Bleibt Frankfurt cool?

Von Anke Petermann |
In Frankfurt am Main wälzen sich täglich Pendler in ihren Autos in die Stadt, produzieren dicke Luft. Und im Sommer werden die Bankentürme wieder zu Wärmespeichern, die Zahl der Tropennächte steigt, das Resultat: Hitzestress. Frankfurt aber will cool bleiben - mit mehr Parks, mehr Passivhäusern, klimafreundlicher Bauplanung und mehr.
Burkhard Kapperer: "Da wollen wir doch mal anfangen, die Sachen auszutauschen. Jetzt wird einfach nur gearbeitet."

Ortstermin des Frankfurter Cariteams im zehnten Stock eines Hochhauses im Ostend. Bei zwölf Lichtquellen in der Sozialwohnung von Theodor Kiflai und seiner Frau lässt sich Strom sparen. Energiesparhelfer Burkhard Kapperer beugt sich unter die Wohnzimmerlampe und schraubt die 60-Watt-Birne heraus. Der langzeitarbeitlose Schlosser arbeitet als Ein-Euro-Kraft im Cariteam.

Kapperer: "Jetzt kommt da eine elf Watt-Birne rein, und die Ersparnis ist so um 80 Prozent rum, ne? Diele, Flur haben wir zwei, Schlafzimmer noch eine ... "

Der Energiesparservice der Caritas bietet Arbeitslosengeld-Empfängern mit Unterstützung der Stadt einen kostenlosen Strom- und Wassersparcheck an. Mit Beteiligung des Bundesumweltministeriums ging das Frankfurter Erfolgsprojekt mittlerweile deutschlandweit in Serie. Theodor Kiflai bekam den Stromsparchek im Rhein-Main-Jobcenter empfohlen, mit dem die Caritas kooperiert. Gilbert Töteberg, langzeitarbeitsloser Ingenieur im Cariteam, zieht das Fernsehkabel aus der Steckdose und wendet sich an Theodor Kiflai:

"Wir bauen Ihnen jetzt eine abschaltbare Steckerleiste ein für Fernseher und DVD-Recorder, weil die immer im Stand-by laufen, und die Stand-by-Zeit einfach zu viel Strom verbraucht. Deshalb kriegt er eine abschaltbare Steckerleiste, da kann er die Geräte an einem Knopf ausmachen."

100 Euro im Jahr kann Theodor Kiflai jährlich am Stromverbrauch sparen und eine Viertel Tonne CO 2. Auf eine Tonne Kohlendioxid pro Jahr weniger kommt ein Zwei-Personen-Haushalt, wenn er zusätzlich zu den Stromspartipps weitere Ratschläge des Cariteams beherzigt: die Heizungen freimachen von Vorhängen und Verkleidungen, beim Lüften vom stundenlangen Fensterkippen bei aufgedrehten Heizkörpern umstellen auf kurzes Fenster-Aufreißen, also Stoßlüftung. In manchen Haushalten treffen die Energiesparhelfer in jedem Kinderzimmer CD-Player und Spielkonsolen auf Stand-by an.

Kapperer: "Fünf Kühlschränke, auf dem Balkon, die dem Wetter ausgesetzt sind, da gibt's Sachen, die sind nicht zu fassen, ja Südseite, ja ... "

Auf der Südseite aber sollte besser die Wäsche auf der Leine hängen, das spart den Strom fressenden Trockner. Noch steigt der Stromverbrauch in Frankfurter Privathaushalten - das Caritas-Modellprojekt für Arbeitslosengeld-Empfänger jedoch zeigt, wie sich umsteuern lässt. Und für normal verdienende Privathaushalte setzt das Förderprogramm "Frankfurt spart Strom" Prämien pro eingesparte Kilowattstunde Strom aus. 270 von 2500 angemeldeten Teilnehmern haben bislang Stromsparprämien kassiert und umgerechnet auf ein Jahr 133 Tonnen Kohlendioxid eingespart. Frankfurts Umweltdezernentin Manuela Rottmann bilanziert:

"Das Tolle daran ist, dass diese Haushalte bislang 25 Prozent ihres Stromverbrauchs eingespart haben. Das macht sich ordentlich bemerkbar auch auf der Rechnung, umso mehr, als die Strompreise steigen werden. Das ist noch nicht die Welt, aber wir versuchen, aus diesen 270 eine Vielzahl von Frankfurtern zu machen, die mitmachen, und wollen im nächsten Jahr das Programm auch ausdehnen ... "

... auf die Gastronomie zunächst mal. Drei Millionen Euro jährlich macht die Stadt Frankfurt locker, um praktischen Klimaschutz anzuregen. In den kommenden zehn Jahren will sie die CO2-Emissionen um ein Fünftel zurückfahren, so das ehrgeizige Ziel des neuen Klimaschutzkonzepts. Soeben gab es da einen Meilenstein zu feiern.

"Der Bauherr ist uns wohl bekannt - er liefert Geld in Stadt und Land."

Launige Poliersprüche und Beifall zum Richtfest der "Greentowers" - die Deutsche Bank lässt ihre Konzernzentrale in den dunkel verglasten Zwillingstürmen energetisch sanieren. "Soll und Haben" nennen die Frankfurter die 155 Meter hohen Doppeltürme. Nachdem die gesamte 40.000 Quadratmeter große Fassaden- und Fensterfläche erneuert wurde, lässt sich jedes zweite Fensterquadrat zum Lüften vorschieben, das spart Energie, weil die Klimaanlage gedrosselt werden kann.

Im Zuge der größten Gebäudesanierung Europas soll bis Ende des Jahres eines der umweltfreundlichsten Hochhäuser weltweit entstehen. "Zwei Drittel der Heizenergie und knapp 60 Prozent Strom werden wir sparen", freut sich Holger Hagge, bei der Deutschen Bank weltweit zuständig für Gebäudeentwicklung. 80 statt 300 Kilowattstunden verbraucht ein IT-Arbeitsplatz künftig im Jahr. Die Abwärme von Geräten und Leuchten wird zum Heizen genutzt.

Holger Hagge: "Wir reduzieren unseren CO2-Ausstoß um fast 90 Prozent, was 11.000 Tonnen pro Jahr entspricht, oder sie würden 6000 PKW im Jahr stilllegen, das ist ungefähr die Vergleichszahl."

Und was gedämmt ist wie eine Thermoskanne, strahlt auch im Sommer nicht so viel Wärme ab, sagt Hans-Georg Dannert vom Planungsteam im Frankfurter Umweltamt. Aber noch sind nur wenige Büro-Hochhäuser so dicht wie Thermoskannen. Ein Grund: So lange sich steigende Preise für Energie auf die Mieter abwälzen lassen, drängt es Gebäudeeigentümer kaum, für viel Geld energetisch zu sanieren.

An diesem zugigen kalten Wintertag verschlagen einem auf dem Jürgen-Ponto-Platz unweit der Deutschen-Bank-Zentrale kalte Böen den Atem, sie scheinen von den Büroturmfassaden zu fallen. Der Gedanke an Hitzestress scheint unendlich weit weg, aber nur für den Laien, nicht für den Experten vom Frankfurter Umweltamt. Er hat den städtischen Klimaatlas der Universität Kassel und die Simulationen des Deutschen Wetterdienstes im Hinterkopf.

Mag die gestaffelte Hochhauslandschaft eisige Fallwinde kanalisieren und ganze Areale unangenehm zugig machen, das täuscht Hans-Georg Dannert nicht darüber hinweg, dass der raue Stadtkörper die Windströmung insgesamt bremst. Und genau das wird in der warmen Jahreszeit zum Problem, zusätzlich zur flächigen Versiegelung in der Innenstadt. Das Zentrum rund um die Frankfurter Hauptwache wird an windstillen Sommertagen zur "Wärmeinsel".

Hans-Georg Dannert: "Dann ist es so, dass das, was wir tagsüber an Sonneneinstrahlung haben, nachts von den Baumaterialien, vom Pflaster, von den Wänden als langwellige Wärmestrahlung ausgestrahlt wird und das kann dann durchaus unangenehm werden, speziell für Menschen mit Herz-Kreislauf-Problemen, ältere Menschen, die dann in solchen Nächten keinen erholsamen Schlaf mehr finden und unter diesem Hitzestress leiden.

Das ist eines der wichtigen Themen beim Stadtklima, dass man darauf achtet, dass sich diese Überwärmung im Sommer nicht zu stark ausprägt, dass man gute Belüftung herstellt, dass es nicht zu versiegelt ist, dass man nicht zu viel mit dunklen Materialien arbeitet. Dunkler Asphalt speichert die Wärme noch mal mehr als helle Bodenbeläge, dass man auch viel Begrünung drin hat. Bäume, wie wir sie hier am Rande sehen, spenden Schatten, reduzieren die direkte Einstrahlung enorm. So will man also ein abwechslungsreiches Klima in der Stadt haben ..."

... bekundet Hans-Georg Dannert und deutet auf die noch bis in den tiefen Winter belaubten Platanen auf der Frankfurter Zeil. Die neue Einkaufspassage "My Zeil" hält ihre verspiegelte Fassade allerdings genau der Mittagssonne entgegen, die reflektierende Strahlung heizt Frankfurts Shoppingmeile im Sommer weiter auf - klimaverträgliches Bauen sieht anders aus. Um rund 50 Prozent dürfte in den kommenden 40 Jahren die Zahl der Sommertage mit einer Temperatur von 25 Grad steigen, hat der Deutsche Wetterdienst ermittelt.

Dannert: "Da wird der eine sagen, dass ist ja wunderbar, deutlich ist aber auch, dass natürlich die Hitzenächte, die Tropentage, also die unerträglichen Situationen im Hochsommer entsprechend ansteigen werden und wir darauf werden reagieren müssen, mit Vorwarnsystemen. Also, wir haben in der Stadt eine Koordinierungsgruppe Klimawandel extra eingerichtet, das Gesundheitsamt hat hier ein Hitzewarnsystem eingerichtet für Krankenhäuser, Altenheime, speziell die hohen Sterberaten in diesem Hitzesommer 2003 haben das natürlich forciert."

Sich auf die Überwärmung der Stadt einzustellen und sie gleichzeitig zu bekämpfen - das ist mittlerweile zur doppelten Herausforderung für die Kommunalpolitik geworden. Schon Anfang der neunziger Jahre beschlossen Frankfurts Stadtverordnete, den grünen Gürtel aus Stadtwald, Niddatal und Berger Rücken mit seinen Hügel-, Auen- und Dünenlandschaften zu schützen und zu entwickeln, kurz darauf erklärte ihn das Land Hessen zum Landschaftsschutzgebiet.

1996 zeichneten die Vereinten Nationen den Grüngürtel als gelungenes Beispiel für nachhaltige Stadtentwicklung aus. Für Frankfurt ist er Luftröhre und Lebensader. Und die gut durchlüfteten Stadtviertel, beispielsweise im Frankfurter Norden, werden immer begehrter:

Dannert: "Die Stadteile dort an der Nidda, an den Taunusbächen, direkt angrenzend an Kaltluftentstehungsgebieten, die sind natürlich bevorzugt. Und wir bekommen auch häufiger mittlerweile Anfragen von Wohnungssuchenden, die hier in Frankfurt ihren Wohnort danach ausrichten, wo sie sich klimatisch, was die Lufthygiene auch angeht, gut aufhalten könne.

Und die planen für ihre Familien, und die wollen auch wissen, wie sieht das in Zukunft aus und fragen mittlerweile sehr genau nach. Das ist letztendlich in der Konkurrenz von Metropolen auch ein wichtiger Faktor. Und ich denke, dass Frankfurt da was zu bieten hat."

Zum Beispiel das Areal an der früheren Großmarkthalle im Frankfurter Ostend. Den denkmalgeschützten Bau wird die Europäische Zentralbank in ihren neuen Sitz einbeziehen, zusätzlich errichtet sie in den kommenden vier Jahren zwei 185 Meter hohe Doppeltürme.

Früher umgab ein düsteres, verlärmtes Gewerbegebiet die Großmarkthalle, heute erstreckt sich eine großzügig bebaute Wohngegend am Fluss. Ab April wird die EZB-Großbaustelle hier wieder für Krach sorgen. Derzeit ziehen leise brummend Frachter vorbei.

Dannert: "Wir haben einzelne Punkthochhäuser, die einen gut durchlüfteten Bereich weiterhin erhalten. Der Main - eine der wichtigsten Ventilations-, Durchlüftungsbahnen überhaupt im Frankfurter Stadtgebiet. Der Maintal Abwind, der im Hochsommer kühle, frische Luft in die Stadt reinführt und vor allen Dingen die Straßen, die zum Main führen strahlpumpenartig entlüftet.

Das ist recht vorbildlich hier gehalten, Sie sehen, das Ufer ist breit angelegt mit Grünflächen. Hier kann der Wind nachts gut einströmen, sodass wir uns hinsichtlich des Stadtklimas uns im wahrsten Sinne des Wortes nichts verbaut haben."

Frischluftschneisen und Grünflächen freizuhalten, ist ein Ziel Klima schonender Stadtplanung. Andererseits muss sie eine gewisse Verdichtung zulassen, sonst treibt sie gerade Familien zum Bauen auf der grünen Wiese in den Frischluftentstehungsgebieten der Wetterau.

In der ehemaligen US-Militär-Siedlung Edward's Housing am Frankfurter Berg sollen 110 Einfamilienhäuser auf ein ehemaliges Sportgelände der Amerikaner gesetzt werden. Ein kleiner Teil des weitläufigen Geländes wurde vor Jahren für Parkplätze geteert, seitdem heißt das Ganze Areal schnöde "Schwarzer Platz". Doch dieser hat sich nach Meinung der Anwohner in den zehn Jahren nach dem Abzug der US-Soldaten zum Biotop und Erholungsgebiet entwickelt ..."

" ... weil wir ja doch die Möglichkeit haben, frei fliegende Falken zu beobachten, es hier Feldhasen gibt, auch immer mal wieder Fasane zu sehen sind, und hier in den Pappeln, die ja fallen sollen, nisten auch Fledermäuse."

"Wenn man hier durch den Stadtteil geht und sieht, wie viel zugebaut wird, muss man sich fragen, müssen die Leute, wenn sie ins Grüne wollen, dann gleich in den Taunus fahren, oder wohin sollen sie ausweichen? Wenn das hier wegfällt, dann ist einfach viel weniger Freizeitraum da, der genutzt werden kann, um sich zu erholen, um spazieren zu gehen. Und natürlich ist das hier auch eine Art Kühlkeller für den Stadtteil. Das heißt, im Sommer wird hier auch kalte Luft produziert durch diese große freie Flächte, die dann auch in den Stadtteil reinzieht."

An diesem verschneiten Wintertag ist der "Schwarze Platz" weiß, weiter hinten ragen Halme aus dem Schnee. Zum Ortstermin ist ein Dutzend Aktiver der Bürgerinitiative gegen die Bebauung erschienen, am wortgewaltigsten argumentieren der elfjährige Luca und der zehnjährige Manu dafür, die Wiese zu erhalten:

Luca: "Wir spielen, wir lassen Drachen fliegen, wir machen auch unseren Kampfsport Capoeira auf dieser Wiese."

Manu: "Von der Schule lauf ich alt immer hier rum zum Hort, der ist direkt hinter der Wiese, und deswegen finde ich meinen Schulweg sehr schön. Und die Petra Roth hat auf ein Schreiben geantwortet, indem sie schreibt, dass wir viele neue Freunde im Wohngebiet finden werden, mit denen wir dann spielen können, aber da stellt sich natürlich die Frage: Wo spielen, wenn das Ganze Grün weg ist?"

Fragt Luca und wedelt mit dem Antwortbrief der Oberbürgermeisterin von der CDU, der ihn nicht im Mindesten beschwichtigt. Im Ortsbeirat bekämpfen SPD und Linke die Baupläne - Ende offen. Wie die Preungesheimer Streuobstwiesen, die bebaut wurden, so gilt auch der Schwarze Platz nur als Klimapuffer von zweitrangiger Bedeutung, nicht als unverzichtbare Frischluftschneise.

Doch die Bürgerinitiative bezweifelt das, fordert neue Klima-Gutachten und will notfalls vor das Verwaltungsgericht ziehen. Das Umland weiter zersiedeln lassen oder dem hoch belasteten Stadtgebiet durch ein weiteres Baugebiet die Luft zum Atmen rauben? Alternativen, die Kommunalpolitiker in einen schmerzhaften Spagat zwingen.

670.000 Einwohner hat Frankfurt am Main. Die pusten mit fast 13 Tonnen Kohlendioxid pro Kopf und Jahr rund zweieinhalb Tonnen mehr in die Luft als der Bundesdurchschnitt. Was nicht bedeutet, dass Frankfurter besonders heftige Umweltverschmutzer sind.

Statistisch gesehen muss aber die Wohnbevölkerung der Bankenmetropole die Klimasünden von 330.000 großenteils motorisierten Berufspendlern samt deren Beschäftigung beispielsweise in Strom fressenden Rechenzentren mit schultern. Auto reisende Messe- und Hotelgäste verhageln zusätzlich die Klimabilanz. Die Einpendler lassen die Großstadt am Main tagsüber erst zur Millionen-Metropole anschwellen. Der geballte Zustrom lässt bei den Anwohnern der Friedberger Landstraße die Tassen auf dem Tisch tanzen und verursacht dicke Luft. Frankfurt hat den EU-Grenzwert für Feinstaub im Jahr 2009 überschritten.

Seit dem ersten Januar dürfen Autos mit roter Plakette nicht mehr in die Innenstadt einfahren. Im Durchschnitt sind die Feinstaubwerte schon gesunken, diese Problematik bekomme man mit Hilfe der Umweltzone zunehmend in den Griff, meint Umweltdezernentin Manuela Rottmann. Die Stickoxidbelastung sei weit problematischer. Um den in diesem Jahr neu eingeführten EU-Grenzwert einhalten zu können, müsse das Land Hessen handeln, fordert die Grüne:

"Der Verkehr ist ein wesentlicher Faktor bei den Stickoxiden. Geschwindigkeitsbegrenzungen wären eine Möglichkeit, die werden vom Land abgelehnt. Deshalb laufen wir da sehenden Auges in die Überschreitung hinein, aber die Kommunen haben da momentan keine weiteren Handlungsmöglichkeiten.

Man kann die Einhaltung der Grenzwerte einklagen, und ich fordere die Bürger auf, das auch zu tun. Man muss da Druck machen. Das hilft uns als Kommune, gegenüber dem Land und dem Bund, weitere Handlungsmöglichkeiten einzufordern."

Auf einem anderen Gebiet kann die Stadt selbst handeln, und da hat sie sich an die Spitze der Klimaschutzbewegung gesetzt. Gemeinsam mit ihrer Wohnungsbaugesellschaft ABG Frankfurt Holding holt sie das Passivhaus aus dem Nischendasein, sowohl bei Neubauten als auch bei der Sanierung.

Im Frankfurter Nordend baut die ABG derzeit drei Fünzigerjahre-Wohnblocks um. Ein Block des H-förmigen Komplexes ist schon fertig und leuchtet in warmen Orange-Rottönen, von einem Neubau äußerlich nicht zu unterscheiden. Garth Plenty ist Ende vergangenen Jahres aus einem ungedämmten Fünfzigerjahre-Bau hierher umgezogen, jetzt räumt er die Möbelverpackungen aus der Wohnung und erinnert sich schaudernd an seine frühere Bleibe:

"Der Boden war kalt, Wände waren kalt, alles war kalt. Und hier zum Vergleich ist es ziemlich warm da drin, so warm, dass ich gern im T-Shirt rumlaufe und in kurzer Hose. Davon abgesehen ist es Flatrate-Heizen, man kann heizen, so viel man möchte und bekommt keine Rechnung."

Rund sechs Euro an Nebenkosten würden in den neuen Passiv-Wohnungen monatlich anfallen, die ABG Frankfurt Holding verzichtet darauf, diese Bagatellbeträge zu berechnen. Flatrate-Heizen im Passivhaus bedeutet nämlich: das Haus heizt sich durch eine perfekte bis zu 40 cm dicke Dämmung der Außenhülle samt dreifach verglasten Fenstern selbst - unter anderem mit Körperwärme und der Abwärme elektrischer Geräte.

Frank Junker: "Von oben vom Dach über die Außenwände bis zum Keller, das wird alles komplett verpackt nach dem Prinzip Thermoskanne, sodass es keinen unkontrollierten Luftaustausch mehr gibt. Das macht das Passivhaus aus. Und das Ganze kombiniert mit einer kontrollierten Be- und Entlüftung, sodass sie immer eine Luftwechselrate haben, aber kontrolliert, nicht unkontrolliert über Fenster, Nischen, Wärmebrücken, sondern automatisiert, sodass sie eine ständige Frischluftrate in der Wohnung haben, und zwar mehr und besser als bei einer normalen Wohnung ... "

... erklärt ABG-Geschäftsführer Frank Junker. Er steht im unverputzten Treppenhaus des zweiten Blocks, in dem gerade Dämm-Folie auf dem Fußboden ausgerollt wird. Der Kohlendioxid-Ausstoß von Passivhäusern betrage maximal noch ein Zehntel im Vergleich zu herkömmlichen Mietshäusern.

Junker: "Und hier in der Rotlintstraße gibt es eine Besonderheit insofern, als das ein CO2-neutrales Gebäude ist. Hier findet die Beheizung nicht über Gas statt, sondern über ein kleines Blockheizkraftwerk statt, was Sie da neben dem Eingang gesehen haben, und das wird befeuert mit Rapsöl, also mit einem biogenen Kraftstoff. Und der setzt natürlich nur so viel CO2-frei, wie der Raps im Lauf des Wachstums aufgenommen hat und insofern ist das hier ein CO2-freies Haus.

Wir bauen Objekte dann, wenn sich das Ganze rechnet, und das ist bei diesen Häusern hier der Fall. Da wird nichts subventioniert, ganz im Gegenteil: diese Häuser leisten einen hohen positiven Deckungsbeitrag für das Gesamtunternehmen und geben die einzig richtige Antwort zum Thema Klimaschutz, dass man eben CO2-Emissionen gar nicht erst entstehen lässt."

Rund 1000 Passivhauswohnungen hat die ABG schon realisiert oder im Bau. Die Stadt und ihre größte Wohnungsbaugesellschaft spornen sich gegenseitig an.

"Die Stadt Frankfurt baut beispielsweise ihre Schulen und Kitas auch nur noch im Passivhausstandard, das machen andere Städte und Gemeinden bislang in dieser Form noch nicht, das ist die Stadt Frankfurt Vorreiterin. Und insgesamt trägt die Aktivität der Stadt Frankfurt als auch von uns dazu bei, dass die Stadt Frankfurt die Passiv-Hauptstadt Europas ist."

Frankfurt am Main - eine Stadt versucht, cool zu bleiben. Trotz ernsthafter Anstrengungen - insgesamt steht sie beim Klimaschutz noch im Soll.