Blake Gopnik: "Warhol. Ein Leben als Kunst. Die Biografie"
Aus dem Amerikanischen von Marlene Fleißig, Hans Freundl, Ursula Held, Hans-Peter Remmler, Dr. Andreas Thomsen und Violeta Topalova
C. Bertelsmann Verlag München 2020
1232 Seiten, 48 Euro.
Ein Buch, das Maßstäbe setzt
07:22 Minuten
Eine monumentale Biografie feiert Andy Warhol als wichtigsten und einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts. So unterhaltsam und fundiert wurde selten von Leben und Werk des Pop-Art-Künstlers erzählt.
Blake Gopnik hätte auch den Olymp wählen können. Doch der Kunsthistoriker entschied sich für den Gipfel des Parnass’, des Berges also, der Apollon geweiht ist und die Musen beheimatet. Dort verortet er Andy Warhol als wichtigsten und einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts – gemeinsam mit allenfalls Picasso. Und in deren Nachbarschaft: "Michelangelo, Rembrandt und die anderen Genies".
Sieben Jahre ausgiebige Recherche
Höher lässt sich die Latte nicht hängen! Doch Gopnik hat für die Beweisführung seiner These sieben Jahre recherchiert, über 250 Interviews geführt und annähernd 100.000 Dokumente gesichtet; darunter Briefe, Tagebücher und Terminkalender, Steuerbelege und Krankenakten.
Das Resultat der Mühen ist die über 1200 Seiten dicke und backsteinschwere Biografie "Warhol. Ein Leben als Kunst". Darin schildert der Autor chronologisch sortiert in 50 Kapiteln den Werdegang Warhols vom Arbeiterkind einer osteuropäischen Emigrantenfamilie zum schillernden Superstar.
Mit Legenden aufräumen
Bereits zu Beginn wird deutlich, dass er mit mancher Legende aufräumt und bekannte Fakten neu gewichtet. So beschreibt Gopnik Pittsburgh, wo Andy Warhol 1928 geboren wurde und seine ersten Jahre in extremer Armut verbrachte, als wichtigen Ort für die Kunst und das dortige Carnegie Institute of Technology als prägend für den jungen Kunststudenten in den 1940er Jahren.
Überhaupt nimmt die Pittsburgher Zeit viel Raum ein, denn hier – in einem extrem homophoben Umfeld, wie der Autor ausführt – sei Warhol als schwuler Mann und Künstler gereift. Sogar mit dem Siebdruckverfahren, für das der Maler von Dollarnoten und Marilyn später berühmt wurde, kam er hier in Kontakt.
Besonders religiös, wie stets behauptet wird, sei Warhol mitnichten gewesen, und auch die Entstehung der berühmten Suppendosen-Bilder habe nichts mit Warhols Kindheit zu tun, wie dieser selbst angegeben hatte. Sie gehe vielmehr auf die Idee einer befreundeten Galeristin zurück.
Als der Künstler Anfang der 1960er Jahre verzweifelt nach einem Motiv suchte, hätte sie ihm geraten: "Du musst etwas finden, das fast jeder kennt. Etwas wie eine Suppendose von Campbells".
Eine meisterhafte Wüdigung
Was Warhol daraus machte, ist weltbekannt und Gopnik versteht es meisterhaft, das Revolutionäre und Freche der Popart zu würdigen, die den abstrakten Expressionismus ablöste und den Gegenstand wieder in die Kunst brachte.
Damit ging auch der Wandel Andy Warhols von einem scheuen Menschen zum extravaganten Selbstdarsteller einher, wie der Autor ausführt. Denn wenn die Kunst beliebige Motive zeigen könne, müsse der Künstler selbst zum Kunstwerk werden.
Wie spannend sich das liest! Und wie elegant der Biograf vom Menschen und vom Künstler Andy Warhol zu erzählen weiß. Ob es um seine Anfänge als Werbegrafiker geht, die Erfolge zu Factory-Zeiten, die Beziehung zur Mutter oder zum geliebten Jed Johnson. Oder um das Attentat, das die Feministin Valerie Solanas 1968 auf den Künstler verübte, die Krankheiten und schließlich die verhängnisvolle Operation, an deren Folgen Andy Warhol 1987 starb – dieses Buch setzt Maßstäbe!