Blaue Kugel am Horizont
Entstanden ist das erste Bild vom blauen Planeten mit den weißen Wolkenbändern der Atmosphäre bereits vom US-Raumschiff Apollo 8 aus, in dem drei Astronauten erstmals den Mond umrundeten.
Ein halbes Jahr später, bei der Mondlandung am 21. Juli 1969 sahen Neil Armstrong und Buzz Aldrin atemlos erstmals die Erde über dem dunklen Mondhorizont aufgehen. Das Bild ging um die Welt und ist zum Symbol geworden: das unverkennbare Zeichen für das Raumschiff Erde und die Verletzlichkeit der Welt, die den Menschen hervorgebracht hat. Ein Bild von tiefer Symbolik. Erstmals hat es menschliche Eroberungslust geschafft, buchstäblich die Grenzen der eigenen Existenz zu überschreiten. Gleichzeitig sahen viele die Kugel, die da eingehüllt in ihre Atmosphäre allein im Kosmos unterwegs ist, und es dämmerte ihnen: Die ungezügelte Ausbeutung und die Bedrohung der Ressourcen dieser Welt müssen ein Ende haben.
Armstrong: "This is Houston, radiocheck and verify TV circle … there is a picture on the TV!"
von Croy: "Es gab in Houston in schwarz-weiß einen Kontrollmonitor, auf dem die Bilder der Kamera, die außen an der Mondfähre befestigt war und die ausgeklappt wurde und dokumentiert hat, wie Neill Armstrong aus der Mondfähre herunterklettert, dann unten an der Leiter noch ein bisschen verweilte und schließlich seinen großen Sprung für die Menschheit machte, diese Bilder sind tatsächlich auf einem kleinen Schwarz-Weiß-Monitor in Houston angekommen und wurden dort von einer Fernsehkamera abgefilmt und über die Welt verbreitet."
In der Geschichte, die der Münchner Luft- und Raumfahrt-Autor Alexis von Croy erzählt, stecken genau genommen zwei Geschichten.
Die Bilder
Die Kameras, mit denen 1969 die Astronauten auf dem Mond hantierten, waren nicht fürs irdische Fernsehen tauglich. Deswegen liefen die Bilder in Houston erst einmal auf einem Monitor auf und wurden dort von einer bildschirmtauglichen Fernsehkamera abgefilmt.
Eigentlich kurios. Das Apollo-Programm war das größte, technisch neueste und komplizierteste Unternehmen der Menschheit. Aber bei der öffentlichen Präsentation der eigentlichen Mondlandung, fiel den Technikern nicht mehr ein als jedem Laien. Jedenfalls wären die Bilder, sagen Fachleute, in viermal besserer Qualität auf den Bildschirmen der Welt gelandet, hätte man die originalen Aufnahmen dazu hernehmen können.
Die zweite Geschichte ist die: Um ein Haar hätte es überhaupt keine Bilder vom Mond gegeben.
Die Bild-Signale vom Mond, so hatte die NASA entschieden, sollte das australische Parkes Observatory, ein riesiges Radioteleskop westlich von Sydney auffangen und nach Houston weiterschicken.
Als die Übertragung beginnen sollte, erhob sich über den Schafweiden rund um Parkes ein Sturm, der es in sich hatte. Die Astronomen, über sich einen 64-Meter-Stahlschirm mit etlichen 10.000-Tonnen Gewicht fürchteten, der Tornado werde das Teleskop zermalmen und sie damit erdrücken. Unter normalen Umständen hätten sie den Schirm flachgelegt und den Sturm darüber weg fegen lassen. Aber unter diesen historischen Umständen war das natürlich undenkbar. Der Schirm knarrte, knackte und ächzte wie ein Segel im Sturm, die Techniker ließen - mit einigem Angstschweiß - den Winddruck weit über das Zulässige hinaus am Teleskop rütteln.
Am Ende hielt der 64-Meter-Schirm stand und fing anstandslos die Bildsignale auf, die - nach der amateurhaften Konvertierung – die Welt in Begeisterung versetzten:
Aretin: "Ich bin die ganze Nacht wach gesessen, um die Kinder rechtzeitig zu wecken und ich könnte es zeichnen, wie der Armstrong die Treppe runter ist in diesen Wahnsinnsanzügen, und ich erinnere mich an den Fußabdruck, ich erinnere mich an den verzerrten Ton, 'kleiner Schritt für mich, aber großer Schritt für die Menschheit' und dann sind die gehupft, ich krieg jetzt noch Gänsehaut, wenn ich dran denke.""
Eine Gänsehaut überlief die erste westdeutsche, inzwischen verstorbene Fernsehansagerin Annette von Aretin in Erinnerung an den 21. Juli 1969. Nicht viel anders ist es damals weniger Prominenten ergangen:
Umfrage: "Ich finde es eine unwahrscheinliche, technisch großartige Leistung."
"Das war hochinteressant, und ich bin mit meiner Familie noch nie so lang aufgeblieben, um extra das zu sehen."
"Eine der größten Sensationen der Weltgeschichte, die es je gegeben hat."
Die NASA ließ sich das Apollo-Programm damals offiziell 25 Milliarden Dollar kosten, das wären heute mindestens 125 Milliarden. Die Nation wollte den Sowjets endlich beweisen, dass sie auch im Stande sei, im space race, im Wettlauf um die symbolische Vorherrschaft im All auch ein Mal oben auf zu sein. Bisher hatte nämlich Moskau alle Medaillen eingestrichen: erster Satellit im All, erster Mensch im All, erster Weltraumspaziergang, erstes Rendezvous-Manöver zweier Raumschiffe und so fort. Da wollten die USA wenigstens als erste einen Mann auf den Mond schicken. Die Landung sollte dann aber auch entsprechend weltweit über die Bildschirme flimmern. Helmut Trischler, Wissenschaftshistoriker am Deutschen Museum München:
Trischler: "Der Wettlauf - 'the race to the moon' - das war der Hintergrund, letztendlich ist das ein Ereignis des Kalten Krieges gewesen, und da kulminierte der Kalte Krieg noch einmal in diesem Wettlauf, den die Amerikaner am Ende gewonnen haben und sich umso mehr international sich legitimieren mussten. Der zweite Hintergrund ist der Vietnamkrieg. Also die USA stand außenpolitisch unter Druck, und das war einmal die Möglichkeit, sich als Sieger im Kalten Krieg zu zeigen."
Die Eroberung des Weltraums
von Croy: "Als Ganzes betrachtet ist eine Mondlandung, wenn man sie zum ersten Mal macht, schon etwas extrem Kritisches. Von Neill Armstrong weiß man’s, er hat es Jahre später gesagt: Mehr als 5o Prozent hat er sich nicht ausgerechnet, wieder zur Erde zurückzukommen. Trotzdem ist er das Risiko eingegangen, ein unglaublich riskantes Unternehmen."
Für eine Expedition mit so geringer Rückkehrgarantie brauchte man natürlich die entsprechend hart gesottenen Männer. Vor allem Neill Armstrong, der Kommandant von Apollo 11, galt als Mensch mit eisernen Nerven.
Zur Vorbereitung der ersten Mondlandung bestieg er immer wieder ein Landegerät, um den heiklen Abstieg zu üben. Einmal stürzte der hochbeinige Apparat ab, Armstrong rettete sich in letzter Sekunde mit dem Schleudersitz.
Astronauten können einem vorkommen fast wie intelligente Maschinen. Jahrelang und Tausende Male haben sie alles geübt, was sie in ihrer Mission zu tun haben, jeden Handgriff, jeden Knopfdruck, alle denkbaren Notfälle, den Ausfall jedes Teils in ihrem Raumschiff. Jeder Fehler, jeder unkonzentrierte Augenblick kann für sie fatale Folgen haben. Dabei ist die Maschinerie, die sie zu bedienen haben, beliebig kompliziert und komplex.
von Croy: "Als Laie hat man nicht die geringste Vorstellung, wie komplex diese Maschine ist. Eine Boeing 747 besteht aus zwei bis zweieinhalb Millionen Einzelteilen, sie hat aber fast 70 Meter Spannweite und wiegt 400 Tonnen. Das Kommandomodul können Sie hier ins Büro stellen, indem die drei Männer auf den Mond flogen, hat 50 Prozent mehr Teile, über drei Millionen Einzelteile. Wenn Sie sich die vielen verschiedenen Systeme vorstellen, die an Bord dieser Maschine sein mussten und auf wie geringem Platz auf einem winzigen Volumen eigentlich die verpackt werden mussten, das war die eigentlich gigantische Leistung, alles so zu miniaturisieren, das ist das, was mich beeindruckt an dieser Komplexität."
Acht Jahre lang waren in den USA bis zu 400.000 Menschen direkt in das Apollo-Programm eingebunden, 20.000 Firmen machten mit, außerdem fast alle größeren Universitäten und Forschungseinrichtungen. Praktisch jeder große Flugzeugbauer, jeder Elektronikkonzern, jeder Computerhersteller war mit von der Partie. Für die 110 Meter hohen Saturnraketen, die mit Millionen von PS Mensch und Gerät zum Mond trugen, wurden im Süden der USA riesige Fabriken gebaut. Zusammengebaut wurden sie im vehicle assembling building, einem der größten Hallenbauten der Welt mit drei Hektar Grundfläche und 140 Metern Höhe. Das Startgelände in Florida, Cape Canaveral, maß damals schon fast 600 km2 und war damit doppelt so groß wie die Stadtfläche von München. Noch heute arbeiten dort 17.000 Menschen.
Count down: "All enginges running, 3, 2, 1 lift off, we have a lift off of Apollo 11."
Die Saturn V-Rakete, auf der die drei Astronauten Neill Armstrong, Buzz Aldrin und Collins am 16. Juli 1969 in Richtung Mond abhoben, war das gigantischste Fahrzeug, das je entwickelt wurde: himmelhoch, 3000 Tonnen schwer, schob sie das Raumschiff Columbia mit Millionen PS in den Himmel. Beim Start flogen noch in einem Dutzend Kilometer Entfernung die Scheiben aus den Fenstern.
Heute entwickelt die NASA wieder solche Riesenraketen, denn sie will erneut zum Mond - und darüber hinaus. So verkündete US-Astronaut Edward Michael Fincke 2004 auf der Internationalen Raumstation ISS die folgende Vision.
Fincke: "Wir sind 700 Kilometer über der Erde, der Mond ist von hier aus nicht größer als von der Erde aus zu sehen, die Sterne sind viel klarer über dem Planeten xxxx. Wenn wir hinausschauen auf den Kosmos, sehen wir einen so großen Raum, dass wir denken, dass der Mensch dort hingehen sollte. Wir waren auf dem Mond, Captain Young war auf dem Mond, wir würden gerne dorthin zurückkehren und weiter hinaus. Das ist, was wir sehen, wenn wir hinausschauen in den Weltraum."
Noch deutlicher wurde jener angesprochene Captain John Young, der über zwei Jahrzehnte lang als Astronaut mit den verschiedensten Raumschiffen geflogen ist.
Young: "In diesem Jahrhundert fliegen wir wieder auf den Mond, und zwar diesmal, um die Menschheit auf der Erde zu erhalten, mit Energie zu versorgen. In diesem Jahrhundert fliegen wir aber auch zum Mars, wir wollen unsere Zivilisation dorthin ausdehnen. Dafür brauchen wir eine Menge neuer Astronauten. Behalten sie das im Hinterkopf."
Da zeigt sich der unerschütterliche Pioniergeist, mit dem die Amerikaner schon im 19. Jahrhundert ihr eigenes Land erobert haben und mit dem sie seit 50 Jahren in den Weltraum hinaus ziehen. So hat es auch Jesco von Puttkamer erlebt, ein deutscher Ingenieur, der nach dem letzten Krieg nach Amerika ausgewandert ist und seither für die NASA Raumfahrtpläne schmiedet.
Puttkamer: "Wenn man von Amerika, von den USA spricht - das erste, was einem in Gedanken kommt, war Amerikas Mondlandung und war Neill Armstrong. Es war ein typisches Stück amerikanischer Natur, ein Neuland zu erforschen, und den ersten Fuß draufzusetzen. Es passte so zu diesem Pioniergeist, Frontbereich, Grenzgebietforschung und so weiter. Zweitens hat Apollo als Herausforderung die Industrie, die Wirtschaft, das Management-Talent Amerikas, die Unis und schulen so mobilisiert, elektrisiert, dass jeder über sich hinauswuchs."
Kein Land würde heute ein Projekt wie das Apollo-Programm allein stemmen. Dass es die USA vor 40 Jahren geschafft haben, verdanken sie eben jenem Pioniergeist, der, wie der Berliner Kulturwissenschaftler Daniel Grinsted glaubt, tief in der Geschichte der Nation verwurzelt ist.
Grinsted: "Diesen Pioniergeist, der ist nicht zu unterschätzen. Also es gibt in der amerikanischen Kulturgeschichte dieses Konzept des manifest destiny, das wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt, also dass die USA die von Gott zugewiesene Bestimmung haben, sich immer weiter auszudehnen, ihren Einflussbereich zu erweitern, zunächst in Richtung Westen, in Richtung Pazifik auf dem eigenen Kontinent, und das geht dann bis Philippinen, Hawaii und so weiter. Das ist etwas, was im 20. Jahrhundert sich auf den Weltraum ausweitet. John F. Kennedy, der dieses Ziel Mond als erster öffentlich bekannt gegeben hat, als Ziel ausgerufen hat, er benutzt auch oft diese Metaphern des Pioniergeistes und rüttelt an dieser Tradition der Amerikaner, dass die sich nicht abschrecken lassen von großen Herausforderungen, dass sie nach vorne schauen und nicht zurück, und die Begründung, die ich ganz interessant finde, weshalb man den Mond überhaupt erreichen müsse, ist laut Kennedy die, dass er da sei."
Kennedy: "Ich denke, diese Nation sollte sich das Ziel setzen, bis Ende des Jahrzehnts einen Menschen sicher zum Mond zu bringen und zurück."
Ein Ausschnitt aus der berühmten Rede, mit der John F. Kennedy 1963 vor dem amerikanischen Kongress die Initialzündung für Apollo gegeben hat.
Die Astronauten, die dann ab 1968 auf die Mondflüge geschickt werden, stehen ganz in der Tradition der "go West"-Pioniere, die im 19. Jahrhundert den nordamerikanischen Kontinent erobert hatten. Wieder geht es um eine Neue Welt, diesmal eine, die noch kein Mensch zuvor betreten hatte. Doch mit den Bildern, sie sie den Fernsehzuschauern zu Hause liefern, kommt ein Perspektivwechsel ins Spiel, der die alte Eroberungsmentalität in Frage stellt. Peter Sieferle, heute Professor für Geschichte an der Schweizer Universität St. Gallen.
Sieferle: "Es gibt die Cowboy Economy, das ist die alte Ökonomie, das ist die Ökonomie wie im Wilden Westen, wo man immer weiter gehen kann, und dann gibt es die Space ship Ökonomie, das ist die, in der man die Erde wie ein geschlossenes System behandeln muss, und diese Idee der space ship Ökonomie war die Idee der Umweltbewegung. Sie sagen, dass die Erde gefährdet ist, weil es ein geschlossenes Raumschiff ist, weil sie nicht ein unendlich großer Raum ist."
Mit dem Flug zum Mond überschritten die Pioniere alle bisherigen Grenzen; dort draußen in der Kälte des Kosmos konnten sie zum ersten Mal sehen, woher sie kamen: von einem Raumschiff, dem Raumschiff Erde.
Der Münchner Wissenschaftshistoriker Helmut Trischler.
Trischler: "Im Grunde ist das der Umschlagpunkt. Man muss ja sehen, dass die Vision, die Utopie in der Weltraumeroberung seit den 1870er, -80er-Jahren sich da aufgetürmt haben und mündet nach 1945 in viele Utopien der extraterrestrischen Raumfahrt, der Eroberung vieler Planeten, und nun plötzlich ist das ein gewisses Stück weit Realität geworden. Der Mensch ist tatsächlich in der Lage, fremde Welten zu erobern. Das bedeutet eben auch dieser Umschlag in der Wahrnehmung, dass das ein Geschäft ist, das eine andere Seite hat; und diese andere Seite kommt hier plötzlich zum Vorschein und wird dem Menschen auch bewusst."
Blauer Planet und Raumschiff Erde
Beeindruckend empfinden die meisten Menschen auch heute noch jene Fotos, die Astronauten von der blauen Kugel mitgebracht haben.
Das allererste dieser Bilder stammt von Apollo 8, dem Raumschiff, das Weihnachten 1968 das erste Mal den Mond umrundet hat. Es ist durch die Weltpresse gegangen und in der Erinnerung der Welt haften geblieben: da steht die ganze, in weiß und blau strahlende runde Erde allein vor dem schwarzen Kosmos.
Und dann, ein gutes halbes Jahr später, Apollo 11.
von Croy 18: "Wenige Sekunden nachdem Apollo 11 auf dem Mond gelandet ist, hat der Kommandant Armstrong den Kopf gehoben und hat durch die Luke nach oben gesehen, und die Erde stand genau über ihm, und das Erste, was er gesagt hat, während er auf dem Mond stand und den Mond hatte betrachten können, wie schön die Erde ist."
Michael Collins wartete im Raumschiff von Apollo 11 auf die Rückkehr der beiden anderen Astronauten von ihrem Abenteuer auf der Mondoberfläche. Er schoss das andere Foto, das zu Ikone wurde: über dem schwarzen Mondhorizont geht strahlend und riesig die Erde auf. Solche Bilder, meint der Münchner Astrophysiker Harald Lesch, sind der Sinn der Raumfahrt.
Lesch: "Die Bilder sind so beeindruckend, dass vom 20. Jahrhundert von all dem Schlamassel, der da passiert ist, und den fürchterlichen Katastrophen, vor allem solche Bilder übrig geblieben sind wie um Beispiel Neill Armstrong auf dem Mond, das Bild von der Erde und auch solche Sätze wie die der Astronauten, die in der Raumstation waren und gesagt haben 'Man sieht keine Grenzen von oben'. Am Anfang sagt man vielleicht noch: Das ist mein Land, später denkt man: das ist mein Kontinent. Irgendwann hört man damit auf und man denkt nur noch: Das ist mein Zuhause. Das sind erste Ansätze dafür, wie wir Menschen unsere Zukunft verstehen können und schaffen können, wenn wir uns im Klaren darüber sind, auf was für einem wunderbaren Planeten wir leben. Ich glaube, dafür ist die Weltraumfahrt maßgeblich verantwortlich."
Das Bild von einer zarten blau-weißen Kugel, einer fast durchsichtigen Sphäre in der Einsamkeit des Weltalls, das hat auch eine Sonde vorgeführt, die sich weit aus dem inneren Sonnensystem entfernt und von dort einen Blick zurück geworfen hat. Da war die die Erde nicht mehr als ein Pale blue dot, ein winziger blauer Punkt, berichtet Daniel Grinsted.
Grinsted: "Das Bild von pale blue dot wurde 1990 aufgenommen, nachdem Voyager 1 13 Jahre lang durchs All geflogen war und dann sechs Milliarden km Kilometer zurückgelegt hatte, und auf diesem Bild der Erde, wo sie wirklich nur als ein kleiner Bildpunkt von der Größe eines Achtel Pixels erscheint, also es ist nicht mehr diese wunderschöne, obwohl isolierte Sphäre im All, sondern wirklich dieser kleine Bildpunkt, dessen Bedeutungslosigkeit den Betrachter wirklich trifft."
Lesch: "Dieses berühmt-berüchtigte Bild von Apollo 8, das ist für mich ein Symbol für die ökologische Bewegung der 70er- und 80er-Jahre. Da konnte man wirklich sehen, das ist unser Boot, da kommen wir her."
Sieferle: "Es ist tatsächlich zu einer Ikone geworden, damals in den 70er-Jahren in vielen Studentenräumen sah man diese Bilder hängen. Also die frühe Umweltbewegung hat dieses Bild aufgenommen, dieses Symbol aufgenommen","
… sagt der Historiker Rolf Peter Sieferle, der über die Geschichte der Umweltbewegung arbeitet. Die hatte sich, von den Vereinigten Staaten ausgehend, Mitte der 60er-Jahre gerade zu formieren begonnen. Die Bilder, die sie auf ihre Fahnen heftete, lieferten ihr die Apollo-Missionen, die selbst wie gesagt eher von einem anderen Geist beflügelt waren.
von Croy: ""In demselben Sommer, in dem Apollo 8 auf dem Mond gelandet ist, war auch das Konzert in Woodstock, der gleiche Sommer, ein paar Wochen Unterschied. Diese Bilder fielen auch auf einen entsprechend fruchtbaren Boden, würde ich sagen, all diese Sachen gehören zu den größten Erfolgen von Apollo."
Die Metapher von der Erde als Raumschiff Erde ist indes etwas älter. Sie stammt aus der Mitte der 60er-Jahre, als man noch nicht die ganze Erde auf einem Foto sehen konnte. In dieser Zeit damals entstand auch die Idee, die Erde sei als ganzes ein lebendiges Wesen.
Sieferle: "Das ist eine alte Metapher, aber die wird als Gaia-Hypothese von Lovelock verwendet, da wird die Erde jetzt als Lebewesen verstanden, also metaphorisch als Lebewesen, im einzelnen heißt es, die Erde ist ein sich selbst regulierendes System, und das ist keine technokratische Vision, sondern das ist eine Vision eines lebendigen Organismus, das heißt, die Gaia-Hypothese sagt im Gegensatz zur Space Ship Hypothese nicht: Wir brauchen ein Steuerungszentrum der Erde, wir müssen die Kommandohöhen der Erde übernehmen, um die Erde im Gleichgewicht zu halten, sondern die Gaia-Hypothese sagt, die Erde steuert sich selbst."
Diese Gaia-Hypothese hatte einen durchaus wissenschaftlichen Hintergrund. Damals dachten Forscher zum ersten Mal darüber nach, wie komplexe Zusammenhänge in sich selbst steuernden und rückkoppelnden Systemen abgebildet werden könnten. Veränderungen in einem Teil dieser Systeme könnten danach zu weitreichenden Folgen in allen möglichen anderen Bereichen des Systems führen, ähnlich wie bei einem lebendigen Organismus, etwa dem eines Säugetiers. Wie erwähnt entwickelte der US-amerikanische Mediziner und Biophysiker James Lovelock daraus noch in den 60er-Jahren seine Theorie von "Gaia", und es liegt nahe, dass ihm dabei das Bild vom bewegten blauen Planeten vor Augen stand.
Lovelock: "Ich sehe die Erde oder Gaia folgendermaßen: Sie ist ein sich selbst regulierendes System, das sich kurz nach der Entstehung des Lebens gebildet hat. Das Ganze ist eine eng verknüpfte sich selbst regulierende Einheit. Es ist absurd sich vorzustellen, dass sich alles unabhängig voneinander entwickelt hat. Ebenso absurd wie die Vorstellung, dass sich in unserem Körper die Knochen und das Skelett unabhängig vom Fleisch entwickeln könnte. Das geht nicht, denn es ist eins. Genau ist es mit der Erde."
Die Wissenschaft vom blauen Planeten
Mit Blick auf immer schwieriger zu überschauende natürlichen und zivilisatorischen Lebensverhältnisse versuchten Forscher zunächst, große soziale, politische und wirtschaftliche Zusammenhänge mit systemtheoretischen Ansätzen in Griff zu nehmen. Entsprechende Ansätze für ökologische Systeme gab es damals noch nicht. So wie es damals überhaupt noch keine Umweltwissenschaften gab. Erst mit Aufkommen der Systemtheorien dämmerte Forschern, dass auch die wechselseitigen Einflüsse von natürlichen und zivilisatorischen Systemen analytisch gefasst werden müssten. Versucht hat das zuerst der Club of Rome, 1968 gegründet als honoriger Zusammenschluss hochgestellter Persönlichkeiten, der auf internationaler Ebene wichtige globale Fragen diskutierte. Club of Rome-Gründer Aurelio Peccei, ein italienischer Industrieller, betonte damals den globalen Anspruch seines Clubs.
Peccei: "Ein wahrer Friede muss vielmehr das gesamte menschliche Zusammenleben auf neue Grundlagen der sozialen Gerechtigkeit und der Achtung vor dem anderen Menschen stellen sowie in Harmonie mit der Natur und den begrenzten Schätzen dieses kleinen Planeten stehen, auf dem wir alle leben müssen und der einst auch unseren Kindern und Kindeskindern Wohnung und Nahrung bieten soll."
Der Club of Rome beließ es nicht beim Appell. Er regte an, die Welt als in sich zusammenhängendes System anzusehen – blauer Planet - und darin die sich öffnende Schere zwischen zunehmender Weltbevölkerung und abnehmenden Ressourcen zu untersuchen:
Sieferle: "Was der Club of Rome gemacht hat, er hat dieses Weltmodell damals verwendet, also ein Modell, das versucht, verschiedene Faktoren auf der naturalen, auf der ökonomischen Ebene miteinander zu verknüpfen und es zu einem interaktiven, rückgekoppelten Modell zu machen. Das war damals außerordentlich schwierig, es war nur möglich, weil es damals die ersten Großcomputer gegeben hat, für damalige Verhältnisse Großcomputer, heute kann das jeder PC rechnen. Aber die Modelle waren im Grunde sehr, sehr schlicht. Was der Club of Rome angewendet hat, ist, zum ersten Mal so etwas überhaupt zu versuchen. Das war wirklich ein wissenschaftlicher Durchbruch."
Niedergeschlagen hat sich diese Globalanalyse 1972 im dem Bericht "Grenzen des Wachstums", verfasst von dem US-Ehepaar Donella und Dennis Meadows. Im Rückblick auf seine Prognosen und Analysen von vor über 35 Jahren sagt Dennis Meadows heute.
Meadows: "Noch immer befinden wir uns global in einer Phase des exponenziellen Wachstums. Wenn diese Kurven immer weiter nach oben schnellen, sind das dann nicht auch Anzeichen für ein Umkippen des System? Für den Kollaps? Es gibt Hunderte von Büchern zum Thema Nachhaltige Entwicklung, und trotzdem haben wir bis heute noch keine Idee darüber, wie wir das Bevölkerungswachstum stoppen können."
Warum haben wir noch keine Idee? Weil es einfach zu kompliziert ist. Viele hatten in der Folge von Apollo und dem Bild vom Space Ship Earth die Überzeugung, die Erde sei ein kompliziertes, aber im Prinzip durchschaubares System; sie lasse sich wie von der Kommandokapsel eines Raumschiffs dirigieren. Systemanalytiker glaubten damals, das System Erde lasse sich nach entsprechender Schadensanalyse ans rettende Ufer dirigieren. Dieses Ansinnen spiegelt indes im Grunde eben jenen Pioniergeist des "alles ist machbar" wider, dessen Kollateralschäden zu beheben diese Forscher angetreten waren. Die natürlichen und die zivilisatorischen Prozesse sind einfach zu komplex miteinander verwoben. Das hatte James Lovelock mit seiner Gaia-Hypothese allerdings schon vor 40 Jahren gewusst.
Sieferle: "Gerade ist ein Interview mit Lovelock erschienen, wo Lovelock, der nicht an die Steuerbarkeit glaubt, weil er meint, diese Systeme sind zu komplex, um gesteuert werden zu können, sagt: Wir laufen in eine große Krise hinein."
Gerade mit Blick auf globale Finanzkrisen, komplizierte Klimamodelle, weltweite Ausbreitung der Wüsten und vieles anderes dämmert des dem Erdenbewohner: Den blauen Planeten global steuern zu wollen, wäre pure Selbstüberschätzung.
Armstrong: "This is Houston, radiocheck and verify TV circle … there is a picture on the TV!"
von Croy: "Es gab in Houston in schwarz-weiß einen Kontrollmonitor, auf dem die Bilder der Kamera, die außen an der Mondfähre befestigt war und die ausgeklappt wurde und dokumentiert hat, wie Neill Armstrong aus der Mondfähre herunterklettert, dann unten an der Leiter noch ein bisschen verweilte und schließlich seinen großen Sprung für die Menschheit machte, diese Bilder sind tatsächlich auf einem kleinen Schwarz-Weiß-Monitor in Houston angekommen und wurden dort von einer Fernsehkamera abgefilmt und über die Welt verbreitet."
In der Geschichte, die der Münchner Luft- und Raumfahrt-Autor Alexis von Croy erzählt, stecken genau genommen zwei Geschichten.
Die Bilder
Die Kameras, mit denen 1969 die Astronauten auf dem Mond hantierten, waren nicht fürs irdische Fernsehen tauglich. Deswegen liefen die Bilder in Houston erst einmal auf einem Monitor auf und wurden dort von einer bildschirmtauglichen Fernsehkamera abgefilmt.
Eigentlich kurios. Das Apollo-Programm war das größte, technisch neueste und komplizierteste Unternehmen der Menschheit. Aber bei der öffentlichen Präsentation der eigentlichen Mondlandung, fiel den Technikern nicht mehr ein als jedem Laien. Jedenfalls wären die Bilder, sagen Fachleute, in viermal besserer Qualität auf den Bildschirmen der Welt gelandet, hätte man die originalen Aufnahmen dazu hernehmen können.
Die zweite Geschichte ist die: Um ein Haar hätte es überhaupt keine Bilder vom Mond gegeben.
Die Bild-Signale vom Mond, so hatte die NASA entschieden, sollte das australische Parkes Observatory, ein riesiges Radioteleskop westlich von Sydney auffangen und nach Houston weiterschicken.
Als die Übertragung beginnen sollte, erhob sich über den Schafweiden rund um Parkes ein Sturm, der es in sich hatte. Die Astronomen, über sich einen 64-Meter-Stahlschirm mit etlichen 10.000-Tonnen Gewicht fürchteten, der Tornado werde das Teleskop zermalmen und sie damit erdrücken. Unter normalen Umständen hätten sie den Schirm flachgelegt und den Sturm darüber weg fegen lassen. Aber unter diesen historischen Umständen war das natürlich undenkbar. Der Schirm knarrte, knackte und ächzte wie ein Segel im Sturm, die Techniker ließen - mit einigem Angstschweiß - den Winddruck weit über das Zulässige hinaus am Teleskop rütteln.
Am Ende hielt der 64-Meter-Schirm stand und fing anstandslos die Bildsignale auf, die - nach der amateurhaften Konvertierung – die Welt in Begeisterung versetzten:
Aretin: "Ich bin die ganze Nacht wach gesessen, um die Kinder rechtzeitig zu wecken und ich könnte es zeichnen, wie der Armstrong die Treppe runter ist in diesen Wahnsinnsanzügen, und ich erinnere mich an den Fußabdruck, ich erinnere mich an den verzerrten Ton, 'kleiner Schritt für mich, aber großer Schritt für die Menschheit' und dann sind die gehupft, ich krieg jetzt noch Gänsehaut, wenn ich dran denke.""
Eine Gänsehaut überlief die erste westdeutsche, inzwischen verstorbene Fernsehansagerin Annette von Aretin in Erinnerung an den 21. Juli 1969. Nicht viel anders ist es damals weniger Prominenten ergangen:
Umfrage: "Ich finde es eine unwahrscheinliche, technisch großartige Leistung."
"Das war hochinteressant, und ich bin mit meiner Familie noch nie so lang aufgeblieben, um extra das zu sehen."
"Eine der größten Sensationen der Weltgeschichte, die es je gegeben hat."
Die NASA ließ sich das Apollo-Programm damals offiziell 25 Milliarden Dollar kosten, das wären heute mindestens 125 Milliarden. Die Nation wollte den Sowjets endlich beweisen, dass sie auch im Stande sei, im space race, im Wettlauf um die symbolische Vorherrschaft im All auch ein Mal oben auf zu sein. Bisher hatte nämlich Moskau alle Medaillen eingestrichen: erster Satellit im All, erster Mensch im All, erster Weltraumspaziergang, erstes Rendezvous-Manöver zweier Raumschiffe und so fort. Da wollten die USA wenigstens als erste einen Mann auf den Mond schicken. Die Landung sollte dann aber auch entsprechend weltweit über die Bildschirme flimmern. Helmut Trischler, Wissenschaftshistoriker am Deutschen Museum München:
Trischler: "Der Wettlauf - 'the race to the moon' - das war der Hintergrund, letztendlich ist das ein Ereignis des Kalten Krieges gewesen, und da kulminierte der Kalte Krieg noch einmal in diesem Wettlauf, den die Amerikaner am Ende gewonnen haben und sich umso mehr international sich legitimieren mussten. Der zweite Hintergrund ist der Vietnamkrieg. Also die USA stand außenpolitisch unter Druck, und das war einmal die Möglichkeit, sich als Sieger im Kalten Krieg zu zeigen."
Die Eroberung des Weltraums
von Croy: "Als Ganzes betrachtet ist eine Mondlandung, wenn man sie zum ersten Mal macht, schon etwas extrem Kritisches. Von Neill Armstrong weiß man’s, er hat es Jahre später gesagt: Mehr als 5o Prozent hat er sich nicht ausgerechnet, wieder zur Erde zurückzukommen. Trotzdem ist er das Risiko eingegangen, ein unglaublich riskantes Unternehmen."
Für eine Expedition mit so geringer Rückkehrgarantie brauchte man natürlich die entsprechend hart gesottenen Männer. Vor allem Neill Armstrong, der Kommandant von Apollo 11, galt als Mensch mit eisernen Nerven.
Zur Vorbereitung der ersten Mondlandung bestieg er immer wieder ein Landegerät, um den heiklen Abstieg zu üben. Einmal stürzte der hochbeinige Apparat ab, Armstrong rettete sich in letzter Sekunde mit dem Schleudersitz.
Astronauten können einem vorkommen fast wie intelligente Maschinen. Jahrelang und Tausende Male haben sie alles geübt, was sie in ihrer Mission zu tun haben, jeden Handgriff, jeden Knopfdruck, alle denkbaren Notfälle, den Ausfall jedes Teils in ihrem Raumschiff. Jeder Fehler, jeder unkonzentrierte Augenblick kann für sie fatale Folgen haben. Dabei ist die Maschinerie, die sie zu bedienen haben, beliebig kompliziert und komplex.
von Croy: "Als Laie hat man nicht die geringste Vorstellung, wie komplex diese Maschine ist. Eine Boeing 747 besteht aus zwei bis zweieinhalb Millionen Einzelteilen, sie hat aber fast 70 Meter Spannweite und wiegt 400 Tonnen. Das Kommandomodul können Sie hier ins Büro stellen, indem die drei Männer auf den Mond flogen, hat 50 Prozent mehr Teile, über drei Millionen Einzelteile. Wenn Sie sich die vielen verschiedenen Systeme vorstellen, die an Bord dieser Maschine sein mussten und auf wie geringem Platz auf einem winzigen Volumen eigentlich die verpackt werden mussten, das war die eigentlich gigantische Leistung, alles so zu miniaturisieren, das ist das, was mich beeindruckt an dieser Komplexität."
Acht Jahre lang waren in den USA bis zu 400.000 Menschen direkt in das Apollo-Programm eingebunden, 20.000 Firmen machten mit, außerdem fast alle größeren Universitäten und Forschungseinrichtungen. Praktisch jeder große Flugzeugbauer, jeder Elektronikkonzern, jeder Computerhersteller war mit von der Partie. Für die 110 Meter hohen Saturnraketen, die mit Millionen von PS Mensch und Gerät zum Mond trugen, wurden im Süden der USA riesige Fabriken gebaut. Zusammengebaut wurden sie im vehicle assembling building, einem der größten Hallenbauten der Welt mit drei Hektar Grundfläche und 140 Metern Höhe. Das Startgelände in Florida, Cape Canaveral, maß damals schon fast 600 km2 und war damit doppelt so groß wie die Stadtfläche von München. Noch heute arbeiten dort 17.000 Menschen.
Count down: "All enginges running, 3, 2, 1 lift off, we have a lift off of Apollo 11."
Die Saturn V-Rakete, auf der die drei Astronauten Neill Armstrong, Buzz Aldrin und Collins am 16. Juli 1969 in Richtung Mond abhoben, war das gigantischste Fahrzeug, das je entwickelt wurde: himmelhoch, 3000 Tonnen schwer, schob sie das Raumschiff Columbia mit Millionen PS in den Himmel. Beim Start flogen noch in einem Dutzend Kilometer Entfernung die Scheiben aus den Fenstern.
Heute entwickelt die NASA wieder solche Riesenraketen, denn sie will erneut zum Mond - und darüber hinaus. So verkündete US-Astronaut Edward Michael Fincke 2004 auf der Internationalen Raumstation ISS die folgende Vision.
Fincke: "Wir sind 700 Kilometer über der Erde, der Mond ist von hier aus nicht größer als von der Erde aus zu sehen, die Sterne sind viel klarer über dem Planeten xxxx. Wenn wir hinausschauen auf den Kosmos, sehen wir einen so großen Raum, dass wir denken, dass der Mensch dort hingehen sollte. Wir waren auf dem Mond, Captain Young war auf dem Mond, wir würden gerne dorthin zurückkehren und weiter hinaus. Das ist, was wir sehen, wenn wir hinausschauen in den Weltraum."
Noch deutlicher wurde jener angesprochene Captain John Young, der über zwei Jahrzehnte lang als Astronaut mit den verschiedensten Raumschiffen geflogen ist.
Young: "In diesem Jahrhundert fliegen wir wieder auf den Mond, und zwar diesmal, um die Menschheit auf der Erde zu erhalten, mit Energie zu versorgen. In diesem Jahrhundert fliegen wir aber auch zum Mars, wir wollen unsere Zivilisation dorthin ausdehnen. Dafür brauchen wir eine Menge neuer Astronauten. Behalten sie das im Hinterkopf."
Da zeigt sich der unerschütterliche Pioniergeist, mit dem die Amerikaner schon im 19. Jahrhundert ihr eigenes Land erobert haben und mit dem sie seit 50 Jahren in den Weltraum hinaus ziehen. So hat es auch Jesco von Puttkamer erlebt, ein deutscher Ingenieur, der nach dem letzten Krieg nach Amerika ausgewandert ist und seither für die NASA Raumfahrtpläne schmiedet.
Puttkamer: "Wenn man von Amerika, von den USA spricht - das erste, was einem in Gedanken kommt, war Amerikas Mondlandung und war Neill Armstrong. Es war ein typisches Stück amerikanischer Natur, ein Neuland zu erforschen, und den ersten Fuß draufzusetzen. Es passte so zu diesem Pioniergeist, Frontbereich, Grenzgebietforschung und so weiter. Zweitens hat Apollo als Herausforderung die Industrie, die Wirtschaft, das Management-Talent Amerikas, die Unis und schulen so mobilisiert, elektrisiert, dass jeder über sich hinauswuchs."
Kein Land würde heute ein Projekt wie das Apollo-Programm allein stemmen. Dass es die USA vor 40 Jahren geschafft haben, verdanken sie eben jenem Pioniergeist, der, wie der Berliner Kulturwissenschaftler Daniel Grinsted glaubt, tief in der Geschichte der Nation verwurzelt ist.
Grinsted: "Diesen Pioniergeist, der ist nicht zu unterschätzen. Also es gibt in der amerikanischen Kulturgeschichte dieses Konzept des manifest destiny, das wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt, also dass die USA die von Gott zugewiesene Bestimmung haben, sich immer weiter auszudehnen, ihren Einflussbereich zu erweitern, zunächst in Richtung Westen, in Richtung Pazifik auf dem eigenen Kontinent, und das geht dann bis Philippinen, Hawaii und so weiter. Das ist etwas, was im 20. Jahrhundert sich auf den Weltraum ausweitet. John F. Kennedy, der dieses Ziel Mond als erster öffentlich bekannt gegeben hat, als Ziel ausgerufen hat, er benutzt auch oft diese Metaphern des Pioniergeistes und rüttelt an dieser Tradition der Amerikaner, dass die sich nicht abschrecken lassen von großen Herausforderungen, dass sie nach vorne schauen und nicht zurück, und die Begründung, die ich ganz interessant finde, weshalb man den Mond überhaupt erreichen müsse, ist laut Kennedy die, dass er da sei."
Kennedy: "Ich denke, diese Nation sollte sich das Ziel setzen, bis Ende des Jahrzehnts einen Menschen sicher zum Mond zu bringen und zurück."
Ein Ausschnitt aus der berühmten Rede, mit der John F. Kennedy 1963 vor dem amerikanischen Kongress die Initialzündung für Apollo gegeben hat.
Die Astronauten, die dann ab 1968 auf die Mondflüge geschickt werden, stehen ganz in der Tradition der "go West"-Pioniere, die im 19. Jahrhundert den nordamerikanischen Kontinent erobert hatten. Wieder geht es um eine Neue Welt, diesmal eine, die noch kein Mensch zuvor betreten hatte. Doch mit den Bildern, sie sie den Fernsehzuschauern zu Hause liefern, kommt ein Perspektivwechsel ins Spiel, der die alte Eroberungsmentalität in Frage stellt. Peter Sieferle, heute Professor für Geschichte an der Schweizer Universität St. Gallen.
Sieferle: "Es gibt die Cowboy Economy, das ist die alte Ökonomie, das ist die Ökonomie wie im Wilden Westen, wo man immer weiter gehen kann, und dann gibt es die Space ship Ökonomie, das ist die, in der man die Erde wie ein geschlossenes System behandeln muss, und diese Idee der space ship Ökonomie war die Idee der Umweltbewegung. Sie sagen, dass die Erde gefährdet ist, weil es ein geschlossenes Raumschiff ist, weil sie nicht ein unendlich großer Raum ist."
Mit dem Flug zum Mond überschritten die Pioniere alle bisherigen Grenzen; dort draußen in der Kälte des Kosmos konnten sie zum ersten Mal sehen, woher sie kamen: von einem Raumschiff, dem Raumschiff Erde.
Der Münchner Wissenschaftshistoriker Helmut Trischler.
Trischler: "Im Grunde ist das der Umschlagpunkt. Man muss ja sehen, dass die Vision, die Utopie in der Weltraumeroberung seit den 1870er, -80er-Jahren sich da aufgetürmt haben und mündet nach 1945 in viele Utopien der extraterrestrischen Raumfahrt, der Eroberung vieler Planeten, und nun plötzlich ist das ein gewisses Stück weit Realität geworden. Der Mensch ist tatsächlich in der Lage, fremde Welten zu erobern. Das bedeutet eben auch dieser Umschlag in der Wahrnehmung, dass das ein Geschäft ist, das eine andere Seite hat; und diese andere Seite kommt hier plötzlich zum Vorschein und wird dem Menschen auch bewusst."
Blauer Planet und Raumschiff Erde
Beeindruckend empfinden die meisten Menschen auch heute noch jene Fotos, die Astronauten von der blauen Kugel mitgebracht haben.
Das allererste dieser Bilder stammt von Apollo 8, dem Raumschiff, das Weihnachten 1968 das erste Mal den Mond umrundet hat. Es ist durch die Weltpresse gegangen und in der Erinnerung der Welt haften geblieben: da steht die ganze, in weiß und blau strahlende runde Erde allein vor dem schwarzen Kosmos.
Und dann, ein gutes halbes Jahr später, Apollo 11.
von Croy 18: "Wenige Sekunden nachdem Apollo 11 auf dem Mond gelandet ist, hat der Kommandant Armstrong den Kopf gehoben und hat durch die Luke nach oben gesehen, und die Erde stand genau über ihm, und das Erste, was er gesagt hat, während er auf dem Mond stand und den Mond hatte betrachten können, wie schön die Erde ist."
Michael Collins wartete im Raumschiff von Apollo 11 auf die Rückkehr der beiden anderen Astronauten von ihrem Abenteuer auf der Mondoberfläche. Er schoss das andere Foto, das zu Ikone wurde: über dem schwarzen Mondhorizont geht strahlend und riesig die Erde auf. Solche Bilder, meint der Münchner Astrophysiker Harald Lesch, sind der Sinn der Raumfahrt.
Lesch: "Die Bilder sind so beeindruckend, dass vom 20. Jahrhundert von all dem Schlamassel, der da passiert ist, und den fürchterlichen Katastrophen, vor allem solche Bilder übrig geblieben sind wie um Beispiel Neill Armstrong auf dem Mond, das Bild von der Erde und auch solche Sätze wie die der Astronauten, die in der Raumstation waren und gesagt haben 'Man sieht keine Grenzen von oben'. Am Anfang sagt man vielleicht noch: Das ist mein Land, später denkt man: das ist mein Kontinent. Irgendwann hört man damit auf und man denkt nur noch: Das ist mein Zuhause. Das sind erste Ansätze dafür, wie wir Menschen unsere Zukunft verstehen können und schaffen können, wenn wir uns im Klaren darüber sind, auf was für einem wunderbaren Planeten wir leben. Ich glaube, dafür ist die Weltraumfahrt maßgeblich verantwortlich."
Das Bild von einer zarten blau-weißen Kugel, einer fast durchsichtigen Sphäre in der Einsamkeit des Weltalls, das hat auch eine Sonde vorgeführt, die sich weit aus dem inneren Sonnensystem entfernt und von dort einen Blick zurück geworfen hat. Da war die die Erde nicht mehr als ein Pale blue dot, ein winziger blauer Punkt, berichtet Daniel Grinsted.
Grinsted: "Das Bild von pale blue dot wurde 1990 aufgenommen, nachdem Voyager 1 13 Jahre lang durchs All geflogen war und dann sechs Milliarden km Kilometer zurückgelegt hatte, und auf diesem Bild der Erde, wo sie wirklich nur als ein kleiner Bildpunkt von der Größe eines Achtel Pixels erscheint, also es ist nicht mehr diese wunderschöne, obwohl isolierte Sphäre im All, sondern wirklich dieser kleine Bildpunkt, dessen Bedeutungslosigkeit den Betrachter wirklich trifft."
Lesch: "Dieses berühmt-berüchtigte Bild von Apollo 8, das ist für mich ein Symbol für die ökologische Bewegung der 70er- und 80er-Jahre. Da konnte man wirklich sehen, das ist unser Boot, da kommen wir her."
Sieferle: "Es ist tatsächlich zu einer Ikone geworden, damals in den 70er-Jahren in vielen Studentenräumen sah man diese Bilder hängen. Also die frühe Umweltbewegung hat dieses Bild aufgenommen, dieses Symbol aufgenommen","
… sagt der Historiker Rolf Peter Sieferle, der über die Geschichte der Umweltbewegung arbeitet. Die hatte sich, von den Vereinigten Staaten ausgehend, Mitte der 60er-Jahre gerade zu formieren begonnen. Die Bilder, die sie auf ihre Fahnen heftete, lieferten ihr die Apollo-Missionen, die selbst wie gesagt eher von einem anderen Geist beflügelt waren.
von Croy: ""In demselben Sommer, in dem Apollo 8 auf dem Mond gelandet ist, war auch das Konzert in Woodstock, der gleiche Sommer, ein paar Wochen Unterschied. Diese Bilder fielen auch auf einen entsprechend fruchtbaren Boden, würde ich sagen, all diese Sachen gehören zu den größten Erfolgen von Apollo."
Die Metapher von der Erde als Raumschiff Erde ist indes etwas älter. Sie stammt aus der Mitte der 60er-Jahre, als man noch nicht die ganze Erde auf einem Foto sehen konnte. In dieser Zeit damals entstand auch die Idee, die Erde sei als ganzes ein lebendiges Wesen.
Sieferle: "Das ist eine alte Metapher, aber die wird als Gaia-Hypothese von Lovelock verwendet, da wird die Erde jetzt als Lebewesen verstanden, also metaphorisch als Lebewesen, im einzelnen heißt es, die Erde ist ein sich selbst regulierendes System, und das ist keine technokratische Vision, sondern das ist eine Vision eines lebendigen Organismus, das heißt, die Gaia-Hypothese sagt im Gegensatz zur Space Ship Hypothese nicht: Wir brauchen ein Steuerungszentrum der Erde, wir müssen die Kommandohöhen der Erde übernehmen, um die Erde im Gleichgewicht zu halten, sondern die Gaia-Hypothese sagt, die Erde steuert sich selbst."
Diese Gaia-Hypothese hatte einen durchaus wissenschaftlichen Hintergrund. Damals dachten Forscher zum ersten Mal darüber nach, wie komplexe Zusammenhänge in sich selbst steuernden und rückkoppelnden Systemen abgebildet werden könnten. Veränderungen in einem Teil dieser Systeme könnten danach zu weitreichenden Folgen in allen möglichen anderen Bereichen des Systems führen, ähnlich wie bei einem lebendigen Organismus, etwa dem eines Säugetiers. Wie erwähnt entwickelte der US-amerikanische Mediziner und Biophysiker James Lovelock daraus noch in den 60er-Jahren seine Theorie von "Gaia", und es liegt nahe, dass ihm dabei das Bild vom bewegten blauen Planeten vor Augen stand.
Lovelock: "Ich sehe die Erde oder Gaia folgendermaßen: Sie ist ein sich selbst regulierendes System, das sich kurz nach der Entstehung des Lebens gebildet hat. Das Ganze ist eine eng verknüpfte sich selbst regulierende Einheit. Es ist absurd sich vorzustellen, dass sich alles unabhängig voneinander entwickelt hat. Ebenso absurd wie die Vorstellung, dass sich in unserem Körper die Knochen und das Skelett unabhängig vom Fleisch entwickeln könnte. Das geht nicht, denn es ist eins. Genau ist es mit der Erde."
Die Wissenschaft vom blauen Planeten
Mit Blick auf immer schwieriger zu überschauende natürlichen und zivilisatorischen Lebensverhältnisse versuchten Forscher zunächst, große soziale, politische und wirtschaftliche Zusammenhänge mit systemtheoretischen Ansätzen in Griff zu nehmen. Entsprechende Ansätze für ökologische Systeme gab es damals noch nicht. So wie es damals überhaupt noch keine Umweltwissenschaften gab. Erst mit Aufkommen der Systemtheorien dämmerte Forschern, dass auch die wechselseitigen Einflüsse von natürlichen und zivilisatorischen Systemen analytisch gefasst werden müssten. Versucht hat das zuerst der Club of Rome, 1968 gegründet als honoriger Zusammenschluss hochgestellter Persönlichkeiten, der auf internationaler Ebene wichtige globale Fragen diskutierte. Club of Rome-Gründer Aurelio Peccei, ein italienischer Industrieller, betonte damals den globalen Anspruch seines Clubs.
Peccei: "Ein wahrer Friede muss vielmehr das gesamte menschliche Zusammenleben auf neue Grundlagen der sozialen Gerechtigkeit und der Achtung vor dem anderen Menschen stellen sowie in Harmonie mit der Natur und den begrenzten Schätzen dieses kleinen Planeten stehen, auf dem wir alle leben müssen und der einst auch unseren Kindern und Kindeskindern Wohnung und Nahrung bieten soll."
Der Club of Rome beließ es nicht beim Appell. Er regte an, die Welt als in sich zusammenhängendes System anzusehen – blauer Planet - und darin die sich öffnende Schere zwischen zunehmender Weltbevölkerung und abnehmenden Ressourcen zu untersuchen:
Sieferle: "Was der Club of Rome gemacht hat, er hat dieses Weltmodell damals verwendet, also ein Modell, das versucht, verschiedene Faktoren auf der naturalen, auf der ökonomischen Ebene miteinander zu verknüpfen und es zu einem interaktiven, rückgekoppelten Modell zu machen. Das war damals außerordentlich schwierig, es war nur möglich, weil es damals die ersten Großcomputer gegeben hat, für damalige Verhältnisse Großcomputer, heute kann das jeder PC rechnen. Aber die Modelle waren im Grunde sehr, sehr schlicht. Was der Club of Rome angewendet hat, ist, zum ersten Mal so etwas überhaupt zu versuchen. Das war wirklich ein wissenschaftlicher Durchbruch."
Niedergeschlagen hat sich diese Globalanalyse 1972 im dem Bericht "Grenzen des Wachstums", verfasst von dem US-Ehepaar Donella und Dennis Meadows. Im Rückblick auf seine Prognosen und Analysen von vor über 35 Jahren sagt Dennis Meadows heute.
Meadows: "Noch immer befinden wir uns global in einer Phase des exponenziellen Wachstums. Wenn diese Kurven immer weiter nach oben schnellen, sind das dann nicht auch Anzeichen für ein Umkippen des System? Für den Kollaps? Es gibt Hunderte von Büchern zum Thema Nachhaltige Entwicklung, und trotzdem haben wir bis heute noch keine Idee darüber, wie wir das Bevölkerungswachstum stoppen können."
Warum haben wir noch keine Idee? Weil es einfach zu kompliziert ist. Viele hatten in der Folge von Apollo und dem Bild vom Space Ship Earth die Überzeugung, die Erde sei ein kompliziertes, aber im Prinzip durchschaubares System; sie lasse sich wie von der Kommandokapsel eines Raumschiffs dirigieren. Systemanalytiker glaubten damals, das System Erde lasse sich nach entsprechender Schadensanalyse ans rettende Ufer dirigieren. Dieses Ansinnen spiegelt indes im Grunde eben jenen Pioniergeist des "alles ist machbar" wider, dessen Kollateralschäden zu beheben diese Forscher angetreten waren. Die natürlichen und die zivilisatorischen Prozesse sind einfach zu komplex miteinander verwoben. Das hatte James Lovelock mit seiner Gaia-Hypothese allerdings schon vor 40 Jahren gewusst.
Sieferle: "Gerade ist ein Interview mit Lovelock erschienen, wo Lovelock, der nicht an die Steuerbarkeit glaubt, weil er meint, diese Systeme sind zu komplex, um gesteuert werden zu können, sagt: Wir laufen in eine große Krise hinein."
Gerade mit Blick auf globale Finanzkrisen, komplizierte Klimamodelle, weltweite Ausbreitung der Wüsten und vieles anderes dämmert des dem Erdenbewohner: Den blauen Planeten global steuern zu wollen, wäre pure Selbstüberschätzung.