"Ich hör' den Ball"
Sechs Vereine in ganz Deutschland bieten derzeit Blinden die Möglichkeiten, Tennis zu spielen - mit Hilfe der verbliebenen Sinne. In im ostwestfälischen Löhne schlägt quasi das Herz der Blindentennis-Bewegung.
Tennis hört sich ein wenig anders an auf einem Teil der Platzanlage im Löhner TC – dort, wo Blinde und Sehbehinderte Tennis spielen. Weil der Ball zehn Zentimeter Durchmesser hat, aber das ist nicht die einzige Besonderheit, erklärt Tennislehrer Marc René Walter: "Das ist ein normaler Schaumstoffball, den man vielleicht aus'm Methodik- Training kennt. Der wird aufgebohrt, da wird ein hohler Tischtennisball reingepackt mit Eisenkugeln drinne. Der wird wieder zugeklebt und dann haben wir Bälle, die einigermaßen springen, aber halt viele Geräusche geben." Seit etwa einem Jahr spielt Mia von Stürmer auf der Platzanlage. Sie ist zehn Jahre alt und blind und arbeitet mit ihrer Trainerin daran, den Ball übers Netz zu bringen. "Wir haben hier Bälle und sie lässt dann 'n Ball auftippen und ich muss den versuchen übers Netz zu schlagen." Orientierung ist dabei ganz entscheidend. "Ich hör' den Ball. Also sie wirft den und ich hör' dann, wie weit der auftippt. Dann weiß ich an der Entfernung 'Ah, der ist soundso weiter weg und der ist soundso nah' und dann muss ich den schlagen." Worte müssen Blicke ersetzen und so erlebt auch Trainerin Carla Iburg ihre Arbeit noch einmal neu. "Da wird dann Tennis nochmal viel intensiver, finde ich. Weil man sich viel mehr mit dem Ganzen auseinandersetzen muss: wie das überhaupt funktioniert, gewisse Abläufe, weil man's ja auch nicht zeigen kann, sondern man muss ja alles in Worte fassen. Das finde ich teilweise am schwierigsten." <h2>Der Ball darf dreimal im Feld aufkommen</h2> Sich auf die Möglichkeiten der Tennisspieler einzustellen, das ist die Philosophie von Haupttrainer Marc René Walter. Denn keines der 350 Mitglieder im Löhner TC wird irgendwann einmal Grand Slam-Sieger – ganz gleich, ob hüftsteif, übergewichtig oder eben blind. "Und jetzt haben wir ein Klientel, was uns als Trainer vielleicht an manchen Stellen herausfordert, Übungen umzudenken. Und ob ich jetzt einen Blinden habe, 'nen Sehbehinderten oder 'n fünfjähriges Kind oder den Sechzigjährigen, der nicht mehr laufen kann: Was muss ich mit ihm machen, dass es ihm Spaß macht, dass er 'n Erfolg hat, dass er 'n Fortschritt sieht? Von daher: Umdenken ja, aber auf 'ne spannende Art und Weise und nicht auf 'ne Art und Weise, die einen behindert." Beim Blindentennis orientiert man sich an den drei paralympischen Klassen für Sehbehinderung. Entsprechend darf der Ball dann bis zu dreimal im Feld aufkommen, bevor er geschlagen werden muss. Die verbleibenden Sinne werden für die Spieler desto wichtiger: Hören, tasten, sich orientieren, erklärt Bastian Staller, der als Kind sehen konnte. <h2>Die Angst wird weniger</h2> "Ja, die haben mir an den Seiten halt alles weggeräumt, wo man drüber stolpern kann. Und dann halt erst das Feld abgehen. Wieviel Schritte man zurückgehen kann, bis das Aus hinten ist oder die Seitenauslinie kommt. Oder das Netz kommt. Dass man sich das irgendwie einprägt. Wieviel Schritte man letztendlich läuft und dass man auch immer wieder die Mitte findet." Was Sehende unterschätzen: Mit dem Tennisplatz erobern sich Blinde einen für sie sicheren Bewegungsraum. Trainer Fabian Kollmeier beobachtet dies immer wieder. "Man merkt schon, dass sich einige sicherer auf dem Platz bewegen. Das heißt, je öfter man den Platz abgegangen ist. Je öfter man mit ihnen bestimmte Übungen gespielt hat: dass sie sich einfach viel, viel sicherer fühlen auf dem Platz. Ich glaube schon, dass die Angst irgendwo immer noch da ist, natürlich. Aber die wird weniger und die nimmt man denen, indem man ihnen natürlich immer wieder zeigt: Wir sind hier, wir passen auf und eigentlich, auf diesem Tennisplatz kann nichts passieren."