
Rochow: Das sind ja nicht die einzigen Metal-Veteranen, die immer noch auf Tour sind, Iron Maiden und AC/DC sind auch gerade unterwegs, die Scorpions gebe eine Abschiedstour nach der nächsten. Ist das nicht erstaunlich?
Balzer: Ja, vor allem angesichts des Lebenswandels, den die damals pflegten. Manche mögen im Alter auch ruhiger geworden sein, jedenfalls was harte Drogen betrifft, aber andere wie Ozzy Osbourne scheinen immer noch gut dabei zu sein. Manchmal denke ich, dass diese Generation konditionsmäßig irgendwie stabiler war; wenn ich so viel reingepfiffen hätte wie Black Sabbath, wäre ich jedenfalls schon lange umgefallen. Vielleicht hatten die aber auch einfach nur Glück. Anders als, sagen wir mal, die Stooges, die sind alle tot bis auf Iggy Pop, der neulich darum mit neuer Band antreten musste. Oder die Ramones, von denen lebt auch keiner mehr.
Rochow: Genauso erstaunlich ist aber doch, dass diese Veteranenbands so viele Leute anziehen…

Die alten Helden ziehen die Fans wieder an

Balzer: Das stimmt, und das war ja auch nicht immer so. Sie hatten schon AC/DC erwähnt, die spielten vor 15, 20 Jahren nur noch in kleineren Hallen, und plötzlich dann wieder in den Stadien. Und Ozzy Osbourne war auf seinen Solotourneen auch eher ein Liebhaberthema. Ich glaube, das liegt daran, dass viele Leute, die zwischenzeitig keine Lust mehr auf diese Musik und solche Konzerte hatten, jetzt ihrerseits im Alter nochmal wieder zurück dahin kehren wollen; man weiß ja nie, ob es nicht vielleicht das letzte Mal ist, dass man die alten Helden zu sehen bekommt. Black Sabbath behaupten jedenfalls, jetzt zum allerletzten Mal auf Tournee zu sein.
Rochow: "End of the beginning" heißt einer von den beiden Titeln vom letzten Black-Sabbath-Album "13", die wir gerade gehört haben. Das Ende des Anfangs. Auch sonst geht es viel um Vergänglichkeit auf der Platte. Ist das ein Thema, das den Metal schon immer beherrscht hat? Also auch schon bevor die Musiker auf Abschiedstourneen gingen?
Balzer: Ja, aber es war natürlich zu Beginn ihrer Karrieren viel spielerischer, karikaturhafter gemeint. Black Sabbath waren ja sogar diejenigen, die das ganze Symbolinventar des Satanismus und der Metaphysik in den Metal eingeführt haben, da ging es von vornherein viel um Teufel, unheilige Messen, um schwarzen Sabbat - der hat der Band ja sogar ihren Namen gegeben. Aber es war zumindest bei denen immer klar, dass es sich eigentlich um einen großen Witz handelt. Erst im Alter, gerade auf diesem Album "13", ist die Auseinandersetzung mit Gott und dem Tod sehr viel ernster und reifer geworden. Sie reflektieren gewissermaßen darauf, wie sie von ihren eigenen alten Themen eingeholt werden - und das unterscheidet Black Sabbath im übrigen von anderen Metal-Veteranen-Bands wie den Scorpions oder AC/DC, die heute immer noch genauso auftreten und sich verhalten, als wären sie 20. Das kann man super finden oder auch ein bisschen peinlich. Aber Black Sabbath sind die einzigen, die diesen Alterungsprozess reflektieren.
Rochow: Sieht man davon auch in den Konzerten etwas?
Balzer: Die schönsten Stellen bei ihrem Berliner Auftritt vor zwei Jahren waren die, wo sie dann in großen Videoprojektionen Bilder von Anti-Black-Sabbath-Protesten und Demonstrationen aus den Siebzigerjahren zeigten. Damals ging die konservative Bevölkerung noch gegen diese sittlich desorientierende Musik auf die Straße - heute denkt sich niemand mehr etwas dabei, wenn er den Satansgrußzeigt, und am nächsten Tag ist er dann vielleicht sogar schon wieder beim Helene-Fischer-Konzert. Black Sabbath haben das voll begriffen, wie sehr sie in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind und was das für ihre Musik und auch für die Gesellschaft bedeutet. Eine wirklich tolle Band, die viel klüger ist, als man manchmal glaubt.

Für Black Sabbath ist diese Tour ein echtes Ende

Rochow: Und die wir jetzt wirklich zum letzten Mal zu sehen bekommen? Oder ist das nur wieder die erste Abschiedstournee von vielen?
Balzer: Ich fürchte, das war es jetzt wirklich. Allein schon deswegen, weil Tommy Iommi seinen Krebs eben nicht besiegt hat. Darüber hat er einigen Interviews ganz offen gesprochen, und auch darüber, dass er immer schwächer wird und wie schwer es ihm fällt, ein ganzes Konzert durchzuhalten. Das muss man ernstnehmen, das ist für Black Sabbath jetzt wohl wirklich "The End".
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