Inge Wollschläger: Die Notaufnahmeschwester - Ein Alltag zwischen Leben, Tod und Wahnsinn
Penguin Verlag, München 2020
256 Seiten, 10 Euro
"Man braucht ein dickes Fell"
33:13 Minuten
20 Jahre lang war Inge Wollschläger Krankenschwester in der Notaufnahme. Sie hat Leid, Schmerz, Tod und auch Skurriles erlebt. Darüber schreibt und spricht sie, mitfühlend, humorvoll, manchmal wütend über ein Gesundheitssystem, das selber krank ist.
Nach einem Praktikum im Krankenhaus weiß Inge Wollschläger, wie ihre berufliche Zukunft aussehen wird: "Selbst ich als Praktikantin konnte da schon so viel Gutes für die Patienten bewirken, was mir wirklich gut gefallen hat."
Bei einer Probearbeit im Kindergarten ging es ihr ganz anders: "Da haben mir jeden Abend die Ohren geschallert. Und es ist ein himmelweiter Unterschied, ob ein Kind einem nicht erklären kann, warum es jetzt heult, oder ob eine betagte Dame einem sagt, wenn sie jetzt ein Glas Wasser bekäme, wäre sie glücklich, und ich bin derjenige, der es holen kann. Ich mag es gerne, für Menschen da zu sein."
Bloggende Krankenschwester und Autorin
Die Ausbildung zur Krankenschwester absolviert sie in einer kirchlichen Einrichtung in strengem Umfeld, aber mit viel "Herzensbildung" und guten Grundlagen: "Alle Arten von Verbänden mach ich tatsächlich noch so wie meine Schulschwester mir das beigebracht hat." Dass es kein einfacher Job sein würde, ist ihr klar: "Man braucht ein dickes Fell", sagt sie, auch wenn viele Patienten der Notaufnahme, in der sie 20 Jahre gearbeitet hat, nur mit verstauchten Knöcheln oder Insektenstichen kämen. Über diese und auch weitaus ernstere Erfahrungen hat sie nach erfolgreichen Jahren als Bloggerin inzwischen auch ein Buch geschrieben: "Die Notaufnahmeschwester - Ein Alltag zwischen Leben, Tod und Wahnsinn".
Mehr Wertschätzung für Pflegekräfte
Wie von staatlicher Seite mit Pflegekräften umgegangen wird, lässt Wollschläger wütend werden: "Wenn man mitkriegt, dass ein Lavendel gepflanzt wird als ‘Wertschätzung’, wenn ein großer Klinikkonzern ein hübsches Lied dichtet, dann denke ich mir, fasst euch doch bitte selber alle an die Füße - das ist keine Wertschätzung! Allein, dass man darüber diskutieren muss, nachdem man so hochgeklatscht wurde und systemrelevant war, dass es nicht möglich ist, dass man sagt, ich bezahle die Leute vernünftig, jeder kriegt einen Pflegebonus. Das ist so lächerlich." Ein Einstiegsgehalt in der Pflege von 4000 Euro, wie es kürzlich in einer Pflege-Petition gefordert wurde, hält sie für angemessen.
Mittlerweile hat Wollschläger der Notaufnahme den Rücken zugekehrt und arbeitet als Seniorenreferentin bei einer evangelischen Kirchengemeinde in Würzburg. Dort hält sie unter anderem Gottesdienste ab, veranstaltet Seniorenkreise, einen Literaturkreis, macht Besuche in Altenheimen und schreibt Geburtstagsbriefe.
Als sie zu Anfang der Corona-Zeit über die Sozialen Medien die Menschen zum Briefeschreiben an einsame alte Leute aufrief, war sie überrascht über die vielen Rückmeldungen: "Es kamen Briefe zuhauf. Es war unfassbar berührend. Man hat ja immer so den Eindruck, dass die, die am lautesten schreien, ob Impfgegner oder Rechtsradikale, immer die Oberhand gewinnen. Und diese Aktion hat zumindest mir gezeigt, es sind auch sehr sehr viele gute Menschen unterwegs."
(mah)