Hören Sie hier noch unser Kollegengespräch zu dem Thema: Stiefkinder - warum der DFB den Blindenfußball vernachlässigt.
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Kicken nach Gehör
Seit elf Jahren gibt es Blindenfußball in Deutschland. Auf die Braun-Weißen vom FC St. Pauli geht die Initiative zurück. Nach Deutschland gebracht haben den Sport aber die Engländer.
"Genau. Einfach ein Gefühl dafür entwickeln. Das ist super ganz locker, ganz entspannt…"
Training auf dem Sportplatz im Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte.
"Das ist echt nicht leicht. Aber das ist ein cooler Sport: Blindenfußball. Ich taste mich langsam ran."
Niko Hemerling ist dreißig, war Worldcup-Teilnehmer im Triathlon und gehört jetzt zum Team des FC St. Pauli.
Der Ball ist eine Rassel
"Manchmal ist das einfach so: dann geht mir der Ball zu früh weg, und das ist schade."
Ziel ist, den rasselnden Ball eng am Fuß zu führen, sagt Trainer Wolf Schmidt.
"Blindenfußball ist Fußball. Und da geht es um eins, und das ist Ballkontrolle. Und dann ist es halt viel schwerer, wenn du den Ball nicht siehst."
"Blindenfußball ist Fußball. Und da geht es um eins, und das ist Ballkontrolle. Und dann ist es halt viel schwerer, wenn du den Ball nicht siehst."
Niko kann den Ball nur ausfindig machen, wenn er rollt.
Links? Rechts?
"Hast du eine Idee, wo er sein könnte? – Ich habe mich ganz viel bewegt. Also, links von mir? – Links von dir ist richtig. Hinter dir."
Zwanzig mal vierzig Meter Rasen, zwei Hockey-Tore und an den Seiten hüfthohe Bande, so sieht das Heimstadion der Blindenfußballmannschaft des FC St. Pauli aus. Einer der Stars ist Ex-Nationalspieler Serdal Celebi.
"Ich habe auch Sehenden-Fußball gespielt; und dann wurde ich irgendwann blind und war traurig, dass ich nicht mehr Fußball spielen konnte. Und 2009 habe ich Blindenfußball kennen gelernt, und seitdem bin ich dabei.
Ich spiele seit fast fünf Jahren Blindenfußball."
Langsam reingerutscht
Jonathan Tönsing war schon als Kind St. Pauli-Fan. Der 17-jährige Schüler gilt als eines der großen Talente des deutschen Blindenfußballs.
Wolf Schmidt, unser Trainer, hatte mir mal angeboten, dass er ein Blindenfußball-Probetraining für mich und ein paar Freunde machen könnte. Dann hieß es: ja gut, kommt doch nächstes Mal wieder. Und so sind wir dann langsam reingerutscht.
"Jetzt sind wir mittlerweile so stark, dass sie auch miteinander kommunizieren und sich auf dem Platz auch frei und sicher bewegen, weil sie wissen, dass die Mitspieler kommunizieren… voy... Oh, sorry. ...Macht nichts, macht nichts. Ich war nur spät dran."
Voy - Achtung ich komme
Voy "Achtung, ich komme!" muss jeder rufen, der zum Ball geht.
"Irgendwann geht einem das so in Fleisch und Blut über, dass man da nicht mehr dran denken muss. Aber unsere beiden Neuen sind schon so zwei Kandidaten, die kriegen hier im Training auch öfter mal ganz deutlich die Meinung gesagt, wenn sie mal wieder ohne voy den Ball hinterherrennen und es dann einfach so scheppert. Aber die tun sich halt schwer."
"Irgendwann geht einem das so in Fleisch und Blut über, dass man da nicht mehr dran denken muss. Aber unsere beiden Neuen sind schon so zwei Kandidaten, die kriegen hier im Training auch öfter mal ganz deutlich die Meinung gesagt, wenn sie mal wieder ohne voy den Ball hinterherrennen und es dann einfach so scheppert. Aber die tun sich halt schwer."
Auch für Sehende heißt Blinden-Fußball: reden, reden, reden.
Jede Mannschaft hat Guides an den Seitenlinien und hinter dem gegnerischen Tor, das beim Blindenfußball von Sehenden gehütet wird.
Jede Mannschaft hat Guides an den Seitenlinien und hinter dem gegnerischen Tor, das beim Blindenfußball von Sehenden gehütet wird.
Spieler wollen selber entscheiden
"Und der gegnerische Offensiv-Guide steht dahinter und sagt dann: "Sechs Meter. Ein Mann vor dir, links frei, komm! zwei Schritte, Schuss! Schuss!"
Das war immer ein bisschen so: die Guides, die geben die Anweisungen. Aber eigentlich wollen die Spieler gar nicht die Anweisung hören, sondern die wollen quasi ein gutes Abbild haben, was auf dem Platz möglich ist, um dann selber zu entscheiden… Weiter Mike. Du hast noch drei Meter vor Grund."
Michael Löffler ist Blindenfußballer der ersten Stunde. Alles begann, als er erstmals auf den Schwerbehinderten - Plätzen hinter der Holzbande am Millerntor saß.
Blindenfußball kam aus England
"Man war ganz nah dran, man hat die Spieler sich Kommandos geben hören. Und dann habe ich einfach gedacht: dieser Verein ist es, und habe dann irgendwie mit dem damaligen Präsidenten ein Gespräch führen können, und er hat gesagt: "Schreibt mir mal, was ihr euch so wünscht?" Und dann hatten wir die sogenannten Hörplätze im Stadion gegründet."
Das war vor zwölf Jahren. Der Audio-Guide, der die Spiele am Millerntor für die Blinden kommentierte, war der jetzige Trainer Wolf Schmidt.
Blindenfußball war damals in Deutschland unbekannt. Den Startschuss gab die englische Nationalmannschaft mit einem Workshop. 2008 wurde die Bundesliga gegründet. Das diesjährige Finale im September bestreiten der FC St. Pauli und Blau-Gelb Blista Marburg. Marburg, Sitz der deutschen Blindenstudienanstalt, ist Talentschmiede des Blindenfußballs.