Mit anderen Augen

Was heißt es, blind zu sein?

89:08 Minuten
Eine blinde Frau mit Blindenhund an der Leine drückt in einem Fahrstuhl einen Knopf.
Als Kind hat sie mit einer Lupenbrille lesen gelernt, heute ist ihr Smartphone neben ihrem Blindenhund „Harry“ ihr wichtigster Begleiter. (Symbolbild) © Getty Images / Digital Vison / Maskot
Moderation: Vladimir Balzer |
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Unsere Welt ist für Sehende gemacht. Was heißt es, als blinder oder sehbehinderter Mensch im Alltag klarzukommen? Welche Probleme haben sie? Welche Hilfsmittel gibt es, damit auch sie möglichst barrierefrei am Leben teilhaben können?
Nicht sehen zu können – für die meisten sehenden Menschen ist das eine schlimme Vorstellung. Schließlich leben wir in einer visuell geprägten Welt. Was aber heißt es, blind zu sein? Wie kommen Blinde und Sehbehinderte klar im Alltag, im Haushalt, beim Einkaufen, im Verkehr oder an der Arbeit? Wie erschließen sie sich die Welt, auf welche Hindernisse stoßen sie, welche Hilfsmöglichkeiten gibt es?

Blinde werden zu oft unterschätzt

„Das wirklich Unangenehmste ist, wenn Menschen meinen, ich als blinder Mensch könne alle möglichen Dinge nicht“, sagt Heiko Kunert. Der Geschäftsführer des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg ist seit seinem siebten Lebensjahr blind, bedingt durch einen Tumor in der Netzhaut.
Blinde würden nicht nur im Alltag unterschätzt, folgenreicher sei die Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt. „Es gibt Schätzungen, wonach nur rund 30 Prozent der blinden Menschen im erwerbsfähigen Alter überhaupt auf dem ersten Arbeitsmarkt beschäftigt sind. Die anderen 70 Prozent sind entweder arbeitssuchend, frühverrentet oder in irgendwelchen Maßnahmen zur beruflichen Wiedereingliederung.“
Der Diplompolitologe und sein Team beraten Betroffene und ihre Familien, wie sie die nötigen Hilfsmittel bekommen können, für die Arbeit und den Alltag – oft ein zermürbender Kampf. Die meisten Ratsuchenden, so Kunert, seien im Rentenalter oder älter: „Blindheit ist eine Seniorenkrankheit.“
In den Gesprächen gehe es um grundsätzliche Fragen: „Gibt es ein Telefon, mit dem ich noch telefonieren kann? Habe ich noch die Möglichkeit, allein zu wohnen? Wie kann ich weiter kochen?“
Doch auch in den Schulen gebe es trotz Inklusionsbemühungen nach wie vor Hürden. Viele entnervte Eltern meldeten ihre Kinder letztlich in Förderschulen an. Eine Barrierefreiheit sei noch lange nicht erreicht, so Kunert, der auch einen eigenen Blog unterhält.

„Die Technik verleiht mir Flügel“

„Digital kenne ich keine Grenzen, ich lebe online barrierefrei“, sagt Lisa Mümmler. Die stark sehbehinderte Bloggerin hat ein Restsehvermögen von etwa fünf Prozent. Sie hat Germanistik und Philosophie an der Universität Heidelberg studiert und arbeitet als Onlineredakteurin. In ihrem Blog „Lizzis Welt“ und ihrem Podcast berichtet sie über ihren Alltag in analogen wie im digitalen Raum.
Als Kind habe sie mit einer Lupenbrille lesen gelernt, heute sei ihr Smartphone – neben ihrem Blindenhund „Harry“ – ihr wichtigster Begleiter. „Die Technik verleiht mir Flügel.“
Dank verschiedener Apps könne sie problemlos Speisekarten oder Busfahrpläne lesen, sich Texte mit einem Sprachprogramm vorlesen oder von Sprachassistenten durch die Stadt navigieren lassen. „Online gibt es kein Wollen, aber nicht Können.“

Mit anderen Augen – Was heißt es, blind zu sein?
Darüber spricht Vladimir Balzer am 4. Juni mit der sehbehinderten Bloggerin Lisa Mümmler und mit Heiko Kunert vom Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254 sowie per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de.

(sus)

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