Blindspot

Mobbing-App als Freizeitspaß?

Fau mit Smartphone
"Weil es geht": Anonymes Beschimpfen per Smartphone und App. © picture alliance / dpa / Foto: Jan-Philipp Strobel
Von Torsten Teichmann, ARD-Studio Tel Aviv · 29.01.2016
Das Symbol ist ein Smiley mit rausgestreckter Zunge und Augenklappe. Die App Blindspot, mit der man anonym Nachrichten verschicken kann, ist gerade in Israel beliebt. Der Anbieter sagt, das sei doch alles nur ein Spiel. Die Politik will gegen die Mobbing-App jetzt vorgehen.
Die App Blindspot ist ein Messaging Dienst. Die App macht es möglich, anonym Nachrichten an Personen aus der Kontaktliste des Telefons zu versenden. Und das sorgt für Stress in Israel.
Die Firma Schellanu aus Herzliya schickt als Manager den Bruder von Model Bar Rafaeli, Dor zu israelischen Onlineportalen, um das Produkt zu verteidigen.
"Zuerst einmal ist es ein Spiel. Es ist eine andere Art ehrlich zu sein zu seinen Freunden. Du kannst alles aufrichtig sagen. Und das ist leichter wenn man dabei anonym bleibt. Wir betrachten das positiv. Und außerdem ist es nur ein Spiel."
Ein gefährliches Spiel, sagen Kritiker. Die App sei ein Werkzeug zum Drangsalieren. Auch Investoren der App wie Hip-Hop Künstler Nicki Minaj und Will.i.am geraten in Bedrängnis. Unterstützen sie etwa Mobbing?
Tel Aviv
Werbeplakat des App-Anbieters Blindspot in Tel Aviv. © Deutschlandradio / Torsten Teichmann
Ein Plakat an der Stadtautobahn von Tel Aviv behauptet, der Messaging-Dienst sei schon jetzt die Nummer 1 in Israel. Im Fernsehen erzählt eine 16-jährige Schülerin von persönlichen Erfahrungen:
"Bei der ersten Nachricht war ich echt schockiert. Ich wusste nicht, wer das war, ich wusste nicht, ob ich jemandem was getan hatte? Da stand: Du Hure, du hässliche, wer will schon Dein Freund sein? – Das ist etwas, das Dich sehr mitnimmt. Es ist ja nur verbreitet worden, weil es anonym geht. Die Leute machen das jetzt täglich. Sie werden immer grausamer – so etwas wird ohne Mitgefühl gepostet."
Wird genutzt, "weil es geht"
Andere Schüler wissen längst, was sozial erwünscht ist. Sie hätten die App aber finden sie nicht gut, scheint eine häufige Antwort
"Ich habe die App, kannst Du sehen. Aber es ist eine blöde App, verletzend und erniedrigend. Leuten beschimpfen mich und drohen mir. Manchmal macht mir das Angst."
"Ich texte oft. Ich lästere über alle Leute, die ich hasse und über die die ich liebe auch – weil es geht."
Dazu muss man wissen, dass Smartphones und Apps in Israel so stark zum Alltag gehören, wie vielleicht in keiner anderen Gesellschaft. Und deshalb ist die Mobbing-App zu einem politischen Thema geworden:
Die Abgeordnete Michael Rozin von der kleinen linken Meretz-Partei verlangt, dass Google und Apple den Download aus ihren Shops entfernen. Der Lehrer Yaniv Shahar hält die Forderung für richtig:
"Ich verstehe nicht, welches Ziel Google und Apple verfolgen. Die müssen doch die Risiken verstehen, dass diese Art von Diensten Menschen verletzten kann. Und Du weißt nicht, was vor allem Kinder machen, wenn sie stark verletzt werden von Klassenkameraden oder Freunden."
Der Likud-Abgeordnete David Biton will ein Gesetz einbringen, dass den Betreiber Schellanu zwingt auf Nachfrage, den Namen eines Absenders zu veröffentlichen. Sonst soll die Firma für jeden Fall 250.000 Euro zahlen.
Auch Bitons Tochter habe Blindspot auf dem Handy, berichtet die Zeitung Maariv. Die 24-Jährige bekam jüngst eine Nachricht: "Süsse, sag Deinem Vater, er soll sich mit anderen Dingen beschäftigen" stand auf dem Display. Der Absender blieb freilich anonym.
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