"Blair Witch" - das Remake

Der Horror auf Hochglanz

Die digitale Filmkamera "Alexa 65" der Filmtechnikfirma Arri steht am 03.03.2016 in München in einem Studio. Der Sieger der diesjährigen Oscarverleihung in der Kategorie Kameraarbeit, der Film "The Revenant - Der Rückkehrer", wurde teilweise mit dieser Kamera gedreht.
Eine echte Überraschung: die Fortsetzung von "Blair Witch Project" - "Blair Witch" © picture alliance / dpa / Amelie Sachs
Von Anna Wollner |
Der Pseudo-Dokumentarfilm "Blair Witch Project" über eine Gruppe junger Menschen im Wald wirbelte vor 17 Jahren das Horrorgenre auf. Beim der Fortsetzung "Blair Witch" kamen statt Wackel- und Super-8-Kameras GPS und eine Drohne zum Einsatz. Doch anfangs wussten viele am Film Beteiligte nicht, was sie da drehen.
Es war eine Art Staatsgeheimnis in Hollywood, aus Angst vor Reaktionen im Internet. Bis auf die Schauspieler, den Regisseur Adam Wingard, Drehbuchautor Simon Barrett und ein paar Verantwortliche des Studios Lions Gate haben selbst direkt am Film Beteiligte lange nicht gewusst, an was für einem Projekt sie überhaupt arbeiten. Der Arbeitstitel "The Woods" sollte vom eigentlichen Film ablenken. Als der Kameramann bei den laufenden Dreharbeiten das erste Mal das Wort "Blair Witch" hörte, ließ er vor Schreck sein Arbeitsmaterial fallen, erinnert sich Drehbuchautor Simon Barrett.
"Wir wollten das Besondere des ersten Films beibehalten, mussten unsere Strategie da eben nur anpassen. Wir leben heute in einer Zeit, in der einfach alles sofort geteilt werden muss. Wir haben uns also besonders viel Mühe geben müssen, gerade in den kleinen Dingen. Es gab besondere, kopiersichere Drehbücher, wir haben mit einem anderen Titel gearbeitet und die Figuren umbenannt. Aber unsere eigentliche Strategie war eigentlich, einfach nicht drüber zu reden."
Eine Strategie, die aufgegangen ist. Die Fortsetzung von "Blair Witch Project" ist eine echte Überraschung. Zumindest was die Erscheinung anbelangt, denn die Geschichte ist doch merkwürdig vertraut: sechs junge Menschen, die in den Black Hills Wäldern in Maryland unterwegs sind. Einer davon ist eben der Bruder der vor 20 Jahren verschwundenen Heather. Die Ähnlichkeit zum Original war für Regisseur Wingard Absicht:
"Ich wollte, dass sich die erste Hälfte des Films wie eine Rückkehr zum Original anfühlt. Wie ein Dokumentarfilm, den die Figuren machen. Deswegen gibt es diesen Mix aus Bluetooth-Kameras und richtigen Kameras, die von den Protagonisten gehalten werden. Der Horror setzt erst zur Hälfte des Films ein und baut sich langsam aber sicher weiter auf. Der Stil des Films verändert sich vom altbewährten Dokumentarfilm-Habitus zu einer vollkommen neuen Seherfahrung. Unser Ziel war es, dass der Zuschauer spätestens da vergessen soll, dass er einen Found-Footage-Film sieht. Die Wackelkamera und andere Gadgets sollen vom eigentlichen Geschehen nicht ablenken."

Kinderschreie und ein gruseliges Feuerwerk auf der Tonspur

Das ist die eigentliche Innovation. Statt mit Wackel- und Super-8-Kameras sind die Studenten hier voll ausgerüstet mit Bluetooth-Geräten, GPS-System und sogar einer Drohne. Der technische Fortschritt hat Einzug gehalten im Blair-Witch-Projekt-Universum. Der Reiz des Originals lag vor allem an der ungewöhnlichen Marketingkampagne, dem Spiel um Authentizität und Found-Footage-Material, dem Glauben, der Film sei echt, dokumentarisch. Eine Strategie, die heute so nicht mehr funktionieren würde.
Simon Barrett:
"Heute, im Jahr 2016 glaubt keiner mehr irgendwas. Wir wussten also, dass wir die Kampagne von einst nicht einfach nur wiederholen können. Allein unsere Schauspieler sind in den sozialen Netzwerken unterwegs, wir können also gar nicht so tun, als seien sie tot. Selbst wenn, hätten uns die Leute das eh nicht geglaubt."
Für die Neuauflage mussten sich Wingard und Barrett etwas Neues einfallen lassen. Adam Wingard:
"Es geht im Wesentlichen doch um das Mysterium. Um das Rätsel, was genau da im Wald vor sich geht. Wer ist die Blair-Witch-Hexe, gibt es sie wirklich? Unsere Figuren haben eigene Ideen und Theorien und reden darüber. Als Zuschauer hat man vielleicht manchmal das Gefühl, die Antworten auf dem Silbertablett präsentiert zu bekommen, aber in Wahrheit theoretisieren wir nur und geben versteckte Hinweise."
Wingard und Barrett arbeiten dabei mit Versatzstücken der Blair-Witch-Mythologie. Der Wald als eigener, lebender Organismus, Steinhaufen vor dem Zelt, baumelnde Stockgebilde an Bäumen, merkwürdige Geräusche, Kinderschreie, ein gruseliges Feuerwerk auf der Tonspur, verstörende Jump-Cuts, das Aufheben des Raum-Zeit-Kontinuums. Aber gerade deswegen fühlt sich der Film an wie ein Hochglanz-Horror-Déjà-Vu in Spielfilmlänge.