Surfer Ben Neumann
Ben Neumann orientiert sich auf dem Wasser durch sein Gehör. © Imago / Marc John
Blind auf der Welle
05:31 Minuten
Als kleiner Junge verlor Ben Neumann sein Augenlicht. Sport machte er trotzdem weiter und holte bereits Bronze im Parasurfen. Immer wieder ist er auch international unterwegs – und hat bereits ein neues Ziel.
Auf der Eisbachbrücke im Englischen Garten stehen Schaulustige - und beobachten Surferinnen und Surfer, die die Flusswelle abreiten. Dass man mitten in München surfen kann, das liegt beim Eisbach an einer ins Flussbett montierten Bahnschwelle.
Viele Surfer fallen sofort wieder vom Brett herunter - oder fahren nur ein-, zweimal von einer Kanalwand zur nächsten. Das ist bei Ben Neumann anders.
Warten schwieriger als Surfen
Auf vielen Videos im Internet sieht man, dass der Surfer mit dem gelbem Helm und den drei schwarzen Punkten die Welle viele Male abreitet, von links nach rechts und wieder zurück. Schwieriger ist für ihn das, was für mich am leichtesten ist: das in der Schlange stehen.
„Dass mein Coach mir dann einfach ansagt: Jetzt bist du der Dritte zum Beispiel. Jetzt kannst du noch einen Meter aufrücken, Stückchen nach links. Und wenn ich dann dran bin, dann sagt er einfach: Jetzt geht's los.“
Im Wasser auf sich alleine gestellt
Ben Neuman wirft dann sein Brett ins Wasser - er steigt drauf, macht sich klein, die Beine sind gebeugt. Dann surft er von einer Kanalwand zur gegenüberliegenden und wieder zurück.
Sobald er auf dem Wasser ist, ist er auf sich gestellt. Seinen Coach hört er erst wieder über den Kopfhörer, wenn er an Land kommt.
Auch ich bin schon auf dem Eisbach gesurft - auf der Anfängerwelle, E2 genannt. Schaulustige sind da nicht, denn die Welle ist tief im Park versteckt.
Perfekt, wenn man nicht beobachtet werden will - so wie ich. Drei Monate übte ich. Trotzdem habe ich mich nie zur großen Eisbachwelle vorgewagt. Für mich war das Surfen des Eisbaches vor allem deshalb schwierig, weil ich Angst hatte, mit dem Kopf gegen die Wand zu knallen, obwohl ich sehen kann.
Orientierung durch Gehör und Körpergefühl
Ben orientiert sich durch sein Gehör und er fühlt die Welle: „Der dritte Punkt ist, dass ich auch gerne beim Surfen mal meine hintere Hand ins Wasser strecke.“
Körpergefühl, darum geht es in Ben Neumanns Leben seit seinem sechsten Lebensjahr viel. Damals beginnt er durch eine Krankheit sein Augenlicht zu verlieren.
Mit ungefähr acht Jahren hat er weniger als zwei Prozent seines Augenlichts – und ist damit gesetzlich blind. Zusammen mit seinen Eltern beginnt er die Flucht nach vorne. Er macht viel Sport und fährt auch weiterhin Ski.
Es war tatsächlich so, dass ich zu meinem 13. Geburtstag in München einen Gutschein für die Indoorwelle bekommen habe. Die erste Stunde hat gleich sehr gut funktioniert und hat vor allem auch wahnsinnig viel Spaß gemacht. Damit sind wir drangeblieben. So hat sich das dann Stück für Stück weiterentwickelt.
Ben hat sein eigenes Feedbacksystem
Ich habe Surfen später gelernt als Ben, mit Anfang 20. Immer wieder habe ich Wellenreiter gesehen - und es sah nach Spaß aus.
Bis heute lerne ich so, durch meine Augen. Ben lernt durch Ausprobieren. Sein Feedbacksystem ist, wenn eine Bewegung funktioniert und sich gut anfühlt.
„Meinen Eltern ist es auch schon aufgefallen, dass ich dadurch, dass ich blind bin und mir nichts von anderen Surfern abschaue, einen relativ eigenen Stil entwickelt habe. Ich gehe quasi an das Surfen relativ unvoreingenommen ran. Deswegen habe ich vielleicht dadurch, dass ich eben das Surfen erst erlernt habe, nachdem ich blind war, vielleicht schon einen spezielleren Stil, den ich so nicht gehabt hätte, wenn ich sehen würde."
„Meinen Eltern ist es auch schon aufgefallen, dass ich dadurch, dass ich blind bin und mir nichts von anderen Surfern abschaue, einen relativ eigenen Stil entwickelt habe. Ich gehe quasi an das Surfen relativ unvoreingenommen ran. Deswegen habe ich vielleicht dadurch, dass ich eben das Surfen erst erlernt habe, nachdem ich blind war, vielleicht schon einen spezielleren Stil, den ich so nicht gehabt hätte, wenn ich sehen würde."
Wie sein Vater Ben unterstützt
Bens Eltern unterstützen ihn, obwohl keiner der beiden surft. Trotzdem ist im Moment noch meistens Bens Vater mit ihm am Eisbach und auch auf dem offenen Meer lotst er ihn zur Welle und auch wieder zurück.
Auf der Welle im offenen Meer ist Ben, genauso wie auf dem Eisbach, auf sich gestellt. Teilweise sind die Wellen, die er surft, um die 2,30 Meter hoch. Auch das WM-Bronze im Parasurfen holte er im Pazifik, und er war schon häufig auf Lanzarote.
Auch ich war schon vor den Kanaren auf dem Wasser. In Erinnerung geblieben ist mir vor allem: funkelndes Wasser durch Sonnenstrahlen, die auf den dunkelblauen Ozean treffen. Sicherlich, vieles ist unterschiedlich, wenn man sehend surft – aber der Kern ist am Ende gleich, das Gefühl.
„Dass das Ganze einfach flüssig sein soll, powerful sein soll. Da hat jeder so seinen ganz eigenen Stil. Und da muss man jetzt nicht irgendwie einen speziellen Stil surfen, sondern einfach das so für sich gut hinbekommen.“
„Dass das Ganze einfach flüssig sein soll, powerful sein soll. Da hat jeder so seinen ganz eigenen Stil. Und da muss man jetzt nicht irgendwie einen speziellen Stil surfen, sondern einfach das so für sich gut hinbekommen.“
Großes Ziel: Paralympics
Ben Neumann wird diesen Stil immer weiterentwickeln. Falls Surfen olympisch wird, ist eine Teilnahme an den Paralympics 2028 in Los Angeles sein nächstes großes Ziel.
Mein nächstes großes Ziel habe ich mir bei Ben abgeschaut: Ich werde bei der nächsten Session die hintere Hand ins Wasser strecken, damit ich die Welle besser spüren kann.