Blockade der Sozialen Netzwerke in Sri Lanka

"Das ist Zensur"

05:57 Minuten
In der Nähe des St. Anthony's Shrine in Colombo sitzen vier Anwohner auf dem Boden und lesen Zeitungen, in denen über die Anschläge in Sri Lanka vom 21. April berichtet wird.
Sri Lanker lesen in der Zeitung über die Anschläge vom 21. April - Social-Media-Dienste wie WhatsApp waren zu diesem Zeitpunkt schon gesperrt © Jewel Samad / AFP
Ann Cathrin Riedel im Gespräch mit Axel Rahmlow · 23.04.2019
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Keine Rechtsgrundlage, keine Kontrollinstanz, keine Möglichkeit, wichtige Informationen zu verbreiten: Ann Cathrin Riedel von "Load" kritisiert die Blockade der Sozialen Medien nach den Anschlägen. Sie sei weder hilfreich noch gerechtfertigt.
Nach den Attentaten vom Ostersonntag auf Sri Lanka hat die Regierung Soziale Medien und Messenger-Dienste blockiert, um Gerüchte und Falschmeldungen über weitere Attentate nicht im Umlauf gelangen zu lassen.
"Das ist auf jeden Fall Zensur", kritisiert Ann Cathrin Riedel, Vorsitzende von LOAD, einem Verein für liberale Netzpolitik. "Ich bin immer dagegen, solche Netzsperren einzuführen, auch bei so schrecklichen Vorfällen, wie wir es jetzt in Sri Lanka gesehen haben."
Zum einen, weil in einer Demokratie eine solche Maßnahme rechtliche Grundlagen und auch Kontrollinstanzen brauche. "Und ich glaube weder, dass es auf einer rechtlichen Grundlage basierte noch dass es Instanzen gibt, die das kontrollieren."

Nicht immer nur auf das Schlechte bei Sozialen Medien schauen

Riedel verweist außerdem auf die Bedeutung, die Soziale Medien bei der Verbreitung von nützlichen Informationen hätten. "Wir schauen immer vor allen Dingen auf das Schlimme, das man mit den Sozialen Medien machen kann, gar nicht auf das, wie es helfen kann", sagt sie. Speziell in einer solchen Region seien Soziale Medien eine essenzielle Informationsquelle, und wenn man sie blockiere, entstehe ein Informationsvakuum. "Und ich glaube, das ist weitaus schlimmer."
Die St. Antonius Kirche in Colombo ist nach einer Explosion verwüstet, Sicherheitskräfte gehen durch Trümmer
Rettungsarbeiten koordinieren, besorgte Angehörige kontaktieren - in Krisensituationen wie dem Anschlag auf die St. Antonius Kirche in Colombo können Soziale Netzwerke wichtig sein.© picture alliance / AA / Chamila Karunarathne
In Krisen- oder Katastrophenfällen seien Soziale Medien und Messengerdienste oft hilfreich, indem sie Menschen helfen, ihre Angehörige zu finden, oder zu erfahren, ob es diesen gut geht. "In Indonesien war es, glaube ich, der Fall, dass nach Erdbeben Rettungskräfte über die Sozialen Medien, über Twitter Hilfe koordinieren konnten. Aber auch zivilgesellschaftlich finden so Koordination und Hilfe statt." Etwa nach dem Anschlag auf Borussia Dortmund, als über Twitter Übernachtungsmöglichkeiten für anreisende Fans koordiniert worden seien.
Die negativen Effekte der Sozialen Medien müsse man Riedel zufolge in Kauf nehmen, aber sich gleichzeitig darum kümmern. "Auch was Christchurch angeht", betont sie mit Blick auf den Anschlag eines mutmaßlichen Rechtsterroristen auf zwei Moscheen am 15. März, dem 50 Menschen zum Opfer fielen. "Wie gehe ich damit um, dass ein Terrorist ein Attentat live streamt?", fragt die LOAD-Vorsitzende. "Warum schauen das 200 Menschen und niemand meldet das an Facebook? Also, das ist natürich ein enormes Problem, wenn Menschen Hass, der auf den sozialen Plattformen passiert, einfach tolerieren und selber gar nicht eingreifen. Abgesehen davon, dass natürlich eine Plattform die Verantwortung hat."
(uko)
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